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Veröffentlicht am 10.10.2017

Alternative Fakten

Verfolgung
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Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass das Millennium-Universum mit Lisbeth Salander sehr lange an mir vorbei gegangen war – aufgrund der Namensgleichheit mit der Millennium-Serie vermutete ich irgendetwas ...

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass das Millennium-Universum mit Lisbeth Salander sehr lange an mir vorbei gegangen war – aufgrund der Namensgleichheit mit der Millennium-Serie vermutete ich irgendetwas mit parapsychologischem Hauch und hielt Abstand https://de.wikipedia.org/wiki/Millennium%E2%80%93F%C3%BCrchtedeinenN%C3%A4chstenwieDich_selbst
Dann gelangte ich mehr zufällig an die Verfilmungen, sowohl mit Daniel Craig als auch mit Noomi Rapace – jaaa, verschiedene Verfilmungen, dennoch wäre das so meine Wunschkombination. Also habe ich eine etwas seltsame Serien-Rezeption, zwei Verfilmungen sowie ein Buch aus der ursprünglichen, „echten“ = von Stieg Larsson geschriebenen Millennium-Trilogie sowie jetzt halt noch „Verfolgung“ von David Lagercrantz, gesprochen von Dietmar Wunder.


Der Text beginnt am 12. Juni, Lisbeth sitzt im Frauengefängnis, eigentlich „nur“ wegen zivilem Ungehorsam, sie hat das Richtige getan aus den richtigen Gründen, in anderen Fällen hätte das jemand auch als Nothilfe werten können. Wie üblich, kann sie sich nicht heraushalten und legt sich gleich mit einer „Knast-Queen“ an, um einer jungen Mitgefangenen zu helfen. Und parallel dazu gibt es einen anderen Fall im Industriellenumfeld, es geht um weitere Informationen zu Lisbeths Vergangenheit, um einen Skandal, den Mikael Blomkvists Zeitung aufspürt.


Ich habe schon andere Reihen gelesen, die fortgeführt wurden (z.B. Andreas Franz – Daniel Holbe), das ist es nicht. Nur rein generell sitze ich hier gerade und überlege, an welcher Stelle und weshalb er anfing, der Handlungsstrang, der sich um Leo Mannheimer herum entwickelte? Ich würde das im Normalfall zurückblättern, bei Hörbüchern ist mir das zu aufwändig (Kommentare erwünscht, vielleicht kann mir jemand helfen . Das wird alles aufgelöst, soweit ist das kein Problem, aber es ist doch schon speziell, wie alles, wirklich alles zueinander führt, die „Bösen“ bezüglich der jungen Faria sind auch an anderer Stelle involviert. Anscheinend gibt es wenige Kriminelle in Schweden, auf die man zurückgreifen kann, wenn man einmal "Hilfe" benötigt? Diesen Effekt mit der Diskussion „wie war das? warum? womit endete das?“ gibt es übrigens im Web häufiger zu dem Buch, das Ende zu Dan und Leo ist ein Beispiel, ich hatte tatsächlich dort zuerst recherchiert. Natürlich ist das ein Wunsch speziell des Krimi-Lesers, Klappe zu, sprich die Tür der Zelle hinter dem „Bösen“, das muss auch nicht immer erfüllt werden: doch darum scheint es hier nicht zu gehen, es wirkt mehr auf mich wie ein nicht zu Ende gedachter Ansatz.


Ich fand die Handlung spannend und teils auch sehr bewegend, gerade die Teile um Holger Palmgren, Lisbeths väterlichen Freund. So gesehen hielt der Spannungsbogen sehr gut, einzig das Ende kam für mich etwas abrupt, irgendwie gleichzeitig zu unvollständig und zu bemüht um eine Zusammenführung. Mit dem Sprecher Dietmar Wunder hatte ich zu Beginn Probleme, weil ich seine Sprechart als zu gehaucht, zu kehlig empfand, das setzt er zwar fort, aber es störte mich nach kurzer Zeit nicht mehr. Dafür mochte ich die stimmliche Interpretation einiger Frauen durch ihn überhaupt nicht, speziell Benito und Rachel, vielleicht nur, weil die Hexen in meinen Märchenkassetten ähnlich klangen, jedenfalls fand ich die Stimmlagen zu überzogen und geradezu nervig. Darüber hinaus gefiel mir der Rest seiner Interpretation.

