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Veröffentlicht am 18.03.2024

Brief ohne Antwort

Das andere Mädchen
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Noch in ihren Kindheitstagen erfährt Annie, dass es noch eine Schwester gab. Sie hört, wie ihre Mutter darüber redet. Doch es ist das einzige Mal, dass sie Mutter darüber redet. Und nicht mit ihrer Tochter, ...

Noch in ihren Kindheitstagen erfährt Annie, dass es noch eine Schwester gab. Sie hört, wie ihre Mutter darüber redet. Doch es ist das einzige Mal, dass sie Mutter darüber redet. Und nicht mit ihrer Tochter, sondern mit einer Nachbarin. Und nun ist Annie kein Einzelkind mehr, dass sich gewiss war, etwas besonderes zu sein. Es gab eine Schwester, die bereits vor Annies Geburt gestorben ist. Nur sechs Jahre wurde sie bevor sie an Diphtherie starb. Annie fragt sich, ob sie nur ein Ersatzkind ist. Sie ist nicht die Liebe, sie ist die Intelligente.

Welch eine Nachricht für ein kleines Mädchen. Die Eltern verschweigen ihr, dass sie eine Schwester hatte. Nur ein Bild findet sie. Zunächst denkt sie, sie selbst sei auf dem Bild. Aber nein, es ist die unbekannte Schwester. Vielleicht hätte sie ihr ähnlich gesehen. Vielleicht wäre Annie die Liebe gewesen, wenn die andere ihr um Jahre voraus gewesen wäre und einen eigenen Kopf entwickelt hätte. So hat sie die Schwester überholt. Es gab keinen Vergleich. Annie musste sie selbst sein. Doch die Eltern schienen in der toten Schwester das Ideal zu sehen. Erst als Annie selbst schon ein gesetztes Alter erreicht hat, schreibt sie einen Brief an ihre Schwester, die sie nie gekannt hat.

Ein kleines Buch von 73 Seiten, ein langer Brief, das wurde hier zu einem besonderen Hörbuch vertont. Wenn Eltern etwas verschweigen, weiß man es ja nicht. Manchmal jedoch erfährt man es, wann und aus welchen Gründen auch immer. Und das verrückt vielleicht das ganze Bild, welches man von den Eltern hatte. Und es verrückt auch Annies Leben, für immer. Wenn man sich das vorstellt. Eine Schwester, die einige Jahre gelebt hat, mit der die Eltern ein inniges Verhältnis hatten. Und dann starb sie. Und Annie ist gar kein Einzelkind oder eine Art serielles Einzelkind. Was für ein Einschnitt. Über ihr ganzes Leben hinweg, versucht sie eine Beziehung zu der Schwester aufzubauen und sie besucht ihr Grab. Es wirkt, als hätte sie eine gewisse Sehnsucht gehabt, nach der Schwester, diese kennenzulernen. Sie hat etwas verloren, von die sie nicht wusste, dass sie es hätte haben können. Mit klaren und doch sanften Worten nähert sich Maren Kroymann den Gedanken und Gefühlen Annies für ihre unbekannte Schwester, die Annie versucht in einem Brief auszudrücken. Die Entscheidung, diesem Hörbuch den deutschen Hörbuchpreis 2024 für die beste Interpretin zu verleihen, lässt sich ausgesprochen gut nachvollziehen.

Veröffentlicht am 16.03.2024

Blutwissen

Das Schweigen des Wassers
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Im Jahr 1991 ist der Polizist Arno Groth aus Hamburg in seine Geburtsstadt in der ehemaligen DDR gezogen, um dort eine Stelle anzutreten. Eigentlich wäre er als Aufbauhelfer zu verstehen, doch wegen eines ...

Im Jahr 1991 ist der Polizist Arno Groth aus Hamburg in seine Geburtsstadt in der ehemaligen DDR gezogen, um dort eine Stelle anzutreten. Eigentlich wäre er als Aufbauhelfer zu verstehen, doch wegen eines Falles, in dem er falsche Schlüsse gezogen, ist sein Einsatz wohl eher endgültig. Eines Tages kommt ein Anwohner an Groths offenes Bürofenster und behauptet, er fühle sich verfolgt. Da der Mann etwas heruntergekommen aussieht, tut der Beamte die Sache ab. Doch nur wenig später wird der Mann tot im See gefunden. Wegen der Alkoholisierung wird die Sache als Unfall betrachtet. Jedoch hat Groth ein ungutes Gefühl.

