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Veröffentlicht am 21.05.2024

Der stumme Protest der Frauen

Und alle so still
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Und alle so still – Mareike Fallwickl
Was würde denn eigentlich passieren, wenn die Frauen einfach all ihre Arbeit niederlegen würden? Sich einfach wortlos auf den Boden legen würden und nicht mehr verfügbar ...

Und alle so still – Mareike Fallwickl
Was würde denn eigentlich passieren, wenn die Frauen einfach all ihre Arbeit niederlegen würden? Sich einfach wortlos auf den Boden legen würden und nicht mehr verfügbar wären. Wer würde all die Care-Arbeit übernehmen – zuhause oder auch im Krankenhaus? All die schlecht bezahlten, typischen „Frauenberufe“ – was würde geschehen?
Das Grundthema dieses Romans ist die fehlende Wertschätzung der überwiegend von Frauen ausgeübten Tätigkeiten und die anhaltende Erschöpfung vieler Frauen.
Wieder ein wütendes, feministisches Werk von der österreichischen Autorin. Während „Die Wut, die bleibt“ einen Ist-Zustand dokumentierte, spielt „Und alle so still“ mit der Möglichkeit eines Protests, eines kollektiven Burn-outs.
Erzählt wird diese Geschichte in drei Handlungssträngen. Da ist einmal Elin, eine junge Influencerin, die Gewalt erfahren hat und sich in ihrem Leben nicht mehr wohl fühlt. Nuri ist ein junger Mann mit Migrationshintergrund, Schulabbrecher, der keinen Fuß auf den Boden bekommt und zusätzlich mit einem toxischen Männlichkeitsbild kämpft. Und dann ist da noch Ruth, eine Pflegefachkraft in ihren Fünfzigern, die im Krankenhaus arbeitet und ihre Belastungsgrenze eigentlich längst erreicht hat. Diese drei Figuren geraten nun in diese stummen Proteste der Frauen.
Mit Ruth konnte ich mich noch am besten identifizieren. Der Pflegenotstand, der eskaliert – ein wichtiges, spannendes Thema. Elin blieb für mich leider relativ blass. Und Nuri ist eigentlich eine sympathische Figur, allerdings ist er im gesamten, durchgehend Männer bashenden Roman, der einzige vernünftige Vertreter seiner Gattung. Dass dies ausgerechnet ein junger Mann mit Migrationshintergrund vom Rande der Gesellschaft sein musste, passt für mich nicht so richtig.
Meiner Meinung nach hat sich die Autorin hier ein wenig übernommen mit dem Versuch, die Themen für drei Romane in einen einzigen zu quetschen. Ich finde, das Pflege-Thema hätte ein eigenes Buch verdient gehabt, ohne durch andere, nur halb ausgearbeitete Themen überlagert zu werden. Das ist schade, denn Fallwickl hat einen wunderbaren Schreibstil. Dennoch hat sie mich hier nicht so sehr fesseln können, wie in ihrem Vorgänger.
3 Sterne

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Veröffentlicht am 17.05.2024

Die letzte Front

Yellowface
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Yellowface – Rebecca F. Kuang
Ein fesselnder Roman mit tiefen Einblicken in den Literaturbetrieb und das Verlagsgeschäft.
June Hayward und Athena Liu haben sind beides ambitionierte junge Autorinnen. Während ...

Yellowface – Rebecca F. Kuang
Ein fesselnder Roman mit tiefen Einblicken in den Literaturbetrieb und das Verlagsgeschäft.
June Hayward und Athena Liu haben sind beides ambitionierte junge Autorinnen. Während die Werke der asiatisch stämmigen Athena gehypt werden, interessiert sich für Junes Debüt kaum jemand. Als Athena unerwartet stirbt, nimmt die schockierte anwesende June im Affekt deren Manuskript an sich. Sie veröffentlicht es als Juniper Song unter dem Titel „Die letzte Front“ und muss fortan alles dafür geben, ihr Geheimnis zu bewahren.
Zuerst einmal war ich überrascht, wie fesselnd und eingängig diese Geschichte geschrieben ist. Ich war sofort in der Handlung angekommen und habe mich keine Sekunde gelangweilt.
Im Prinzip handelt es sich hierbei um eine Abrechnung mit dem Literaturbetrieb. Rassismus, gegenseitiger Neid und Missgunst, ein Wirrwarr aus Agenten, Lektoren und Verlegern machen den Erfolg eines Romans zu einem Spiel in der Lotterie. Tatsächliches Talent rückt in den Hintergrund, es zählt nur, was sich vermarkten lässt. Wobei man der Autorin zugute halten muss, dass sie die Umstände in ihrer Geschichte in vielen Schattierungen präsentiert; es gibt nicht nur Schwarz und Weiß. Im Gegenteil, die Grenzen verschwimmen. Oftmals ist es eine eher moralische Frage, was ist hier Recht oder Unrecht. Wobei durchaus das Wesen des Urheberrechts eine Rolle spielt.
Kuang hat selbst einen asiatischen Hintergrund. Ihre Ich-Erzählerin in diesem Roman ist weiß und fühlt sich gerade dadurch benachteiligt. Eine spannende Perspektive. Rassismus wird hier aus vielen verschiedenen Blickwinkeln thematisiert.
Ebenfalls eine sehr große Rolle spielen die Schnelllebigkeit in der Buchbranche sowie die Schattenseiten der Sozialen Medien.
Somit ist dies ein Werk, das mich bestens unterhalten hat.
4 Sterne