Ich habe also zum einen die sprachliche Wiedergabe, die mich mehr als nur gelegentlich nervte, zum anderen das Gefühl einer zu rund gebogenen Zusammenführung mit Schwächen beim Einstieg und Ausstieg zur Handlung. Hm. Da bei mir inzwischen 4 Sterne bedeuten, dass nur das „Tüpfelchen auf dem i“ fehlte, der letzte Funke, der nicht übersprang, würde ich gerne 3,5 Sterne vergeben. Ich habe jedoch bereits Teil 1 als Hörbuch geladen und werde damit einen zweiten Versuch starten.

Veröffentlicht am 13.09.2017

Vom Paradies auf Erden oder im Himmel

Und Marx stand still in Darwins Garten
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Bitte vergiss/vergessen Sie den Klappentext, die Inhaltsangabe alles. Bitte stell dir/stellen Sie sich zwei ältere Herren vor, die da in England leben – der eine in Kent, der andere in London. Beide sind ...

Bitte vergiss/vergessen Sie den Klappentext, die Inhaltsangabe alles. Bitte stell dir/stellen Sie sich zwei ältere Herren vor, die da in England leben – der eine in Kent, der andere in London. Beide sind sie sehr lang mit ihren Ehefrauen verheiratet und haben mit ihnen eine stattliche Anzahl Kinder bekommen – zehn der eine, sieben der andere. Beide haben sehr gelitten, als einige Kinder vor ihnen starben. Beide leben in Hausgemeinschaft mit treuen Angestellten, sind besessene Arbeiter in ihren jeweiligen Metiers, geradezu Arbeitstiere, ohne Rücksicht auf sich selbst. Beide involvieren die Familien in ihr Werk, die Frauen oder Kinder schreiben nieder, lesen Korrektur, arbeiten mit. Beide sterben 1882 respektive 1882. Beide kommen aus angesehenen, wohlsituierten Familien, leiden im Alter an einer angeschlagenen Gesundheit.

Hier kommt im Buch ein Doktor Beckett ins Spiel: Die beiden Herren sind Karl Marx und Charles Darwin, und mir war tatsächlich nicht bewusst gewesen, welche Ähnlichkeiten es doch gab (in Ordnung, der eine lebte meist prekär, der andere vom Familienvermögen der Wedgewoods, der eine im Vaterland, der andere im Exil, ...dennoch). In Darwins Arbeitszimmer steht ein Exemplar von „Das Kapital“ mit persönlicher Widmung, er schickte einen Dankesbrief an Karl Marx. Auch das ist Bestandteil des Romans. Der Buchdoktor stellt das Bindeglied zwischen beiden dar. Autorin Ilona Jerger lässt Darwin äußern „In der Tat ist die Vorstellung schmeichelhafter, direkt von Gottes Hand erschaffen worden zu sein, als einen irrwitzig langen und verschlungenen Weg von den Eizellern über die Rüben genommen zu haben…“ S. 91. Beckett hingegen bemerkt zum Begründer der Evolutionstheorie, der besorgt ist, als „Gottes-Mörder“ in die Geschichte einzugehen: „Wenn die Menschen nicht mehr auf das Traumland im Jenseits hoffen können, dann sind sie endlich bereit, für ein gutes Leben im Diesseits zu kämpfen. Die Leidensbereitschaft sinkt rapide, wenn es nach dem Tod keine Entlohnung gibt.“

Kurzweilig beschreibt der Roman die „alten Tage“ der beiden Persönlichkeiten, mit Rückblicken in die jüngere Geschichte (ich empfehle so in der Mitte des Romans mindestens ein Überfliegen der jeweiligen Wikipedia-Artikel – das ist im Buch wirklich gut gemacht und „inhaliert“ sich sehr leicht und locker). Breiten Raum nimmt die Diskussion zur Auswirkung auf Glaubensthemen ein, auch das, wie ich finde sehr elegant, mit dem ablehnenden, wetternden Marx, der gläubigen Frau von Darwin und Darwin selbst, „Die christliche Position hatte er verlassen, die atheistische wollte er nicht einnehmen.“ S. 186 Sein Vetter schlägt ihm zuletzt die Pascal’sche Wette vor: „Wenn du an Gott glaubst, und es stellt sich heraus, dass es einen gibt, hast du gewonnen und fährst gen Himmel. Wenn du hingegen nicht an Gott glaubst und es doch einen gibt, dann verlierst du die Wette und fährst zu Hölle. Und wenn du an Gott glaubst, und es stellt sich heraus, dass es keinen gibt, hast du zwar verloren, aber eigentlich nicht viel. Also wette, dass es ihn gibt! Das ist in jedem Fall die bessere Wahl. Denn du setzt mit wenig Einsatz auf einen satten Gewinn – die ewige Seligkeit.“ Cousin Francis zu Darwin, S. 216

Passend dazu aus der Grabrede, die Engels für den Freund und Weggefährten hielt: „Wie Darwin das Gesetz der Entwicklung der menschlichen Natur, so entdeckte Marx das Entwicklungsgesetz der menschlichen Geschichte….

