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Veröffentlicht am 22.10.2017

Der weiße Regenschirm

Pawlowa
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Mr. B - der Hauptprotagonist dieses zauberhaften Romans von Brian Sewell, treibt Mitleid und seine große Tierliebe an, der kleinen Eselin auf der Straße von Peschawar/Pakistan zu helfen, die - noch viel ...

Mr. B - der Hauptprotagonist dieses zauberhaften Romans von Brian Sewell, treibt Mitleid und seine große Tierliebe an, der kleinen Eselin auf der Straße von Peschawar/Pakistan zu helfen, die - noch viel zu jung zum Lasten schleppen - unter selbigen fast zusammenzubrechen droht. So springt er aus dem Auto, in dem er mit einer Filmcrew auf dem Weg zum Flughafen saß - und rettet Pawlowa, wie er die kleine Eselin fortan nennt....

Der Roman beschreibt nun die Reise der beiden über Landwege von Pakistan nach England, da ein Flug ausgeschlossen werden muss, wobei die beiden viel erleben und wobei es naturgemäß zum einen viel zu erzählen gibt und zum zweiten die Freundschaft zwischen Mr. B und Pawlowa unaufhaltsam auf der gemeinsamen Reise wächst. Die Stationen des Weges auf dem Weg nach London sind von Persien bzw. das heutige Iran, Isfahan, Täbris, die Türkei, Griechenland, Deutschland, Frankreich und schließlich die Fähre nach England...

Mr. B ist ein sympathischer englischer Gentleman, der immer seinen großen weißen Schirm dabei hat, der beide vor zu viel Sonne schützt und hier auch ein Symbol für den Schutz ist, dessen Menschen und besonders Tiere auf dieser Welt zuweilen bedürfen. Mr. B mag antike Geschichte, Literatur, Gedichte, alte und wertvolle Teppiche und mit seinem 'white umbrella' ist er bereits von Weitem als Engländer zu erkennen, der nicht gerade arm ist, auch wenn das Rechnen ihm nicht liegt.
Besonders aber mag Mr. B Alexander den Großen und so beinhaltet der Roman ganz nebenbei auch eine Exkursion zur Geschichte der Menschheit, die sich auf der Reise der beiden (und durch Mr. B's zahlreiche früheren Reisen) auf wundersame Weise vor dem Leser entfaltet. Immer wieder finden die beiden Helfer, die sie im Lastwagen oder anderem Gefährt mitzunehmen bereit sind und ihn auch mal bis zur Grenze begleiten, um eine sichere Passage zu gewährleisten. Gegen Ende des Romans begegnet Mr. B (und der Leser) einem alten Rolls Royce Silver Shadow, der von Hector, einem britischen Buchhändler und Antiquar gefahren wird, der Mr. B und Pawlowa 'aufliest'. Hector hat zwar nicht viel übrig für die Menschheit, für "eine Eselin in Not" jedoch sehr viel ;)

So machen die drei noch einen Ausflug durch die Kunstgeschichte, die Reise durch Deutschland und Frankreich gleicht einer Gourmet-Reise und es gelingt ihnen, Pawlowa an der Quarantäne-Falle für ungeimpfte Tiere vorbeizuschmuggeln, als sie die Fähre nach England besteigen. Viele Jahre sollte die tiefe Freundschaft zwischen allen, besonders aber zwischen Mr. B und Pawlowa, die von den Hunden und Mrs. B ebenfalls ins Herz geschlossen wurde, fortbestehen...

Fazit:

Ein sehr berührender, herzerwärmender Roman über die Kraft der Freundschaft, zuweilen mit märchenhaften, aber immer auch sehr menschlichen Zügen. Die Reise von Mr. B und der Eselin Pawlowa, die er nicht ihrem (sicher aussichtslosen) Schicksal in Peschawar überlassen konnte, zeugt von großer Tierliebe und Respekt anderen Geschöpfen gegenüber, die man dem Autor nachsagt, an denen es aber vielen Menschen mangelt. Die zauberhaften Illustrationen von Sally Ann Lasson verstärken auf ihre Weise das (Lesereisen) Erlebnis und man wünscht sich einfach nur, es möge mehr dieser "Mr. B's" geben - mit einem großen weißen Schirm und einem Esel, der sich dankbar an ihn schmiegt.
Eine absolute Leseempfehlung von mir mit 5* und einen Dank an die Übersetzerin Claudia Feldmann und den Insel-Verlag!

