Cover-Bild Steglitz
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22,00
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  • Verlag: Zsolnay, Paul
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 192
  • Ersterscheinung: 25.09.2023
  • ISBN: 9783552073593
Inès Bayard

Steglitz

Roman
Theresa Benkert (Übersetzer)

Inès Bayards neuer Roman über eine Frau, deren Welt aus den Fugen gerät – mitten in Berlin Steglitz

Leni Müller lebt an der Seite ihres Architekten-Mannes in Berlin ein Leben ohne Ziele und Träume. Als Kommissar Ziegler bei den Müllers auftaucht, um sie – zumindest behauptet er das – als Zeugen für einen Schusswechsel im Kiez zu befragen, gerät Lenis Welt komplett außer Kontrolle. Die Männer zwingen sie auf die Straße. Leni entwickelt ein Eigenleben.
Nach ihrem vielbeachteten Debütroman "Scham" legt Inès Bayard einen spannenden psychologischen Roman vor über eine Frau, die ihre Vergangenheit nicht länger verdrängen kann. Ein literarisches Meisterwerk, bei dem man nicht eine Sekunde lang ahnt, wohin der Weg an Lenis Seite noch führen wird ...

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.11.2023

Die Verletzungen des Lebens

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Der Alltag von Leni ist eintönig und wenig aufregend. Als kinderlose Ehefrau des gefragten Architekten Ivan Müller kümmert sie sich vorwiegend um den Haushalt und das Wohlbefinden ihres Gatten. Die Wohnung ...

Der Alltag von Leni ist eintönig und wenig aufregend. Als kinderlose Ehefrau des gefragten Architekten Ivan Müller kümmert sie sich vorwiegend um den Haushalt und das Wohlbefinden ihres Gatten. Die Wohnung im Berliner Stadtteil Steglitz verlässt sie nur, um Einkäufe und andere Erledigungen zu machen. Dann allerdings kann es zu Streifzügen durch das Viertel kommen. Eine Entwicklung zwingt sie dazu, ihr Leben anders zu führen…

„Steglitz“ ist ein Roman von Inès Bayard.

Meine Meinung:
Der Roman gliedert sich in 14 Kapitel. Die Handlung umfasst einen Zeitraum von mehr als einem Jahr und spielt in Berlin, wie der Titel bereits verrät.

Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge mit diversen Rückblenden, vorwiegend aus der Perspektive Lenis, wobei dieses Vorgehen an wenigen Stellen durchbrochen wird. Der Schreibstil ist sehr atmosphärisch, dialoglastig und zum Teil bildstark. In sprachlicher Hinsicht bleibt die Erzählerin bisweilen bewusst uneindeutig und vage, was dem Text viel Interpretationsspielraum verleiht und ein aufmerksames Lesen erfordert. Was ist real? Was ist der Fantasie oder der verzerrten Wahrnehmung der Protagonistin zuzurechnen? Dieses Verwirrspiel beherrscht die Autorin sehr gut. Nur wenige sehr detaillierte und damit langatmige Ortsbeschreibungen haben mich gestört.

Die Protagonistin bleibt sehr lange undurchsichtig, ihr Verhalten befremdlich und nicht nachvollziehbar. Allerdings manifestiert sich zunehmend der Eindruck, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Auch die übrigen Figuren wirken ein wenig seltsam, zum Teil zwielichtig oder widersprüchlich. Dabei gilt es jedoch zu bedenken, dass die Leserschaft diese Charaktere nur durch die Brille Lenis betrachten kann.

Inhaltlich spielen vor allem psychische Probleme und Traumata eine wesentliche Rolle. Konkret geht es dabei um die Fragen, was passiert, wenn diese nicht richtig aufgearbeitet werden (können), und wie unterschiedliche Menschen damit umgehen.

Auf den knapp 190 Seiten ist die Geschichte recht handlungsarm und bedient sich wiederkehrender Elemente. Dennoch entwickelt der Roman einen Sog und hält die Spannung hoch, indem sich erst im letzten Drittel die Hintergründe von Lenis Trauma offenbaren. Letzteres führt allerdings dazu, dass mich die Geschichte erst gegen Ende wirklich berühren konnte. Nicht alle offenen Punkte werden eindeutig geklärt, was ich jedoch nicht als negativ empfunden habe.

Der deutsche Titel ist wortwörtlich vom französischen Original übernommen. Das Cover mit dem verzerrten Spiegelbild passt aus meiner Sicht hervorragend zum Inhalt.