Sehr geeignet, um unterhaltsam und irgendwie sehr komfortabel Einblick in Leben und Werk zweier Männer (und ihres Umfeldes) zu bekommen, die das moderne Weltbild maßgeblich geprägt haben. Ich hätte es mir zu meinem damals sterbenslangweiligen Abschnitt im Geschichtsbuch gewünscht. Dennoch…fehlt irgendetwas, auch wenn das altmodisch klingen mag, so der gewisse „Pfiff“. Solide 3,5 Sterne.

Veröffentlicht am 15.11.2017

Mal ernsthaft: Inwiefern haben Buchcommunitys Euch „verdorben“??

Ich bin die Angst
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Lange lange Jahre galt für mich “Buch aus einem ‘meiner‘ Genres‘ = muss gut sein“. An Büchern wie Ethan Cross‘ „Shepard“-Reihe merke ich, wie es mir Buchcommunitys „schaden“ - ich bin anspruchsvoller…
Bereits ...

Lange lange Jahre galt für mich “Buch aus einem ‘meiner‘ Genres‘ = muss gut sein“. An Büchern wie Ethan Cross‘ „Shepard“-Reihe merke ich, wie es mir Buchcommunitys „schaden“ - ich bin anspruchsvoller…
Bereits bis zu Seite 70 hat es mich mehrfach gegraust – jedoch nicht (nur), weil es sich hier um einen der auch auf eklige Details fixierten Thriller handelt (man darf also Gewaltexzessen live und in Farbe beiwohnen). Nein, mich störten so Sätze wie S. 51 „Über einem weißen Button-Down-Hemd trug er eine Khakihose und ein hellbraunes wollenes Sportsakko.“ Ja, muss lustig aussehen, so eine Hose über einem Hemd. Auch der „Bleistiftbart“ von S. 8 war im Original wohl ein „pencil beard“, was man eigentlich mit dem fast vergessenen „Menjoubärtchen“ übersetzt, auch wenn diese Mode mit Ende des Zweiten Weltkrieges in Deutschland dann doch verpönt war. Dazu: Pathos. S. 70 „Schofield war ohne Seele geboren, aber bald würde er ein Stück von Jessies Seele rauben. Er würde empfinden, was sie empfand. Er würde von ihrem Glück kosten und es sich zu eigen machen.“ Die Übersetzung von „The Prophet“, sehr passend zum Inhalt, mit „Ich bin die Angst“ ist da nur noch ein Detail.

Es ist bereits der zweite Band, den ersten hatte ich gewonnen. Ich verstehe ja sonst nie die Fixierung mancher Leser auf Cover, die ich schlicht übersehe und vergesse, mag jedoch schöne Gestaltungen mit Lesebändchen, passenden Vorsatzblättern, toller Haptik. Aber bei dieser Reihe gestehe ich fast widerwillig: ich finde die Optik umwerfend, gerade auch als Reihe. Alle Bände sind komplett monochrom, da die Schrift in gleicher Farbe wie der Rest des Covers geprägt wurde, somit erhoben und fühlbar ist, dabei lackiert wurde im Gegensatz zum sonst matten Look. Auch der Buchschnitt nimmt die Cover-Farbe auf, der Titel findet sich dabei umlaufend in weiß wieder. Jeder Band hat eine eigene Farbe: Nummer 1 war schwarz, dieser Band 2 ist rot (es folgen noch weiß, braun, grau). Ja, das ist optisch und haptisch toll. Da ich auch schon Figuren rein zum Hinstellen gekauft habe, werde ich die Bücher vermutlich in eine Vitrine stellen – nochmals lesen muss ich das nicht.