Veröffentlicht am 09.10.2017

Packender Agententhriller mit brisanten, brandaktuellen Themen!

Stimme der Toten
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"Stimme der Toten" von Elisabeth Herrmann ist der Nachfolger von "Zeugin der Toten" um die Tatortreinigerin Judith Kepler, die hier über eine kleine Blutspur stolpert und im Herzen einer weltweiten Verschwörung ...

"Stimme der Toten" von Elisabeth Herrmann ist der Nachfolger von "Zeugin der Toten" um die Tatortreinigerin Judith Kepler, die hier über eine kleine Blutspur stolpert und im Herzen einer weltweiten Verschwörung landet" (so das Buchmagazin 'Stories').
Erschienen ist der Kriminalroman (HC) 2017 im Goldmann-Verlag und das Cover, das regnerische Zeiten in Berlin symbolisiert, ist haptisch durch den herunterrieselnden Dauerregen sehr gut gelungen.

Ist der Mitarbeiter der CHL-Bank von der Galerie gestürzt - oder hat vielleicht jemand nachgeholfen? Mit ihrem Hinweis an die Polizei gerät Judith ins Fadenkreuz des BKA, das eine firewall um ihre Person installierte, um sie zu schützen - und dem Netz der Geheimdienste in der Person von Bastide Larcan, der ihr eine lukrative Zusammenarbeit anbietet: Ein Hackerangriff wird von Russland aus geplant, dessen Ziel es ist, Europa zu destabilisieren, indem Daten der mächtigen CHL-Bank manipuliert werden...

Die Themen in "Stimme der Toten" sind: Agenten, Stasi, Heimerziehung in der DDR, die deutsche Geschichte und Vergangenheit, Identitätswechsel, Verfassungsschutz, KGB und 'freelancer', die in Waffengeschäften und Geheimdiensten tätig sind und das digitale Zeitalter.

Der Krimi, der eher im Genre Agententhriller anzusiedeln ist, hat sozialkritische, politisch hochbrisante Inhalte, die gerade Ende September zur Bundestagswahl relevant sind: Zum einen Alkoholismus, Kindeswohl und Jugendämter (Sozialkritik); zum anderen schwärender Nationalsozialismus und Rechtspopulismus, der nach dem Ergebnis der Wahlen besonders in den neuen Bundesländern um sich greift (siehe AfD-Ergebnisse!) und im Roman einen Bezug zu Schenken haben, einem kleinen Dorf und "national befreiter Zone", das wirtschaftliche Autarkie erstrebt und Zulauf hat, ebenso wie die sog. "Reichsbürger".

Der Stil Herrmanns ist packend, fesselnd und spannend sowie flüssig zu lesen; die Charaktere sind facettenreich, deren "Gedanken-Kalkül" erscheint nachvollziehbar, besonders bewegend hier die Hauptprotagonistin Judith Kepler und Bastide Larcan: Die Vergangenheit um die Ereignisse von Sassnitz spielen hierbei eine große Rolle und bestimmen weiterhin das Leben von Judith, die unauffällig als Cleanerin arbeitet und eine schwierige Vergangenheit durchlebte. Die Autorin weiß mit atmosphärischer Dichte und gekonnten Dialogen zu überzeugen. Spannung entsteht auch über den Perspektivwechsel der Akteure, besonders Judith und Bastide, aber auch Nebencharaktern, die sehr authentisch agieren. Die 64 Kapitel werden von einem Prolog wie einem Epilog stilvoll und meisterlich 'umrahmt'. Zuweilen muss man miträtseln bei der Frage "who's who' und nicht ohne Grund mutmaßt eine eingeschleuste Agentin zum geplanten Hackerangriff auf die CHL

