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Veröffentlicht am 21.03.2024

Zwischen Hallstatt und Boluo

Selbe Stadt, anderer Planet
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"Selbe Stadt, anderer Planet" spielt im dörflichen österreichischen Hallstatt und dem pulsierenden China, insbesondere der Region Boluo, in dem ein chinesisches Hallstatt nachgebaut wurde. Mit einem poetisch-melancholischen ...

"Selbe Stadt, anderer Planet" spielt im dörflichen österreichischen Hallstatt und dem pulsierenden China, insbesondere der Region Boluo, in dem ein chinesisches Hallstatt nachgebaut wurde. Mit einem poetisch-melancholischen Schreibstil, der niemals in Kitsch abdriftet, entfaltet sich vor dieser Kulisse die Geschichte von vier Protagonisten, die mit Witz, Ironie und netten kleinen Details erzählt wird.

Die Handlung dreht sich um die Ärztin Johanna, die nach dem Tod ihres Vaters die väterliche Praxis in Hallstatt übernimmt. Ihre Zwillingsschwester Doris, die nie aus Hallstatt weggegangen ist, lebt das traditionelle Dorfleben, ebenfalls ohne große Träume zu haben. Ein weiterer Charakter ist Andrej, ein Experte für Degrowth, der bewusst aufs Land gezogen ist, nur um sich nun dort zu langweilen. Im Kontrast dazu steht der chinesische Tourismusexperte Ren, der in Österreich aufgewachsen ist. Im Auftrag der chinesischen Regierung soll er sich mit dem Phänomen des übermäßigen chinesischen Tourismus‘ in Hallstatt auseinandersetzen. Diese Aufgabe führt ihn dazu, Hallstatt in China nachzubauen, und von weiteren ambitionierten touristischen Großbauprojekten zu träumen. Während sich die Dorfbewohner allesamt mit ihrer Situation abgefunden zu haben scheinen, ist er getrieben von immer neuen Ideen.

"Selbe Stadt, anderer Planet" ist nicht nur eine Geschichte über Heimat und Zugehörigkeit, sondern auch eine Reflexion über Globalisierung und kulturelle Vielfalt. Ren verkörpert das bunte und queere Leben, das im starken Kontrast zum eher traditionellen Lebensstil von Johanna, Doris und Andrej steht. Durch die vier Charaktere erhält man einen Einblick in die Komplexität der globalen Dynamiken und die Auswirkungen des Massentourismus auf lokale Gemeinschaften. Insgesamt haben mir die gelungene Verknüpfung verschiedener Handlungsstränge, die Charaktere und der Schreibstil gut gefallen. Eine Empfehlung auch für alle, die sich für Reiseliteratur interessieren!

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Veröffentlicht am 19.03.2024

Fantasievoll

Cato und die Dinge, die niemand sieht
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"Cato und die Dinge, die niemand sieht" ist ein bemerkenswerter Jugendroman, der durch die Mischung aus Melancholie und Fantasie sehr besonders ist. Die Geschichte dreht sich um Cato, ein Mädchen, das ...

"Cato und die Dinge, die niemand sieht" ist ein bemerkenswerter Jugendroman, der durch die Mischung aus Melancholie und Fantasie sehr besonders ist. Die Geschichte dreht sich um Cato, ein Mädchen, das in einem Haushalt voller Traurigkeit und Verlust aufwächst. Mit ihrem depressiven Vater als einziger Begleitung ist sie auf der Suche nach Antworten, insbesondere bezüglich ihrer Mutter, die sie nie kennengelernt hat.

Die Handlung nimmt Fahrt auf, als Cato eine geheimnisvolle Visitenkarte findet, die sie zu Frau Kano und ihrem unkonventionellen Kino führt. Dort entdeckt sie die Möglichkeit, durch besondere Filme eine Verbindung zu ihrer Mutter herzustellen. Die Idee von "Filmen, die nirgends laufen, die du aber schon immer sehen wolltest" fesselt nicht nur Cato, sondern auch die Leser:innen, und eröffnet eine Welt voller Magie und Hoffnung. Die Beschreibungen sind einfühlsam und poetisch, es gibt jedoch auch immer wieder sehr spannende Passagen.

