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Veröffentlicht am 15.03.2024

Warmherzige Sicht auf Außenseiter

Mein ziemlich seltsamer Freund Walter
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"Mein ziemlich seltsamer Freund Walter" ist ein Comicroman von Sibylle Berg, illustriert von Julius Thesing. Die Geschichte folgt Lisa, einer Schülerin, die sich von ihrem traurigen Alltag durch ihre Begeisterung ...

"Mein ziemlich seltsamer Freund Walter" ist ein Comicroman von Sibylle Berg, illustriert von Julius Thesing. Die Geschichte folgt Lisa, einer Schülerin, die sich von ihrem traurigen Alltag durch ihre Begeisterung für Astronomie ablenkt. Als ein Raumschiff im Wald hinter ihrem Haus landet und Walter, ein außerirdischer Reisender, zurückbleibt, verändert sich Lisas Leben. Walter stammt von einem Planeten, auf dem Werte wie Zuneigung und Gemeinschaft im Mittelpunkt stehen, im Gegensatz zu Lisas Umgebung auf der Erde, wo sie zu Hause und in der Schule eine isolierte Außenseiterin ist.

Im Roman geht es um Themen wie Mobbing, Freundschaft und Selbstfindung. Durch Walters warmherzige Sicht auf Lisa und seine Bemühungen, ihr zu helfen, werden diese Themen sensibel behandelt, ohne zu sehr einen erhobenen Zeigefinger zu haben. Dennoch sind die Botschaften recht einfach, sodass der Roman auch schon für jüngere Kinder geeignet ist. Für die Zielgruppe ab 10 Jahren sind manche Lösungen eventuell etwas zu einfach, Kinder in diesem Alter werden schon erkennen, dass die Realität komplexer ist. Dennoch kann der Roman auch diese Kinder zum Nachdenken über ihre Werte anregen. Die Entscheidung, die Geschichte als Comicroman zu präsentieren, verleiht der kurzen Geschichte zusätzlich Witz und liebevolle Details, die entdeckt werden können und die auch erwachsene Leser:innen zu schätzen wissen.

Insgesamt ist "Mein ziemlich seltsamer Freund Walter" eine kurzweilige Geschichte, die wichtige Botschaften vermittelt und sowohl junge als auch erwachsene Leser anspricht. Sibylle Berg und Julius Thesing haben zusammen einen Comicroman geschaffen, das durch seine originelle Handlung und die ansprechende Gestaltung überzeugt.

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Veröffentlicht am 14.03.2024

Intensive Freundschaft

Malnata
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"Malnata" ist ein italienischer Roman, der von Beginn an eine intensive thematische und atmosphärische Dichte aufweist und einen in seinen Bann schlägt. Francesca, die junge Ich-Erzählerin, beschreibt ...

"Malnata" ist ein italienischer Roman, der von Beginn an eine intensive thematische und atmosphärische Dichte aufweist und einen in seinen Bann schlägt. Francesca, die junge Ich-Erzählerin, beschreibt das Jahr, in dem sie eine besondere Freundschaft aufbaut und lernt, die starre italienische Gesellschaft ihrer Stadt zu durchschauen. Während Francescas Mutter einerseits modisch modern sein möchte, halten ihre Familie und die traditionellen Erziehungsvorstellungen Francesca in einem engen Korsett gefangen. Diese Spannung zwischen Tradition und Moderne spiegelt sich in Francescas Suche nach Selbstentfaltung wider, die sie sogar zu selbstverletzendem Verhalten führt. Schließlich baut sie eine Freundschaft zur sogenannten Malnata auf, einem Mädchen, dass als gesellschaftliche Außenseiterin in Armut aber dafür nach ihren eigenen Regeln lebt.

Die politische Situation des faschistischen Italiens und die patriarchale Gesellschaftsstruktur, die Gewalt gegen Frauen duldet, bilden eine bedrohliche Kulisse für die Geschichte der Kinder. Es ist beunruhigend zu beobachten, wie der Faschismus langsam in den Alltag eindringt und diejenigen, die dagegen sind, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Beide Thematiken gewinnen angesichts aktueller politischer Entwicklungen eine zusätzliche Relevanz und unterstreicht die Dringlichkeit einer eigenständigen Denkweise, wie sie von Charakteren wie der Malnata verkörpert wird. Ich könnte mir vorstellen, dass der Roman auch deshalb in Italien so ein Erfolg war.