"dass der kalte Krieg nie aufgehört hat. Es hat allenfalls eine Atempause gegeben. Sie hacken keine Bank. Sie hacken Europa." (Zitat S. 480)

(gemeint ist der russische Geheimdienst SWR, der Nachfolger des KGB). Der äußerst spannende showdown in der Bank lässt einen der Auflösung entgegenfiebern; der Plot ist (soweit) stimmig und auch im Epilog gibt es interessante Wendungen zu entdecken.

Fazit:

Ein spannender, flüssig zu lesender Krimi - oder vielmehr Agententhriller, dem es an gut recherchierten Inhalten zu den eigentlichen "Strippenziehern" an den Machtgebilden dieser Welt nicht eben fehlt und das flaue, aber untrügliche und nachdenklich stimmende Gefühl beim Leser hinterlässt, dass dies nur ein kleiner Ausschnitt oder auch eine "Spitze des Eisbergs" all dessen sein könnte, was wir nicht wissen (sollten). Es geht um Machtinteressen, die hinter den bekannten politischen "Kulissen" längst im Verborgenen laufen und die politischen Konstellationen des Weltgeschehens im eigentlichen Sinne bestimmen.
Einem Interview mit der Autorin war zu entnehmen: "Wir müssen wieder mehr analog werden. Die digitale Welt soll uns dienen - und sich nicht schamlos an uns bedienen."
Dem ist nichts mehr von meiner Seite hinzuzufügen - ausser, dass ich "Stimme der Toten" als hochaktuellen, politisch brisanten und auch sozialkritischen Agententhriller einstufe, der mir sehr gut gefallen hat und daher eine Leseempfehlung sowie 5 */95° auf der "Krimi-Couch" erhält!

Veröffentlicht am 21.09.2017

Die letzten Bowmans

Der Vater, der vom Himmel fiel
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Lyle Bowman mag Süßigkeiten und möchte sich einen Schokoriegel im nahen Laden kaufen; doch durch eine folgenschwere Verwechslung eines Trinkgefäßes sollte es nicht mehr dazu kommen...
Auf der Beerdigung ...

Lyle Bowman mag Süßigkeiten und möchte sich einen Schokoriegel im nahen Laden kaufen; doch durch eine folgenschwere Verwechslung eines Trinkgefäßes sollte es nicht mehr dazu kommen...
Auf der Beerdigung des Vaters wartet Bill auf seinen Bruder Greg, der in den USA lebt, wo er an einer Uni Geschichte lehrt und bereits früher alles besser wusste, weshalb die Brüder über 7 Jahre lang zerstritten waren und nicht miteinander sprachen.
Fast hätte Greg die Hochzeit von Billy torpediert, was ihm Jean, seine Schwägerin, bis heute nicht verziehen hat. Katy, die 7jährige tanzwütige Tochter der beiden, fragt sich, weshalb sie ihren Onkel Greg nicht besonders gut kennt..
Greg zieht nach zwei Tagen bei Billy in das gemeinsame Elternhaus, in dem Lyle viele Jahre nach dem Tod der Mutter alleine lebte und will sich an die Reparaturen begeben, die vor dem Verkauf des Hauses erforderlich sind. Mit Hilfe von Gregs Whiskey und einer Flasche Rotwein nähern sich die Brüder vorsichtig an und eines Abends hört Greg eine wohlbekannte Stimme, mit der er wöchentlich telefonierte: Seinen Vater!

Lyle hat im Jenseits ausgehandelt, dass er 20 Tage "Heimaturlaub" bekommt, um die familiären Angelegenheiten zu regeln, zu denen er im Leben nicht mehr kam: Nur Greg, der jüngste Sohn kann ihn sehen und mit ihm reden: Lyle instruiert nun seinen Sohn, die Familie zu retten und Zerwürfnisse aus der Welt zu schaffen...