Ich habe natürlich das Buch beendet, in den letzten drei Jahren habe ich nur eines final abgebrochen. Wie Band 1, ist auch „Ich bin die Angst“ sehr spannend geschrieben, mischt Action mit (meist krankem) Psycho – dennoch bleiben meine Beschwerden über ALLE Seiten bestehen, ärgern mich ob des wirklich spannenden Schreibstils nur noch mehr. O.k., die Slasher-Thriller mag man oder nicht (gelegentlich geht das bei mir, auch wenn es mich stört), aber gegen das Pathos hätte man etwas tun können, gegen seltsame Übersetzungen, gegen unlogische Überleitungen. Positiv: es gibt praktisch keine Rückwärtsspoiler (o.k., die Verbindung zwischen Marcus und Francis war eigentlich von Beginn an klar, da ist nichts zu spoilern – aber sonst nichts weiteres). Insgesamt finde ich Band zwei jedoch deutlich besser als Band 1, da er nicht so überzogen ist.

Es scheint seit dem Ende von „Ich bin die Nacht“ etwas Zeit vergangen zu sein, Ex-Cop Marcus Williams ist jetzt festes Mitglied der Shepard-Organisation, der geheimen Gruppe unterhalb des Justizministeriums. Aufnahme-Voraussetzung ist ein Trauma, damit sich die Agenten besser in die Fälle hineinversetzen können: Marcus‘ Eltern wurden in seiner Kindheit getötet. Es gab zwischen den beiden Bänden einen Einsatz in Harrisburg, der gefährlich wurde, und daraufhin Ärger mit Maggie Carlisle, ebenfalls Shepard und seine noch oder nicht-mehr Freundin. Ihre Mutter wurde umgebracht. Das hat alles so einen leichten Batman-Touch mit den einsamen Helden, dabei finde ich es problematisch, dass leider ein ziemlicher Fokus auf einer gewissen Billigung von Selbstjustiz liegt (wie jüngst auch bei einigen anderen Büchern). Was das Manko dieser Selbstjustiz ist, bereitet Marcus im Buch reichlich Probleme.

Zum Fall selbst möchte ich zusätzlich zum Klappentext wenig verraten, hinzu kommen ein kleinerer Fall zu Beginn zum Warmlaufen, Reibereien mit lokalen Behörden, Sekten und Satanismus. Den Psychopathen Ackerman wiederum mochte ich wider Willen, wie im ersten Band. Allerdings scheint er keine Stimmen mehr zu hören? Und Marcus knackt etwas seltener mit den Nackenmuskeln und Maggies Neurosen werden auch etwas weniger beschrieben, aber gerade die Nackenmuskeln waren in Teil 1 schon nervig. Dafür wartet Cross mit etlichen Wendungen auf, von denen ich nur eine vielleicht zwei Seiten vorher erahnt hatte.

Insgesamt solide 3,5 Punkte, die ich dennoch nicht aufrunden möchte, weil ich erstens sauer bin über die Schludrigkeiten der deutschen Ausgabe und mich zweitens dieser Mischmasch aus Pathos mit pseudoreligiösem Gefasel (Marcus, glaubst Du an Gott? empfinde ich angesichts der Vorgehensweise seines Trupps als fast ketzerisch) und Selbstjustiz etlicher US-Werke schlicht nervt.

Band 1 fand ich deutlich schwächer:
Band 1 http://www.lesejury.de/rezensionen/deeplink/65958/ReadingCircle Original-Titel: „The Shephard“ (Der Hirte)

Band 3 gefällt mir hingegen gut, wenn auch noch brutaler, 4,5 Sterne
http://www.lesejury.de/rezensionen/deeplink/90654/Product Original-Titel "Father of Fear"

Veröffentlicht am 30.07.2017

AMBER Alert

Kalte Brandung
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Der siebenjährige Jesse ist mit seiner Babysitterin Sophie Verster auf dem Kinderbauernhof. Als sie kurz die Nachricht einer Freundin auf ihrem Handy beantwortet, ist er verschwunden. Sophies Freundin ...

Der siebenjährige Jesse ist mit seiner Babysitterin Sophie Verster auf dem Kinderbauernhof. Als sie kurz die Nachricht einer Freundin auf ihrem Handy beantwortet, ist er verschwunden. Sophies Freundin Kyra Slagter hilft ihr bei der Suche; vor 4 Jahren ist ihre ältere Schwester Sarina spurlos verschwunden, direkt nach deren Abitur. Am Tag von Jesses Verschwinden ist der elfjährige Tommy mit der Geburtstagsgesellschaft seiner kleinen Schwester im Zoo. Als er seine Schwester zur Toilette begleitet, wird er auf einen Mann aufmerksam. Dann wird er bewusstlos. Maud Martens von der Amsterdamer Polizei ermittelt. Da verschwindet ein weiterer Junge.

