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Veröffentlicht am 21.09.2024

Sehr gut, aber harter Tobak!

Das Ereignis
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Harter Tobak!

Ich wusste, dass "Das Ereignis" von Annie Ernaux keine leichte Lektüre wird. Ich wusste, dass es um Annie Ernaux' Erfahrung ihrer Abtreibung in den frühen 1960er Jahren geht. Ich wusste, ...

Harter Tobak!

Ich wusste, dass "Das Ereignis" von Annie Ernaux keine leichte Lektüre wird. Ich wusste, dass es um Annie Ernaux' Erfahrung ihrer Abtreibung in den frühen 1960er Jahren geht. Ich wusste, Ernaux schreibt unverblümt.

Und doch hat mich das Buch eiskalt erwischt. Mich haben die Umstände in den 1960ern schockiert. Ich weiß ja, dass es damals verboten und verpönt war, abzutreiben. Doch dies als Erfahrungsbericht aus erster Hand zu lesen, ist dann doch noch mal etwas anderes. Mich hat schockiert, mit welchen Mitteln Abtreibungen vorgenommen wurden. Dass dies unter fragwürdigen Umständen stattfand, war mir auch bewusst. Aber (als Beispiel) Chlorbleiche?

Annie Ernaux hat mich auch mit diesem Buch wieder tief berührt. Ich mag ihre ehrliche, unverblümte Art zu schreiben.

Das Thema Abtreibung ist ja ein sehr kontroverses Thema. Dass ich das Buch gelesen habe und gut finde, hat nichts damit zu tun, wie ich zu dem Thema stehe. Auch wenn ich grundsätzlich dagegen bin und für mich persönlich eine Abtreibung nur in bestimmten Ausnahmesituation in Frage gekommen wäre, verurteile ich keine Frau, die abtreibt. Sie wird ihre Gründe haben! Und ich bin definitiv für die Selbstbestimmtheit der Frauen! Und genau darum geht es auch Annie Ernaux mit ihrem Buch. Sie will nicht dafür werben, dass Abtreibung gut ist. Sie möchte vielmehr darauf aufmerksam machen, was Frauen auf sich nehmen mussten - und ja auch heute noch müssen -, was sie auf sich genommen hat, um gesellschaftlich/rechtlich in die Norm zu passen! Meine Meinung zum Thema hat sich nach dem Buch nicht geändert, aber es hat mich noch einmal sehr darüber nachdenken lassen!

Ich kann "Das Ereignis" sehr empfehlen, denke aber, dass es nichts für Zartbesaitete ist. Ernaux geht wirklich tief ins Detail und ich musste das Buch immer mal wieder zur Seite legen und durchatmen.

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Veröffentlicht am 14.09.2024

Sehr bewegendes Buch mit allen Gefühlsfacetten

Und dahinter das Meer
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“Und dahinter das Meer” hat mich mit auf eine Reise durch die Zeit, in eine Vergangenheit vor meiner Zeit, in meine eigene Vergangenheit, nach Amerika genommen. Auf eine Reise zu fiktiven und realen Menschen, ...

“Und dahinter das Meer” hat mich mit auf eine Reise durch die Zeit, in eine Vergangenheit vor meiner Zeit, in meine eigene Vergangenheit, nach Amerika genommen. Auf eine Reise zu fiktiven und realen Menschen, die mir zunächst fremd und dann doch so nah waren.

Worum geht es?

Zu Beginn des 2. Weltkrieges beschließen Beatrix’ Eltern schweren Herzens, ihre elfjährige Tochter nach Amerika zu schicken, um sie so vor dem Krieg in Sicherheit zu bringen. Bea wird bei den Gregorys in Maine untergebracht, einer Familie mit zwei Söhnen in ungefähr Beas Alter – William (13) und Gerald (9). Fünf Jahre verbringt Bea bei und mit den Gregorys, bevor sie wieder nach London zurückkehrt. Fünf Jahre, in denen ihr die fremde Familie zur eigenen Familie und ihre eigenen Eltern ihr ein Stück fremd werden. Fünf Jahre, die Beas gesamtes Leben beeinflussen und die für ihre Eltern in London von Sorge und Angst und Verzweiflung geprägt sind.

Meine Eindrücke vom Buch

Mich hat das Buch sehr bewegt. Bereits das Cover vermittelt den Eindruck einer großen Sehnsucht, nach Ungewissheit und doch gleichzeitig von Ruhe. Und genau diese Gefühle greift das Buch für mich auf. Die Sehnsucht nach Zugehörigkeit, nach Liebe, nach (innerem) Frieden, die Ungewissheit und das Unbekannte eines Krieges und eines fremden Landes, das Leben mit einer fremden Familie. Die Ruhe, wenn schließlich alle Fäden zu einem festen Seil zusammenlaufen.