"Es gibt Bücher, die liest man mit einem Lächeln im Gesicht. DIESES ist definitiv so eines" (Auszug Klappentext)

Dem kann ich mich nur anschließen, habe ich schon lange kein solch' witziges, kurioses, sprachlich geniales und pointiertes Buch mehr gelesen! Der Stil des Autors, in die er diese herzzerreißende Geschichte und famose Buchidee fasst, ist urkomisch, stellenweise slapstickhaft und von einer unglaublichen Situationskomik und Virtualität, dass es einen als Leser vor Lachen fast aus den Puschen haut! (Ähnlichkeit mit neurotischen Familienangehörigen à la Woody Allan-Filme sind rein zufällig; nur noch besser ;) )
Die facettenreichen Figuren wie Greg, Billy und Jean, Katy, Mrs. Turner, die 'christliche' Nachbarin, Syd, der beste Freund Lyles sowie besonders Onkel Fred, der eine Vorliebe für den Wilden Westen hat, sind mit feinem Humor und köstlich ironischem Unterton gezeichnet. Zudem wirken die Neurosen der Hauptprotagonisten wie 'voll aus dem Leben gegriffen' und machen sie umso sympathischer; mit Ausnahme von Jean vielleicht..

Fazit:

Eine Romanidee, die wohl kaum noch gelungener hätte umgesetzt werden können, an Humor und der Köstlichkeit ungeahnter Lesefreuden ist er kaum zu überbieten! Die ironische und virtuose Sprachfreudigkeit des Autors hat mich wirklich umgehauen und ich danke ihm für Lesestunden, die an Humor wie auch Tiefgang kaum zu übertreffen sind und dem Leser verdeutlichen, dass er womöglich nicht alleine damit ist, "verhaltensoriginelle Verwandte" in der Familie zu haben, die dennoch liebenswert sind ;)
Ein literarisch und stilistisch "vom Feinsten" gelungener Roman und eine unvermutete "Wiederkehr aus dem Jenseits" - allerdings mit Deadline von20 Tagen ;) - mit der Erkenntnis, dass es sich lohnt und das Leben einer jeden Familie bereichert, offen und ehrlich miteinander umzugehen und das am besten noch zu Lebzeiten!
Von mir für diesen literarischen Glücksgriff 5 Sterne (die hier locker verdoppelt werden könnten ;) und ein thank you, Mr. Henderson - I hope to hear from you soon! sowie an den Diogenes-Verlag für die Veröffentlichung dieses wundervollen Romans!

Veröffentlicht am 08.09.2017

Ein großartiges Romandébut!

Zeit der Schwalben
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"Zeit der Schwalben" von Nikola Scott (Originaltitel im Englischen "My mother's shadow') erschien (HC, gebunden) 2017 in der Rowohlt-Verlagsgruppe bei Wunderlich.
Der sehr berührende und gefühlvoll geschriebene ...

"Zeit der Schwalben" von Nikola Scott (Originaltitel im Englischen "My mother's shadow') erschien (HC, gebunden) 2017 in der Rowohlt-Verlagsgruppe bei Wunderlich.
Der sehr berührende und gefühlvoll geschriebene (sowie von Nicole Seifert ins Deutsche übersetzte) Roman beginnt mit einem Rückblick:

Sussex, England, 1958:

"Es ist ein goldener Sommer im England der späten 50er Jahre: Die sechzehnjährige Elizabeth ist begeistert von den jungen Leuten, die sie auf dem Anwesen der Freunde ihrer Eltern in Sussex kennenlernt. Sie erlebt unbeschwerte Tage mit Ausflügen, Picknicks und Partys. Und sie verliebt sich prompt....