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Veröffentlicht am 19.03.2024

Ewige Jugend

Wir werden jung sein
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Wir werden jung sein – Maxim Leo
Vier Probanden einer medizinischen Studie, die völlig aus dem Ruder läuft, ein versehentliches wissenschaftliches Experiment und ein spannender Blick in eine mögliche Zukunft. ...

Wir werden jung sein – Maxim Leo
Vier Probanden einer medizinischen Studie, die völlig aus dem Ruder läuft, ein versehentliches wissenschaftliches Experiment und ein spannender Blick in eine mögliche Zukunft. Auf jeden Fall wirft dieser erfrischende Roman etliche ethische, philosophische und gesellschaftliche Fragen auf.
Die unvorhersehbaren Folgen einer medizinischen Studie basieren auf einer Verjüngung der Probanden um gleich mehrere Jahre. Der Teenager, der plötzlich die Lust auf seine Freundin verliert, die kinderlose Frau, die unversehens doch noch schwanger wird, die ehemalige Leistungssportlerin, die nach Jahren alle Rekorde bricht, der alte Immobilienmogul, der mit dem Leben abgeschlossen hatte und nun über neue Kräfte verfügt.
Es sind spannende Entwicklungen, die völlig neue Sichtweisen eröffnen. Ich finde, das wurde auch ganz gut vermittelt. Jede Menge Probleme und Gedankenspiele tauchen auf: Wie wird das sein, wenn der Mensch ewig jung und gesund bleiben wird, jetzt da diese Möglichkeit in greifbare Nähe rückt.
Sprachlich und stilistisch ist dieser Roman leicht zugänglich und eher auf eine breite Zielgruppe zugeschnitten. Ich persönlich finde, dieses Werk hätte gut und gerne ein paar Seiten mehr vertragen, um sich noch besser auf die einzelnen Figuren einlassen zu können. Auch waren es mir ein paar zu viele wilde Entwicklungen. Ich fand es teilweise ein wenig übertrieben, effektheischend, aber wer weiß, vielleicht wäre gerade das ja realistisch.
Insgesamt ein spannendes Leseerlebnis. 4 Sterne.


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Veröffentlicht am 15.03.2024

August

Zitronen
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Zitronen – Valerie Fritsch
Anders als der Titel das erwarten lässt, ist dies ein außergewöhnlich düsterer Roman mit nur ganz wenigen positiven Szenen. Überhaupt wirken diese Szenen in denen Zitronen vorkommen, ...