Laura Spence-Ash und auch die Übersetzerin Claudia Feldmann haben die Stimmung, die der Krieg mit sich bringt, sehr gut wiedergegeben. Die Angst, die Verzweiflung, die Wut, den Frust, aber auch das schlechte Gewissen, in schlimmen Zeiten Glück zu empfinden. Was machen diese Gefühle mit Kindern, mit Eltern, mit fremden Geschwistern? All das wird mit großartigem Feingefühl und doch ohne Filter auf den Punkt gebracht.

Erzählt wird die fast vier Jahrzehnte umfassende Geschichte aus den Perspektiven von Bea, ihren Eltern Reginald und Millie, ihren Gasteltern Ethan und Nancy, ihren Gastbrüdern William und Gerald sowie von Rose, einer später im Buch auftauchenden jungen Frau. Auf diese Weise wird jeder Charakter sehr gut dargestellt und jede Person erhält ihren Raum in der Geschichte. Mir sind sie alle sehr schnell ans Herz gewachsen, nicht zuletzt wegen ihrer Menschlichkeit, ihres Echt-seins. Verpackt ist die Geschichte in einer sehr schönen, angenehm zu lesenden Sprache, die mich schnell in das Leben von Bea und den anderen eintauchen ließ und mich mitfühlen lassen hat. Ich habe gelacht, geweint, gelitten, mich gefreut, war wütend und dann wieder glücklich.

“Und dahinter das Meer” hat mich auf vielen Ebenen überrascht und manchmal kalt erwischt (wenn zB meine eigenen Erfahrungen in Neuengland wieder ins Bewusstsein gerückt sind). Für mich eines meiner Lese-Highlights 2024 und eine klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 07.06.2024

Sehr schöner Roman mit historischem Bezug

Der König und der Uhrmacher
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„Der König und der Uhrmacher“ ist mein erster isländischer Roman und mein erstes Buch von Arnaldur Indridason. Und es wird nicht mein letztes Buch von ihm gewesen sein! Indridason versteht es, mit Worten ...

„Der König und der Uhrmacher“ ist mein erster isländischer Roman und mein erstes Buch von Arnaldur Indridason. Und es wird nicht mein letztes Buch von ihm gewesen sein! Indridason versteht es, mit Worten umzugehen – er malt Bilder, er erzeugt Stimmung und er zieht einen in seinen Bann.

Worum geht es?

Während seiner Ausbildung zum Uhrmacher erfährt der isländische Jón Sívertsen von der prachtvollen Habrechtsuhr, die sich – leider kaputt – auf Schloss Christiansborg in Kopenhagen befindet. Als sich ihm viele Jahre später die Gelegenheit bietet, will er alles versuchen, um dieses Wunderwerk zu reparieren. Kurze Zeit später wird der amtierende König Christian VII. auf ihn aufmerksam und gesellt sich zu ihm. Der König ist neugierig und will vom Uhrmacher mehr über die Uhr, aber vor allem auch über Jóns Vergangenheit und das Leben in Island erfahren – nicht zuletzt, da König Christians Vater angeblich am Tod von Jóns Vater beteiligt gewesen sein soll.

Mit der Zeit entstehen fast schon freundschaftliche Gespräche zwischen dem König und dem Uhrmacher und es schleichen sich immer mal wieder philosophische Fragen ein, während Jón hingebungsvoll und sehr akribisch an der Uhr weiterarbeitet. Doch jeder für sich befindet sich bei aller Vertrautheit auch im Zwiespalt: Wie offen und ehrlich darf ein Bürgerlicher mit seinem König reden? Wieviel Kritik an (früheren) Gesetzen und der Obrigkeit darf geäußert werden?

Meine Eindrücke von dem Buch

Ich bin wirklich sehr begeistert von dem Buch. Eine Geschichte, die mich von der ersten Seite an neugierig und gespannt gemacht hat. Eine Geschichte, die mir eine Kultur gezeigt hat, von der ich bislang nur sehr wenig weiß. Mir gefällt der Schreibstil von Indridason. Er hat (aus meiner Sicht) schöne klare Bilder der Charaktere und Umgebungen geschaffen. Die Geschichte erzählt er zudem auf zwei Zeitebenen, die sich auch in der Sprache unterscheiden. Dieser sprachliche Wechsel hat mir beim Lesen besonders gut gefallen. Für die Gegenwart nutzt Indridason eine Sprache, die an Märchen erinnert; für Jóns Island-Geschichte nutzt er einen normalen Erzählstil, der zwar manchmal an ein „Runterrattern“ von Ereignissen erinnert, aber meiner Meinung nach passt. Wie authentisch das Buch in Bezug auf die historischen Begebenheiten ist, kann ich nicht sagen – ich kenne mich wie gesagt mit der skandinavischen Geschichte und Kultur nicht aus. Aber für mich las sich der Roman sehr authentisch und ich könnte mir vorstellen, dass Geschichten wie diese weitgehend so passiert sein können.