London, 40 Jahre später:

Nach dem Unfalltod ihrer Mutter erhält Adele Harington einen mysteriösen Anruf: Ein Mann spricht von "neuen Spuren" und nennt immer wieder ein Datum. Und dann steht plötzlich eine Fremde vor der Tür und behauptet, Teil der Familie zu sein...
(Quelle: Buchrückentext)

Adele, genannt Addie, hat es zeitlebens schwer, eine innige Beziehung zu ihrer Mutter aufzubauen. Den Parolen der Mutter wie "die Schultern straffen und nach den Sternen greifen" kann sie nicht so gut Folge leisten wie ihre Geschwister: Während Venetia, ihre jüngere Schwester Architektin und ihr Bruder Jas Handchirurg wird, widmet sie sich anderen Aufgaben und macht aus ihrer Leidenschaft ihre Berufung: Bäckerin und Konditorin. Ihr alter Jugendfreund Andrew, ein weiterer Protagonist dieses wundervollen Romans, bestärkt sie jedoch und möchte als gelernter Koch am liebsten mit Addie zusammen das "Grand Bleu" eröffnen, in dem beide ihre berufliche (und gerne auch private) Erfüllung finden könnten, nach Auffassung Andrews jedenfalls...

Am Todestag der Mutter (Elizabeth Harington) versammelt sich die Familie und es ist spürbar, welche Lücke dieser viel zu frühe Tod in die Familie riss. Addies Beziehung zu Venetia ist nicht problemlos und Addie, die sehr kompromissbereit und etwas konfliktvermeidend ist (im Gegensatz zu Venetia) erhält einen merkwürdigen Anruf, der sie fortan nicht loslässt: Ein Mann hat neue Spuren gefunden, die in die Abteilung 'vermisste Personen' fällt und wiederholt ein Datum: Das Geburtsdatum von Addie, der 14. Februar 1960.....

Stück für Stück versucht Addie nun (voller Entschlossenheit, wie einst die Mutter), dieses Rätsel aufzulösen, zumal eine Frau vor der Tür auftaucht, die behauptet, ebenfalls am 14. Februar geboren worden zu sein - und dass Elizabeth ihre Mutter sei....

Um nicht die Spannung, die in diesem Roman sehr tiefgründig liegt, vorwegzunehmen, beschränke ich mich darauf, auf das Familiengeheimnis nicht in aller Form einzugehen, jedoch den gefühlvollen, prägnanten und sehr guten Schreibstil der Autorin sehr hervorzuheben: Seit dem Entschluss Addies, ihre Mutter völlig neu zu entdecken und das Unerklärliche (für den Leser Erschütternde) zu entschlüsseln, gelingt es Nikola Scott ganz hervorragend, die Charaktere - in vorderster Linie Addie, Venetia, den Vater George und auch besonders Elizabeth, die durch ihre Tagebucheinträge im Rückblick immer präsenter und nachvollziehbarer wird - wie auch Andrew, der sehr hartnäckig (und liebevoll) an der Seite Addies steht, herauszuarbeiten und sehr facettenhaft darzustellen. Man hat recht schnell große Sympathie für Addie, wogegen sich die für Venetia sehr im Rahmen hält; dennoch ist im Verlauf des Romans eine Annäherung festzustellen. Es gibt eine Person, die eine wirklich niederträchtige Rolle spielt und dessen Motiv lediglich das Ansehen "und der gute Ruf" seiner Familie ist; der in der Doppelmoral dieser Epoche denkt und auch agiert, in der nichts schlimmer ist als die Tatsache, als junge Frau (unverheiratet) ein Kind zu bekommen.

Man erfährt im Verlauf dieser sehr tragischen Familiengeschichte von Einrichtungen, die es seinerzeit (und noch bis in die 80er Jahre hinein!) in England gab (und natürlich nicht nur dort), in denen jungen Mädchen und Frauen ein Schuldgefühl eingeimpft wurde, sie gedemütigt und versklavt wurden ob ihrer "Schande", ein Baby zu bekommen. Hier geht die Tragik noch darüber hinaus, da es eine gefühllose, kalte Atmosphäre zu Hause gibt, Trauer das Lebensgefühl, die große Lebensfreude Jugendlicher in den 50ern sozusagen grundiert, da Elizabeth kurz zuvor ihre Mutter durch Krankheit verlor.... Hier gelingt es der Autorin sehr gut, die "Achterbahn der Gefühle", aber auch die Stärke von Elizabeth, nach einem Ausweg zu suchen und nicht klein beizugeben, darzustellen. In Form von Tagebüchern, die Addie findet, kommt sie ihrer Mutter immer näher - und das Rätsel um die fremde Frau löst sich auf sehr positive Weise....