Der poetische und dennoch klare Stil, in dem Francescas Perspektive geschildert wird, hat mir gut gefallen. Die Figurenentwicklung, insbesondere die Entwicklung von Francesca, ist fesselnd zu beobachten. Während sie anfangs noch stark von ihrer Umgebung beeinflusst wird, beginnt sie zunehmend selbstständig zu denken und zu handeln. Mich hat der Roman in Tonfall und Thematik an Elena Ferrantes neapolitanische Saga erinnert, insbesondere in Bezug auf die enge Freundschaft zweier Mädchen und die Auseinandersetzung mit Armut und mangelnder Empathie in der Gesellschaft. Insgesamt ist "Malnata" ein Roman, der mit seiner eindringlichen Erzählweise und seinen vielschichtigen Charakteren zum Nachdenken über Selbstbestimmung und Solidarität anregt. Wenige unglaubwürdige Entscheidungen in Bezug auf den Handlungsverlauf habe ich schnell überlesen.

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Veröffentlicht am 10.03.2024

Fesselnd

Der Stich der Biene
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"Der Stich der Biene" ist ein fesselnder irischer Roman, der die turbulenten Zeiten der Familie Barnes einfängt, als ihr Autogeschäft in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Aus der Sicht der einzelnen ...

"Der Stich der Biene" ist ein fesselnder irischer Roman, der die turbulenten Zeiten der Familie Barnes einfängt, als ihr Autogeschäft in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Aus der Sicht der einzelnen Familienmitglieder wird erzählt, wie die Familie in diese Situation geraten ist und nun damit umgeht.

Da ist Dickie Barnes, der Geschäftsführer und Inhaber des Autohauses, der sich immer weiter in die Natur zurückzieht, anstatt sich den Problemen seines Unternehmens zu stellen. Imelda, seine Frau, versucht, mit ihrer Vorliebe fürs Shoppen umzugehen. Die achtzehnjährige Cassie, die immer die Klassenbeste war, reagiert auf den Niedergang der Familie, indem sie sich bis zu ihrem Abschluss jeden Tag betrinkt. Ihr Bruder PJ hingegen plant, von zu Hause wegzulaufen, um sich mit einem Fremden aus dem Internet zu treffen.

Gut gefallen hat mir, dass die Geschichte nach wenigen Seiten einen Sog entwickelt, sodass man unbedingt erfahren muss, welche weiteren Schichten der Probleme es in der Vergangenheit und Gegenwart der Familie Barnes zu entdecken gibt. Insgesamt ist der Ton entgegen der Verlagsankündigung vor allem melancholisch bzw. stellenweise auch resignativ. Angesichts der thematischen Schwere der Probleme der Familie - Rezession, Klimawandel, Eheprobleme, Gewalt usw. - ist das aber nur realistisch. Geärgert hat mich stellenweise die Übersetzung: So wird erst spät klar, dass mit „Fußball“ gälischer Fußball, ein Mix aus Rugby und Fußball, gemeint ist, außerdem wird bei jedem Familienmitglied konsequent von „Backen“ statt „Wangen“ gesprochen, hier hätte ich z.B. in den Kapiteln aus der Sicht des Viellesers Dickie Barnes eine gewähltere Wortwahl erwartet. Zudem sollte man wissen, dass die Kapitel aus Imeldas Sicht ohne Satzzeichen geschrieben sind, wodurch man Imeldas Gedankenfluss besonders nahe kommt. Beides, Übersetzung und formale Gestaltung, haben bei mir aber keine negativen Auswirkungen auf den positiven Gesamteindruck des Romans gehabt.

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Veröffentlicht am 06.03.2024

Jüdisches Leben in Dänemark

Annas Lied
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"Annas Lied" ist ein historischer Roman, der ab den späten 1920er Jahren zuerst in Kopenhagen und dann später wegen einer Heirat in Frankreich spielt. Die Geschichte von Protagonistin Hannah Koppelman ...