Mein Fazit:
Obwohl mich die Autorin nicht in allen Aspekten überzeugt und die Lektüre einiges abverlangt, ist „Steglitz“ alles in allem ein durchaus lesenswerter Roman.

Veröffentlicht am 22.01.2024

Ein Roman über Trauma

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Leni lebt an der Seite ihres Mannes ein "Leben ohne Überraschungen". Sie traut sich vieles nicht zu, hat keine Bestrebungen oder Ziele und ist abhängig von ihrem Mann. Zumindest solange, bis Kommissar ...

Leni lebt an der Seite ihres Mannes ein "Leben ohne Überraschungen". Sie traut sich vieles nicht zu, hat keine Bestrebungen oder Ziele und ist abhängig von ihrem Mann. Zumindest solange, bis Kommissar Ziegler bei dem Ehepaar im Haus auftaucht und sich erkundigt, ob die beiden Schüsse in der Straße gehört haben. Dieses Ereignis wirft Lenis Leben aus der Bahn.

"Steglitz" ist eigen. Die Geschichte bietet einem als LeserIn durch die in jeder Hinsicht unzuverlässige Perspektive der Protagonistin wenig Halt. In Lenis Psyche einzutauchen ist wahrlich nicht leicht. Sie lässt einen in eine wirre Welt eintreten, in der man vieles nicht richtig nachvollziehen und einordnen kann, bis zum Ende.

"Es ist, als würde sich die Wirklichkeit verformen, je weiter meine Gedanken wandern. Alles erscheint mir vertraut, ich erkenne die Gesichter und Worte wieder, aber es kommt immer ein Punkt, an dem ich nicht mehr unterscheiden kann zwischen dem, was ich sehe, was ich zu sehen hoffe, und dem, was tatsächlich geschieht."

Aber gerade dadurch entsteht auch eine Faszination. Zu Beginn musste ich an die "Truman Show" denken, weil alles um Leni herum so orchestriert und künstlich auf mich gewirkt hat. Es war, als wüssten alle über etwas Bescheid, nur Leni und ich, die Leserin, nicht. Dann hat der Roman plötzlich wie ein Thriller, ein Krimi gewirkt. Und schließlich wurde er immer surrealer, die Grenzen zwischen Realität und Wahrnehmung immer schwammiger.

Inès Bayard ist es meiner Meinung nach gelungen, auf außer- und ungewöhnliche Weise von Traumatisierung zu erzählen. Gleichzeitig muss ich sagen, dass das Ende für mich persönlich nicht ganz rund war. Und es fällt mir u.a. deshalb auch nicht leicht, ein finales Urteil abzugeben. Ich würde den Roman LeserInnen empfehlen, die sich auf einen schwer zugänglichen und intensiven Text einlassen möchten und die vor allem auch das surreal Anmutende nicht abschreckt.

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Veröffentlicht am 14.03.2024

Verworren

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“Probleme schafft man sich erst, wenn man sie ausspricht.” (S 39)
Bei diesem Buch frag ich mich: Wo anfangen, wo aufhören. Und genau so ist im Grunde auch die Geschichte des Romans von Inès Bayard. Wie ...

“Probleme schafft man sich erst, wenn man sie ausspricht.” (S 39)
Bei diesem Buch frag ich mich: Wo anfangen, wo aufhören. Und genau so ist im Grunde auch die Geschichte des Romans von Inès Bayard. Wie der Name des Romans erkennen lässt, spielt der Roman in Steglitz, ein Bezirk Berlins. Sehr präsent ist Steglitz, fast wie ein eigener Charakter im Buch. Es wird akribisch festgehalten wo sich die Protagonistin aufhält, wo sie auf ihren erratischen Streifzügen durch das Viertel um die Schloßstraße langläuft.
“Freiheit gewinnt man nur mit Mut”. (S 142)
Es wird eine Geschichte erzählt über Leni Müller. Zunächst ein ungewöhnlich langweiliges Hausfrauenleben an der Seite eines Architekten und dann fängt es an zu brechen. Was sie tut, wie sie es tut und wen sie trifft. Es wird aus einer beobachtenden Perspektive erzählt, aber wird so inszeniert, dass einiges des Erlebteten, oder sollte man Wahrgenommenes sagen, in Frage zu stellen ist.
“Manche lassen ihre Schwäche jedoch zur Gewohnheit werden” (S 24)
Sprachlich sehr fein erzählt, aber im Verlauf nehmen die Absurdität zu und auch scheinbar die Quote an Wahrnehmungsunterschieden. Was passiert wirklich, wer sind die Personen und was wird hier nicht erzählt. Auch schwimmen die Zeitebenen.
Ein Roman für Liebhaber literarischer Kunst. Ich konnte dem Ganzen etwas abgewinnen, bin mir aber bewusst, dass dies kein Buch für die breite Masse ist. Kurios fand ich daran, dass dieser Roman, der so in Berlin verhaftet ist von einer Französin, auf Französisch verfasst wurde. Für uns großartig übersetzt von Theresa Benkert.
“Ich bin nicht dazu berufen, verlorene Seelen zu retten, und das Unglück verdient nicht immer Aufmerksamkeit.” (S 25)