Zitronen – Valerie Fritsch
Anders als der Titel das erwarten lässt, ist dies ein außergewöhnlich düsterer Roman mit nur ganz wenigen positiven Szenen. Überhaupt wirken diese Szenen in denen Zitronen vorkommen, eher gezwungen, wie als ob man den Titel rechtfertigen wollte. Keine Ahnung warum man sich da nicht einfach was anderes einfallen hat lassen…
August Drach hat eine sehr schwierige Kindheit. Kaum ist der prügelnde Vater weg, perfektioniert die psychisch labile Mutter ihr bereits bestehendes Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom. Sie mischt dem Sohn Tabletten ins Essen und sorgt dafür, dass er krank ist und bleibt. Sie selbst sonnt sich im Mitleid und der Bewunderung ihres Umfelds.
Dieses erste Drittel, das Augusts Kindheit behandelt, fand ich ganz große Klasse. Denn neben dem extrem spannenden Thema, erzählt Valerie Fritsch in einer genialen Sprache. Sehr klar und pointiert, dennoch poetisch, sagt sie unheimlich viel mit wenigen Worten. Da gibt es unzählige tolle Stellen, die man sich am liebsten notieren möchte. Durch eine gewisse Distanz, schlägt die unbegreifliche Handlung nur umso stärker ein.
Sprachlich bleibt dieser Roman durchgehend ganz wunderbar, leider kann er aber inhaltlich sein Niveau nicht immer halten. So gibt es einen Mittelteil, der mich kaum berührt hat, wohingegen der Schlussteil mich wieder mit der Geschichte versöhnt hat. August wird erwachsen und bemüht sich nach Kräften seine Mutter und seine Kindheit hinter sich zu lassen. Klar, dass das so einfach nicht ist.
Es ist ein schwieriges Thema und die Autorin macht es einem nicht immer leicht. Das Weltbild ist generell sehr düster und Gewalt spielt eine große Rolle in diesem Buch. Wie beiläufig werden verschwundene Kinder, häusliche Gewalttaten etc. quasi im Nebensatz erwähnt.
Im Endeffekt geht es in diesem Roman darum, wie sehr Erlebnisse in der Kindheit einen Menschen prägen und wie wenig es einem möglich ist, sich vollständig davon zu lösen. Zudem ist dies eines jener Bücher, die beinahe komplett ohne einen einzig sympathischen Protagonisten auskommen. Zu groß ist hier entweder die Distanz, oder zu eklatant die Störung der Persönlichkeit. Man kommt aus dem Kopfschütteln kaum heraus angesichts der ungeheuerlichen Begebenheiten. Oftmals übertreibt es die Autorin auch und wird kitschig bzw. unglaubwürdig. Auf jeden Fall ist dieser Roman eindringlich und intensiv. Aber, wie gesagt, er hat auch seine Durchhänger.
Insgesamt kann der Inhalt nicht ganz mit der Sprache mithalten. Zwischendurch war ich gelangweilt und auch genervt. Dennoch hat diese beeindruckende Geschichte einen starken Eindruck hinterlassen, hat mich nicht kalt gelassen.
Deswegen, trotz aller Kritikpunkte – 4 Sterne

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Veröffentlicht am 07.03.2024

Jimmy und Tristan

Der ehrliche Finder
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Der ehrliche Finder – Lize Spit
Für mich ist dieser neue Roman der Autorin Lize Spit ein wenig kurz geraten mit gerade mal 125 Seiten. Davon abgesehen ist ihr wieder eine berührende Geschichte gelungen.
Jimmy ...

Der ehrliche Finder – Lize Spit
Für mich ist dieser neue Roman der Autorin Lize Spit ein wenig kurz geraten mit gerade mal 125 Seiten. Davon abgesehen ist ihr wieder eine berührende Geschichte gelungen.
Jimmy ist ein Einzelgänger und freut sich als er mit dem Flüchtlingskind Tristan aus dem Kosovo endlich einen Freund findet. Er hilft ihm und unterstützt ihn und seine große Familie. Es ist jedoch eine etwas seltsame Freundschaft, die da entsteht. Es fehlt die Augenhöhe und irgendwo auch das Verständnis Jimmys gegenüber dem von Krieg und Flucht traumatisierten Tristan – allerdings kann man das von einem Kind auch nicht erwarten. Die Geschichte behandelt also aktuelle und wichtige Themen wie eben Flucht und Krieg, leben in der Fremde und Asyl – mehr oder weniger aus der Sicht von Kindern. Da sind berührende und beklemmende Situationen dabei, die Jimmy im Prinzip gar nicht einordnen kann – der Leser aber schon. Und wie das bei Lize Spit immer so ist, spürt man irgendwann, dass sich im Hintergrund ein Unheil zusammenbraut, das einschlägt wie eine Bombe.
Sprachlich ist die Autorin betont klar und deutlich. Da gibt es nichts misszuverstehen. Außerdem passt das zu den kindlichen Protagonisten.
So ist dies eine packende Geschichte, die ich mir nur etwas länger gewünscht hätte um die Figuren besser kennenzulernen, beispielsweise auch Jimmys Familie, die sehr im Dunkeln bleibt. Trotz der Kürze und der eher schlichten Sprache entwickelt sich doch eine feine psychologische Tiefe. Sehr interessant.
4 Sterne.

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