"Annas Lied" ist ein historischer Roman, der ab den späten 1920er Jahren zuerst in Kopenhagen und dann später wegen einer Heirat in Frankreich spielt. Die Geschichte von Protagonistin Hannah Koppelman entfaltet sich in einer lebendigen Atmosphäre, in der das Zuhause der Koppelmans in Kopenhagen mit Trubel, Gesprächen und Musik erfüllt ist. Als jüngstes Kind der Familie träumt Hannah davon, Pianistin zu werden, gleichzeitig wird ihr Leben vom Leben im Viertel und in der jüdischen Großfamilie bestimmt.

Als Hannah älter wird, wird ihr innerer Konflikt zwischen den Erwartungen ihrer Familie und ihren eigenen Träumen dargestellt. Die Liebesgeschichte zwischen Hannah und dem Kommunisten Aksel fügt eine weitere Ebene zu Hannahs Geschichte hinzu, die von ihrem Traumberuf der Pianistin, von verbotener Liebe und den Herausforderungen der Kriegszeit geprägt ist. Wird Hannahs Mutter eine gemeinsame Zukunft mit Aksel erlauben?

Besonders beeindruckend ist die Art und Weise, wie der Roman das jüdische Leben im historischen Dänemark einfängt. Durch die detaillierten Beschreibungen und die authentischen Anekdoten habe ich viel über diese Zeit und die Herausforderungen, mit denen jüdische Familien konfrontiert waren, gelernt. Über das Leben im Exil in Frankreich wusste ich bereits mehr.

Die Erzählweise ist geprägt durch Wechsel zwischen ruhigen, reflektierenden Passagen und spannenden, mitreißenden Momenten. Die Liebe zur Musik zieht sich als roter Faden durch die Geschichte. Insgesamt erzählt der Autor einfühlsam aus Hannahs Perspektive, da er sich anscheinend auf die eigene Familiengeschichte beziehen kann.

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Veröffentlicht am 23.02.2024

Blick hinter die Maske

Wer zuerst lügt
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"Wer zuerst lügt" ist ein Thriller, der ab Seite 1 spannend beginnt. Erzählt wird die Geschichte von Evie, einer Diebin, die versucht, ihre Identität geheim zu halten, während sie ihr neuestes Opfer auskundschaftet. ...

"Wer zuerst lügt" ist ein Thriller, der ab Seite 1 spannend beginnt. Erzählt wird die Geschichte von Evie, einer Diebin, die versucht, ihre Identität geheim zu halten, während sie ihr neuestes Opfer auskundschaftet. Durch Rückblenden von ihrer Schulzeit bis zur Gegenwart erfährt der Leser von Evies eigentlicher Identität, früheren Jobs und falschen Identitäten. Die Kapitel in der Gegenwart schildern Evies aktuellen Job, bei dem ihre Vergangenheit sie einholt. Evie wird so als eine intelligente, wenn auch nicht vollständig glaubwürdige, Figur dargestellt, die im Spiel immer mehrere Züge voraus ist. Dass man hinter ihre Maske blicken kann, führt dazu, dass man mit ihr mitfiebert und ihr die Daumen für ihre Verbrechen drückt.

So spannend wie am Anfang blieb der Roman für mich nicht durchgängig. Bei der Geschichte handelt es sich hauptsächlich um ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem die Machtverhältnisse zwischen den Charakteren ständig wechseln, was es zwar schwer macht, vorherzusagen, wer am Ende gewinnen wird, was allerdings auch etwas langatmig werden kann. Während die Handlung voranschreitet, entfaltet sich also langsam das Geheimnis und offenbart Schicht um Schicht, dass mehr hinter der Geschichte steckt, als man zunächst vermutet. Leider ist die Handlung dabei nicht immer ganz glaubwürdig - warum weiß Evies Boss einerseits immer, wo sie sich aufhält, andererseits entgehen ihm aber wichtige Dinge?

Insgesamt ist "Wer zuerst lügt" unterhaltsam geschrieben, aber weniger clever als erwartet. Der Roman ist einigermaßen actiongeladen und spannend, aber auch etwas repetitiv. Gleichzeitig merkt man schon beim Lesem das Potenzial des Romans für einen Film oder eine Fernsehserie.

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