Obwohl der Roman insgesamt einfallsreich ist, kommt das Ende sehr plötzlich und wirkt etwas zu leicht gelöst im Vergleich zu der emotionalen Tiefe, die zuvor aufgebaut wurde. Dennoch: Wer sich auf eine melancholische, aber gleichzeitig faszinierende Geschichte einlassen möchte, wird von diesem Roman sicherlich nicht enttäuscht sein.

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Veröffentlicht am 15.03.2024

Warmherzige Sicht auf Außenseiter

Mein ziemlich seltsamer Freund Walter
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"Mein ziemlich seltsamer Freund Walter" ist ein Comicroman von Sibylle Berg, illustriert von Julius Thesing. Die Geschichte folgt Lisa, einer Schülerin, die sich von ihrem traurigen Alltag durch ihre Begeisterung ...

"Mein ziemlich seltsamer Freund Walter" ist ein Comicroman von Sibylle Berg, illustriert von Julius Thesing. Die Geschichte folgt Lisa, einer Schülerin, die sich von ihrem traurigen Alltag durch ihre Begeisterung für Astronomie ablenkt. Als ein Raumschiff im Wald hinter ihrem Haus landet und Walter, ein außerirdischer Reisender, zurückbleibt, verändert sich Lisas Leben. Walter stammt von einem Planeten, auf dem Werte wie Zuneigung und Gemeinschaft im Mittelpunkt stehen, im Gegensatz zu Lisas Umgebung auf der Erde, wo sie zu Hause und in der Schule eine isolierte Außenseiterin ist.

Im Roman geht es um Themen wie Mobbing, Freundschaft und Selbstfindung. Durch Walters warmherzige Sicht auf Lisa und seine Bemühungen, ihr zu helfen, werden diese Themen sensibel behandelt, ohne zu sehr einen erhobenen Zeigefinger zu haben. Dennoch sind die Botschaften recht einfach, sodass der Roman auch schon für jüngere Kinder geeignet ist. Für die Zielgruppe ab 10 Jahren sind manche Lösungen eventuell etwas zu einfach, Kinder in diesem Alter werden schon erkennen, dass die Realität komplexer ist. Dennoch kann der Roman auch diese Kinder zum Nachdenken über ihre Werte anregen. Die Entscheidung, die Geschichte als Comicroman zu präsentieren, verleiht der kurzen Geschichte zusätzlich Witz und liebevolle Details, die entdeckt werden können und die auch erwachsene Leser:innen zu schätzen wissen.

Insgesamt ist "Mein ziemlich seltsamer Freund Walter" eine kurzweilige Geschichte, die wichtige Botschaften vermittelt und sowohl junge als auch erwachsene Leser anspricht. Sibylle Berg und Julius Thesing haben zusammen einen Comicroman geschaffen, das durch seine originelle Handlung und die ansprechende Gestaltung überzeugt.

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Veröffentlicht am 14.03.2024

Intensive Freundschaft

Malnata
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"Malnata" ist ein italienischer Roman, der von Beginn an eine intensive thematische und atmosphärische Dichte aufweist und einen in seinen Bann schlägt. Francesca, die junge Ich-Erzählerin, beschreibt ...

"Malnata" ist ein italienischer Roman, der von Beginn an eine intensive thematische und atmosphärische Dichte aufweist und einen in seinen Bann schlägt. Francesca, die junge Ich-Erzählerin, beschreibt das Jahr, in dem sie eine besondere Freundschaft aufbaut und lernt, die starre italienische Gesellschaft ihrer Stadt zu durchschauen. Während Francescas Mutter einerseits modisch modern sein möchte, halten ihre Familie und die traditionellen Erziehungsvorstellungen Francesca in einem engen Korsett gefangen. Diese Spannung zwischen Tradition und Moderne spiegelt sich in Francescas Suche nach Selbstentfaltung wider, die sie sogar zu selbstverletzendem Verhalten führt. Schließlich baut sie eine Freundschaft zur sogenannten Malnata auf, einem Mädchen, dass als gesellschaftliche Außenseiterin in Armut aber dafür nach ihren eigenen Regeln lebt.