Kyra hat Maud Martens vor einem Jahr kennen gelernt, bei den Ermittlungen zu ihrem ermordeten Lehrer, in „Dunkle Flut“ https://www.lesejury.de/isa-maron/ebooks/dunkle-flut/9783832189150?tab=reviews&s=2#reviews. Auch wenn ich den Vorgänger gelesen habe, ist das definitiv nicht nötig. Es gibt kurze Rückblicke (leider mit Auflösungen zu Band 1), dazu wird einiges beschrieben, was quasi ZWISCHEN den beiden Büchern passierte beziehungsweise in der ferneren Vergangenheit, speziell bei Maud. Kyra ist dieses Mal nicht wesentlich an den Ermittlungen beteiligt, wohl aber weiter auf der Spur ihrer Schwester.

Die Handlung wechselt zwischen den Ermittlungen von Maud und der Situation von Kyra; dazu gibt es neben dem aus Band 1 fortgeführten Handlungsstrang um Mabels Schützling Sprünge in die Situation der Opfer. Letzteres – nun ja. Der Roman wird als Thriller klassifiziert, liegt für mich aber zwischen Krimi und Thriller; mit den Opfern direkt mitzuleiden, ist wohl der Thrillerstrang. Das ist jetzt hoffentlich ausreichend sarkastisch rübergekommen – der Roman ist wirklich gut auch als Krimi UND spannend dabei. Und mir reicht es, mir die Ängste der Kinder und ihrer Eltern vorzustellen – ALLE Details benötige ich nicht. Das ist jetzt aber ein generelles Problem, das ich mit mordernen Thrillern habe, diesen gewissen Strang von Voyeurismus und somit kein besonderes Manko gerade dieses Buches.

Das Manko, dass ich eher sehe, sind gewissen Sprünge bei der Vergangenheit Mauds, die in der häppchenweisen Lieferung etwas nerven. Dazu fand ich die Auflösung etwas abgehoben. Interessanter ist für mich da der Part um Kyra und ihre Schwester sowie die Entwicklung in Mabels Umfeld. Ein sehr guter erster Band, gefolgt von einem durchwachsenen zweiten Band (mit zur Hälfte sehr guten Anteilen, zur anderen Hälfte eher mittelmäßigen) – das lässt mich immer noch sicher zum dritten Band greifen, in Bälde. Dazu hat die niederländische Autorin Isa Maron einen Weg gefunden, meinen „Cliffhanger-Hass“ in Büchern zu unterwandern: ein Handlungsstrang wird abgeschlossen, der um Sarina kann es naturgemäß nicht so leicht.
Anmerkung: liebe Übersetzer: S. 270 „Muckefuck“? Das sagt heute kein junger Mensch mehr, damit sicher nicht Kyra. Nennt den Kaffee halt Brühe. S. 278 die Leute reden auf 78 Umdrehungen? Würde mir bitte ein Niederländer erklären, dass das eine Redensart ist? In deutscher Sprache jedenfalls nicht.

Nachtrag: Unlogischer Handlungsstrang

Im Buch kommt es zu einer Erschießung - Ursache ist, dass die Familie des Opfers - und damit seine Abstammung - eine andere war, als von den Tätern vorausgesetzt wurde. Aber: ALLE Familien waren vorher den Tätern bzw. den Auftraggebern bekannt, man hatte sie alle kennen gelernt, bei den Aufführungen. Damit ist es nicht logisch, dass die Täter überrascht gewesen sein können.

Ich stufe daher nachträglich das Buch noch von 4 auf 3,5 Sterne herab

Veröffentlicht am 15.11.2017

Gleichzeitig fesselnd UND ziemlich überzogen

Ich bin die Nacht
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Das ist wieder so ein Buch, das es letztlich schwer macht mit der Bewertung. Einerseits ist es ziemlich spannend geschrieben, ein Pageturner mit allem, was man sich als Thriller-Freund so erhofft: ein ...