Fazit:

Ein emotionaler, sehr ergreifender und berührender Roman, in der die Autorin der dunkleren Seite der 50er Jahre nachspürt - der Doppelmoral und gesellschaftliche Ausgrenzung alleinstehender junger Mütter, die sich noch bis in die 80er Jahre hinein halten sollten, so in ihrem Nachwort. Einfühlsam und bewegend wird durch die Protagonistinnen Elizabeth, Addie und Phoebe nachgezeichnet, welch verheerendes Erbe erzwungene Trennungen für die Betroffenen und deren weiteres Leben darstellt. Ein großes Dankeschön an die Autorin, den Wunderlich-Verlag und eine absolute Leseempfehlung bei 5 * am literarischen Firmament!

Veröffentlicht am 30.08.2017

Schwimmen lernen ohne Angst - aber dafür mit einem Freund ;)

Der Wal und das Mädchen
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Das Kinder- und Bilderbuch "Der Wal und das Mädchen" von Tanja Kinkel wurde (2017) vom Magellan-Verlag nachhaltig hergestellt und veröffentlicht.

Die bekannte Autorin hat hier - gemeinsam mit wunderschöner ...

Das Kinder- und Bilderbuch "Der Wal und das Mädchen" von Tanja Kinkel wurde (2017) vom Magellan-Verlag nachhaltig hergestellt und veröffentlicht.

Die bekannte Autorin hat hier - gemeinsam mit wunderschöner Illustrierung von Guiliano Ferri - eine schöne Geschichte geschrieben, die Kinder ab 3 Jahren ansprechen dürfte:

Maria fährt mit ihrer Familie zum ersten Mal ans Meer. Sie ist sehr aufgeregt und hat ein wenig Angst vor den ungestümen Wellen. Gerade angekommen, kann sie es aber kaum erwarten und läuft (in einem unbeobachteten Moment) alleine zum Strand....

Der kleine Wal, der es satt hatte, den anderen immer hinterherzuschwimmen, wollte auch den Teil des Meeres kennenlernen, der geheimnisvoll glitzerte. So schwamm er auf den helleren Teil zu, als die Walmutter einen Moment nicht achtgab....

Etwas kratzt den Wal am Bauch - er steckt im Sand fest! Maria, die ein solch großes Tier noch nie zuvor sah, erzählt es ihren Eltern, die mit Eimern und Tüchern zum Strand eilen, in der Absicht, den Wal nicht der Austrocknung und der Sonne preiszugeben, bis die Flut ihn befreien kann....

Es geht darum, schwimmen zu lernen (möglichst angstfrei) und auch Freunde zu finden, einander zu helfen. Mit wenig Text, aber sehr viel zum Betrachten (besonders auch zum gemeinsamen Betrachten wie auch zum Vorlesen geeignet) ist dieses schöne Kinderbuch der erfolgreichen Autorin ein pädagogisch wertvolles geworden, das Kindern helfen kann, die natürliche Angst vor dem Wasser, besonders vor dem Meer, zu überwinden und das Schwimmen zu erlernen, so wie es für den kleinen Wal selbstverständlich ist.


Fazit:

Ein wunderschön gestaltetes und getextetes Kinderbuch für Kinder ab 3 Jahren, das ich unbedingt weiterempfehle: Vor einem ersten Urlaub am Meer (oder auch an einem See) kann diese schöne Geschichte Kindern helfen, das Schwimmen zu erlernen - und keine Angst vor dem Wasser zu haben ("es trägt") ;)Sogar kleine (und sehr große) Wale! Von mir erhält es 5 (See)sterne!