Die politische Situation des faschistischen Italiens und die patriarchale Gesellschaftsstruktur, die Gewalt gegen Frauen duldet, bilden eine bedrohliche Kulisse für die Geschichte der Kinder. Es ist beunruhigend zu beobachten, wie der Faschismus langsam in den Alltag eindringt und diejenigen, die dagegen sind, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Beide Thematiken gewinnen angesichts aktueller politischer Entwicklungen eine zusätzliche Relevanz und unterstreicht die Dringlichkeit einer eigenständigen Denkweise, wie sie von Charakteren wie der Malnata verkörpert wird. Ich könnte mir vorstellen, dass der Roman auch deshalb in Italien so ein Erfolg war.

Der poetische und dennoch klare Stil, in dem Francescas Perspektive geschildert wird, hat mir gut gefallen. Die Figurenentwicklung, insbesondere die Entwicklung von Francesca, ist fesselnd zu beobachten. Während sie anfangs noch stark von ihrer Umgebung beeinflusst wird, beginnt sie zunehmend selbstständig zu denken und zu handeln. Mich hat der Roman in Tonfall und Thematik an Elena Ferrantes neapolitanische Saga erinnert, insbesondere in Bezug auf die enge Freundschaft zweier Mädchen und die Auseinandersetzung mit Armut und mangelnder Empathie in der Gesellschaft. Insgesamt ist "Malnata" ein Roman, der mit seiner eindringlichen Erzählweise und seinen vielschichtigen Charakteren zum Nachdenken über Selbstbestimmung und Solidarität anregt. Wenige unglaubwürdige Entscheidungen in Bezug auf den Handlungsverlauf habe ich schnell überlesen.

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Veröffentlicht am 10.03.2024

Fesselnd

Der Stich der Biene
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"Der Stich der Biene" ist ein fesselnder irischer Roman, der die turbulenten Zeiten der Familie Barnes einfängt, als ihr Autogeschäft in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Aus der Sicht der einzelnen ...

"Der Stich der Biene" ist ein fesselnder irischer Roman, der die turbulenten Zeiten der Familie Barnes einfängt, als ihr Autogeschäft in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Aus der Sicht der einzelnen Familienmitglieder wird erzählt, wie die Familie in diese Situation geraten ist und nun damit umgeht.

Da ist Dickie Barnes, der Geschäftsführer und Inhaber des Autohauses, der sich immer weiter in die Natur zurückzieht, anstatt sich den Problemen seines Unternehmens zu stellen. Imelda, seine Frau, versucht, mit ihrer Vorliebe fürs Shoppen umzugehen. Die achtzehnjährige Cassie, die immer die Klassenbeste war, reagiert auf den Niedergang der Familie, indem sie sich bis zu ihrem Abschluss jeden Tag betrinkt. Ihr Bruder PJ hingegen plant, von zu Hause wegzulaufen, um sich mit einem Fremden aus dem Internet zu treffen.

Gut gefallen hat mir, dass die Geschichte nach wenigen Seiten einen Sog entwickelt, sodass man unbedingt erfahren muss, welche weiteren Schichten der Probleme es in der Vergangenheit und Gegenwart der Familie Barnes zu entdecken gibt. Insgesamt ist der Ton entgegen der Verlagsankündigung vor allem melancholisch bzw. stellenweise auch resignativ. Angesichts der thematischen Schwere der Probleme der Familie - Rezession, Klimawandel, Eheprobleme, Gewalt usw. - ist das aber nur realistisch. Geärgert hat mich stellenweise die Übersetzung: So wird erst spät klar, dass mit „Fußball“ gälischer Fußball, ein Mix aus Rugby und Fußball, gemeint ist, außerdem wird bei jedem Familienmitglied konsequent von „Backen“ statt „Wangen“ gesprochen, hier hätte ich z.B. in den Kapiteln aus der Sicht des Viellesers Dickie Barnes eine gewähltere Wortwahl erwartet. Zudem sollte man wissen, dass die Kapitel aus Imeldas Sicht ohne Satzzeichen geschrieben sind, wodurch man Imeldas Gedankenfluss besonders nahe kommt. Beides, Übersetzung und formale Gestaltung, haben bei mir aber keine negativen Auswirkungen auf den positiven Gesamteindruck des Romans gehabt.

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