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Veröffentlicht am 23.04.2024

Spannender Cosy-Krimi mit einer guten Portion Humor, liebenswerten Charakteren und einer fast schon spürbaren Inselidylle

Mordseesturm
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„Mordseesturm“ ist mir aufgrund des Covers, das ich sehr witzig finde, direkt ins Auge gesprungen. Hat es zunächst den Eindruck einer "leichten" Unterhaltungslektüre bei mir erweckt, war ich doch sehr ...

„Mordseesturm“ ist mir aufgrund des Covers, das ich sehr witzig finde, direkt ins Auge gesprungen. Hat es zunächst den Eindruck einer "leichten" Unterhaltungslektüre bei mir erweckt, war ich doch sehr begeistert, dass es sich hierbei um einen Krimi handelt. (Tatsächlich einer Krimireihe, aber bislang habe ich noch kein Buch aus der Reihe gelesen.) Erst beim zweiten Blick bemerkte ich den dunklen Himmel und dass die Möwe mit ihrem Schal gegen einen ganz schönen Wind zu kämpfen scheint. Witzig und Unheil verkündend – das gefällt mir.

Worum geht es?

Auf Borkum wütet ein heftiger Sturm und verwüstet die Insel. Auch ein geheimes Grab unter den Deelenplatten eines Wegs zum Strand, das niemals entdeckt werden sollte, wird durch den Sturm aufgedeckt. Dort wurde die Leiche einer unbekannten Person versteckt. Auch Caro und Jan sind dabei, als die Leiche entdeckt wird und ihr Interesse ist direkt geweckt. Wer war das Opfer? Wieso wurde die Person offensichtlich ermordet und versteckt? Wer hat die Person ermordet? Geschockt und neugierig begeben sich die beiden Hobbydetektive auf die Suche nach den Antworten auf ihre Fragen.

Im Zuge ihrer Ermittlungen, die dem verantwortlichen Kommissar Bachmann trotz aller Hilfe gar nicht gefallen, stoßen Caro und Jan auf viele Geheimnisse, die weit zurückreichen. Familiengeheimnisse werden Stück für Stück aufgedeckt. Menschliche Abgründe tun sich auf und werden ans Tageslicht befördert. Nur langsam erklärt sich der Zusammenhang zwischen den Geheimnissen, den Abgründen und dem Mord. Und währenddessen wird Caro auch noch bedroht und soll ihre Ermittlungen einstellen. Doch wer bedroht sie? Und warum?

Zwischen den Kapiteln gibt es immer wieder Einschübe mit Gedanken und Erinnerungen einer dem Leser unbekannten Person. Wer ist diese Person? Was hat sie mit all dem zu tun? Handelt es sich hier um das Opfer? Oder den Täter? Oder jemand ganz anderen?

Meine Eindrücke von dem Buch?

Emmi Johannsen hat einen sehr unterhaltsamen Krimi geschrieben, der die Spannung bis zum Schluss aufrecht hält. Dabei führt sie den Leser mehr als einmal auf eine falsche Fährte. Manche erkennt man als solche. Aber die wichtigste Wendung bleibt bis zum Ende unvermutet. Die Charaktere beschreibt sie auf eine Weise, die es dem Leser leicht macht, sich diese vorzustellen. Menschliche Schwächen werden humorvoll dargestellt, so dass diese eher sympathisch rüberkommen.

Mir gefällt der Schreibstil von Emmi Johannsen sehr. Er lässt sich flüssig lesen und es werden keine endlos verschachtelten Sätze verwendet, bei denen man den Überblick verliert.

„Mordseesturm“ ist das fünfte Buch der Borkum-Krimi-Reihe. Die ersten vier Bücher kenne ich (noch) nicht. Und auch wenn sich mit den vorangehenden Büchern vielleicht manche zwischenmenschlichen Beziehungen besser erklären, hatte ich nicht das Gefühl, dass mir Hintergrundwissen fehlt.

Ich bin total begeistert von diesem Cosy-Krimi! Mit einer guten Portion Humor, liebenswerten Charakteren und einer fast schon spürbaren Inselidylle bleibt die Spannung bis zum Schluss! Ich kann das Buch nur empfehlen!

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Veröffentlicht am 16.03.2024

Schwere Thematik, sehr gut ge-/beschrieben

Das andere Mädchen
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"Das andere Mädchen" von Annie Ernaux war mein erstes Buch von ihr. Sehr echt und authentisch steigt sie in ein schweres Thema ein, das sich mit Tabus, Trauma und Aufarbeitung dessen beschäftigt. Ernaux ...

"Das andere Mädchen" von Annie Ernaux war mein erstes Buch von ihr. Sehr echt und authentisch steigt sie in ein schweres Thema ein, das sich mit Tabus, Trauma und Aufarbeitung dessen beschäftigt. Ernaux schreibt im Tagebuchstil, der zunächst gewöhnungsbedürftig war, aber schlussendlich mir als Leserin tiefe Einblicke in ihre Seele gegeben hat.
Das andere Mädchen ist keine leichte Lektüre für zwischendurch, aber sehr empfehlenswert!

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