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Veröffentlicht am 03.11.2023

Ein bedrückender Roman

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Leni Müller ist mit ihrem langweiligen Leben in Steglitz zufrieden. Sie führt ihren Haushalt, geht einmal am Tag einkaufen und schaut gerne vom Fenster auf die Straße. Ihr Mann, ein erfolgreicher Architekt, ...

Leni Müller ist mit ihrem langweiligen Leben in Steglitz zufrieden. Sie führt ihren Haushalt, geht einmal am Tag einkaufen und schaut gerne vom Fenster auf die Straße. Ihr Mann, ein erfolgreicher Architekt, gefällt es auch, dass sie keine großen Ansprüche stellt. Doch dann stört etwas dieses gleichförmige Leben. Kommissar Ziegler taucht bei den Müllers auf wegen einer Befragung. Das versetzt Leni in Unruhe. Doch als ihr Mann geschäftlich nach Rügen muss und Leni nicht mitnimmt, gerät ihr Leben vollends aus den Fugen.
Leni braucht ihr immer gleichen Alltagstrott, ansonsten wird sie unruhig und verunsichert. Man spürt, dass Leni etwas Traumatisches erlebt haben muss. Beim Umherstreifen in Steglitz begegnet sie Menschen, die sie erst später als Familienmitglieder erkennt. Ihr Mann Iwan behandelt sie lieblos und hat sie inzwischen auch satt.
Ich konnte vieles von dem, was geschah, nicht nachvollziehen. Es erschien mir einfach zu surreal. Nie konnte ich mir sicher sein, was Realität oder Erinnerung ist oder was in Lenis wirrer Gedankenwelt passiert. Sie lässt alles mit sich machen ohne etwas in Frage zu stellen oder sich zu wehren. Erst so nach und nach stellt sich heraus, was Leni in der Vergangenheit so traumatisiert hat.
Mich konnte die Geschichte nicht erreichen. Zu keiner der Personen habe ich eine Verbindung aufbauen können, selbst zu Leni nicht, die doch eigentlich bedauernswert ist. Auch sprachlich hat mich die Autorin Inès Bayard nicht überzeugen können. Manchmal sind ihre Beschreibungen wirklich toll, oft aber gibt es ungenaue und nicht zutreffende Bilder. Als Nicht-Steglitzer langweilten mich die ewigen Straßenaufzählungen.
Am Ende ändert sich für Leni etwas und auch wieder nichts. Sie führt wieder ihr ruhiges Leben ohne besondere Vorkommnisse, nur mit einem anderen Mann.
Es gibt bestimmt Leser und Leserinnen, die diese bedrückende Erzählung, bei der nichts vorhersehbar ist, erreichen kann. Mich konnte sie nicht abholen.

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Veröffentlicht am 27.10.2023

Sonderzug nach Steglitz, oder wie war das?

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Wäre in diesem Roman, der nicht nur im Berliner Stadtteil Steglitz spielt, sondern sogar nach ihm benannt ist, wenigstens ein Stieglitz aufgetaucht, hätte ich ihm vielleicht etwas abgewinnen können. So ...

Wäre in diesem Roman, der nicht nur im Berliner Stadtteil Steglitz spielt, sondern sogar nach ihm benannt ist, wenigstens ein Stieglitz aufgetaucht, hätte ich ihm vielleicht etwas abgewinnen können. So bleibt leider wenig bis gar nichts übrig, was mich von diesem Roman-Experiment überzeugen hätte können.