Das ist wieder so ein Buch, das es letztlich schwer macht mit der Bewertung. Einerseits ist es ziemlich spannend geschrieben, ein Pageturner mit allem, was man sich als Thriller-Freund so erhofft: ein kranker Serientäter, packende Szenen, ein würdiger Gegenspieler und ein verzwickter Plot. Andererseits ist das ganze insofern überzogen, als dass der Serientäter wirklich SO krank ist, dass man als Leser schon ein wenig an sich selbst zweifeln darf, wenn man so extremes Zeug noch lesen mag (wobei hier dazu kommt, dass ich wie viele andere Francis Ackerman nicht unsympathisch fand, schon erschreckend) – und die Jagd ist so richtig US-Action-Movie-mäßig, mit choreographierten körperlichen Auseinandersetzungen, ausreichend Geballer und netten Explosionen.
Das Problem: Dinge, die man zum Beispiel Bruce Willis auf der Leinwand „abkauft“, sind zwischen zwei Buchdeckeln etwas zäher; ich denke mir immer, weil der Weg über das Umblättern und Lesen wohl direkter am Gehirn vorbeigeht…Ähnlich ging mir das bei „Die Brut“ – bei beiden bestes „Popcorn“-Seitengeraschel, wenn man einfach in den Kino-Sessel-Hirnmodus zu wechseln in der Lage ist.

Der Plot ist einfach: im Wechsel begleitet der Leser den völlig gestörten Serienmörder Francis Ackerman bei seinen Taten, mal aus der Sicht von ihm selbst, mal aus der seiner Opfer geschrieben, und den Ex-Cop Marcus Williams. Die beiden repräsentieren „Gut“ und „Böse“, wobei es da schon jeweils zwei Seiten gibt. Man versteht zwischendurch, wie der Killer so wurde, wie er ist – er wurde so aufgezogen. Das „Warum“ spielt keine Rolle für ihn. Seinen Opfern hilft das leider nicht. Und auch Marcus hat so seine dunklen Seiten, wobei darüber immer eher orakelt wird – nachvollziehbar wurde das für mich nicht wirklich.

Der Originaltitel ist „The Shepherd“, Der Schäfer, und das Buch wartet auf mit Kapiteln namens „Die Herde“, „Der Wolf und der Hirte“, „Stecken und Stab“, „Der Wolf im Schafspelz“ – wer zum Teufel übersetzt so etwas so mit „Ich bin die Nacht“? Die biblischen Anspielungen sind im Buch recht dick aufgetragen „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. …. dein Stecken und Stab trösten mich“ sagt der 23. Psalm Davids – das dürfte für die stark evangelikal geprägten USA jedoch wohl besser funktionieren, vielen Deutschen sind leider entsprechende Zusammenhänge inzwischen fremd (als besonders christlich empfinde ich das Buch allerdings auch nicht gerade, mehr „Auge um Auge“ als „die andere Wange hinhalten“). Dafür ist die Optik und Haptik der deutschen Gestaltung um KLASSEN besser, und das sage ich, die ich nicht verstehen kann, wie jemand nach Covern kauft. Um dieses hier bin ich sooo lange geschlichen und habe es mir aus Prinzipientreue verboten, bis ich es in einer Aktion gewonnen habe, dank lesejury.de – ich LIEBE die Gestaltung, samt erhobenen Buchstaben, glänzend Schwarz über matt schwarzem Hintergrund im wirklich komplett monochromen Titel, und farbigem Buchschnitt mit Titelwiederholung.

Manko? Der Text trieft häufig vor Pathos „Es war, als säße Jim am Rand der Welt und blickte in ein erloschenes Universum, in dem nichts anderes mehr existierte als er selbst.“ S. 13. Die Handlung zitiert mehrere bekannte US-Film-Produktionen, einiges davon gab mir als Leser das Gefühl, am Ende einen Luftballon in der Hand zu halten, dem man die Luft herausgelassen hatte – will jemand wirklich solche Aufgaben, fragte ich mich schon bei „The Game“, dem Film. Spannend und unterhaltsam ist das allemal geschrieben, das schon. Ich kann sonst gut umgehen mit gelegentlichen Büchern, die nichts anderes sein wollen, als „Popcorn-Unterhaltung“ – zuletzt klappte das mit „Die Brut“. Leider nimmt sich „Ich bin die Nacht“ jedoch komplett ernst, weshalb ich mit der Bewertung da hinter „Die Brut“ bleiben möchte, tolle Gestaltung hin oder her, wenn auch nur sehr knapp. Never judge a book by its cover. Never.


Band 2 wird einen Hauch besser http://www.lesejury.de/rezensionen/deeplink/73973/Product Original-Titel "The Prophet"

Band 3 gefällt mir hingegen gut, wenn auch noch brutaler, 4,5 Sterne
http://www.lesejury.de/rezensionen/deeplink/90654/Product Original-Titel "Father of Fear"

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