Gleich vorweg: Es handelt sich um einen Roman, der ständig zwischen surrealem Erleben und der (vielleicht) Realität hin und her schwankt. Dementsprechend schwer wird es jetzt für mich, die „Handlung“ kurz zusammenzufassen. Also, es wird alles vage bleiben und ich erhebe keinerlei Anspruch auf Korrektheit!

Leni Müller ist mit Ivan verheiratet und lebt in Steglitz in der Markelstraße. Sie geht einem rigiden Tagesablauf nach, indem sie als reine Hausfrau den Tag über mit kleinen Erledigungen durch das Viertel streift und ansonsten vollkommen unselbstständig an ihrem Mann hängt. Als ihr Mann zu einer Dienstreise aufbricht und angeblich nicht zurückkehrt, wird sie von ihrem Bruder in einer zwielichtigen Spelunke einquartiert. Es passieren immer merkwürdigere Dinge, die irgendwie mit ihren Erlebnissen aus der Kindheit verbunden zu sein scheinen. Ähm… und irgendwann erreichen wir das Ende des Romans. So oder so ähnlich könnte man den Roman, den man sich am besten von David Lynch verfilmt vorstellt, zusammenfassen.

Also wer David Lynch Fan ist, oder gar „Weiße Nacht“ von Bae Suah mochte, könnte Gefallen an diesem merkwürdigen Experiment finden. Ich musste mich unglaublich überwinden den Roman überhaupt zu Ende zu lesen. Zu häufig (gefühlt in jedem zweiten Satz) droppt die französische Autorin, die während des Verfassens des Romans in Steglitz während der Corona-Pandemie lebte, irgendwelche Straßennamen, die einer Person, die dort nicht lebt, überhaupt nichts sagen und nur stören. Eine Atmosphäre, die typisch für diesen Stadtteil sein könnte, schafft sie dabei nicht heraufzubeschwören. Daneben geschehen, wie gesagt, surreale „Dinge“, die aber meines Erachtens nach nicht zu einem Ganzen sinnvoll zusammengeführt werden. Vielleicht ist ja auch das genau das Wesen von surrealen Werken. Aber es ist nicht meins, denn das Verhalten der Protagonistin ist psychologisch nicht fundiert nachvollziehbar und bewegt sich bis kurz vor Schluss in einem unsteten, luftleeren Raum. Nur vage könnte man nach Beenden des Romans erahnen, was mit der Protagonistin los ist.

Stilistisch kann ich weder etwas Positives für noch gegen die Schreibe der Autorin sagen. Was vielleicht das langweiligste Urteil überhaupt sein kann. Ja, Bayard kann grammatikalisch richtige Sätze formulieren. Aber diese reißen nie vom Hocker, bieten nie etwas Besonderes, über das man sich literarisch freuen könnte.

Eine Stelle habe ich mir auf Seite 54 markiert, die so ziemlich mein Lektüreerlebnis festhält:

„Christians Erzählung, so schlimm sie auch gewesen sein mochte, hatte sie nicht berührt, nur zutiefst gelangweilt. Sie erkannte, dass sie ihm aus reiner Höflichkeit zugehört und dass die Schilderung seiner harten Prüfungen in ihr nichts als Gleichgültigkeit geweckt hatte.“

So erging es mir mit diesem Roman leider auch. Ich habe aus reiner Höflichkeit und Verpflichtung, da es sich um ein Leseexemplar handelt, weitergelesen. Mich konnte der Roman weder abholen noch irgendwohin mitnehmen. Erst recht nicht nach Steglitz. Ich habe durch den Stil keinerlei Interesse an den Figuren, ihrer Geschichte noch ihren psychischen Zuständen (und das will etwas heißen!) entwickeln können.

Damit ist dieser Roman, dem ich leider so gar nichts abgewinnen konnte, bisher mein persönlicher Flop des Jahres, was nicht für alle Leser:innen gelten muss. Wer sich also heranwagt, hat meinen vollen Respekt und soll dies gern tun. Ich werde zukünftig hingegen einen großen Bogen um die Autorin machen und biege dafür vor der Markelstraße an der Lepiusstraße ab, gehe auf die Schildhornstraße, meide aber den Sportplatz Schildhornstraße indem ich auf die Gritznerstraße abbiege und über die Buggestraße zum Breitenbachplatz gelange. Dort setze ich mich in die U-Bahn bis zur Endhaltestelle Krumme Lanke und verlasse erleichtert Berlin über Zehlendorf ins Umland.

1,5/5 Sterne

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