So wie er sich damals im Westen zurechtfinden musste, muss sich Arno Groth nun auch im Osten zurechtfinden. Er kennt die alten Plätze noch, aber Menschen, die er von früher kennt, trifft er nur wenige. Wegen seiner Unachtsamkeit gegenüber der Anzeige des späteren Opfers, hat Groth ein schlechtes Gewissen. Unabhängig davon kann Groth wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs nicht an einen Zufall glauben. Als es dann auch noch hinweise auf einen alten Mordfall gibt, ist Groth umso mehr überzeugt, dass es hier noch mehr zu ermitteln gibt. Seine Kollegen, die nicht unbedingt begeistert sind über die westliche Aufbauhilfe, unterstützen Groth nur wenig.

Dieser ungewöhnliche Kriminalroman greift einen alten Fall auf, der eigentlich als abgeschlossen galt. Ausgehend von dem vermeintlichen Unfall im Jahr 1991 führen die Spuren zurück in die 1980er Jahre der DDR. Als Leser nimmt man Teil an einer Ermittlung, bei der sich ein beinahe Wessi und ein Ossi zusammenraufen, um an die Wahrheit zu kommen. Gleichzeitig begleitet man Arno Groth auf seinem Weg zurück in die alte Heimat, wie er sich erst fremd fühlt, dann nach und nach ankommt. Immer mehr durchschaut er die Vorgehensweisen damals in der DDR und eben auch kurz nach der Wende. Dabei muss er durchaus feststellen, dass es Intrigen auch im Westen geben kann. Gebannt verfolgt man die Suche nach der Wahrheit, bei der er unerwartete Hilfe erhält, immer unsicher, ob es nicht immer noch Personen gibt, die verhindern wollen, dass eben jene Wahrheit ans Licht kommt. Ein toller atmosphärischer Kriminalroman, der aus seiner ruhigen Erzählweise eine bemerkenswerte Spannung generiert. Diesen Roman kann man kaum aus der Hand legen, wenn man einmal mit der Lektüre begonnen hat.

Das Cover ist etwas abstrakt gestaltet. Durch die Farbgebung ist es sehr auffällig und sollte verlocken, das Buch zur Hand zu nehmen.

Veröffentlicht am 26.12.2023

Kurlaub

Die Insel der Tausend Leuchttürme
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So einfach ist es ja heutzutage nicht, eine Kur verschrieben zu bekommen. Doch Hildegunst von Mythenmetz schafft es, er darf seine Bücherstauballergie während eines Kuraufenthalts auf der Insel Eydernorn ...

So einfach ist es ja heutzutage nicht, eine Kur verschrieben zu bekommen. Doch Hildegunst von Mythenmetz schafft es, er darf seine Bücherstauballergie während eines Kuraufenthalts auf der Insel Eydernorn behandeln lassen. Gleich zwei Monate sind ihm gewährt worden. Schon auf der Überfahrt zur Insel ereignet sich ein außergewöhnlich starker Sturm, nachdem der Schiffsverkehr zum Festland bis auf Weiteres unterbrochen ist. Die Briefe, die Hildegunst mit seinem besten Freund Hachmed ben Kibitzer austauschen wollte, geraten deshalb etwas einseitig, weil es eben keine Gelegenheit gibt, sie abzuschicken. Unermüdlich jedoch berichtet Hildegunst von seinen Entdeckungen und Erlebnissen auf dieser Insel, deren Klima die Gesundheit über die Maßen fördert.

In diesem neuen Zamonien-Abenteuer bewegt sich der Lindwurm Hildegunst von Mythenmetz aus seiner gewohnten Umgebung heraus. Als überzeugter Hypochonder können seine Wehwehchen eigentlich keine Besserung erfahren. Das erkennt auch der Kurarzt recht schnell. Hildegunst würde während der Kur also mit einigen Erfahrungen als quasi Kassenpatient rechnen müssen, wäre der Arzt nicht Fan seiner Bücher. Und so bekommt er das volle Programm bevorzugter und schneller Behandlung. Dabei wird seine Mehrwasserallergie entdeckt, die es eigentlich nicht geben darf. Denn gerade wegen der nicht vorhandenen Reizstoffe kommen die Patienten auf die Insel. Hildegunst ahnt nicht, dass er nicht nur deshalb in den Fokus einer geheimen Gesellschaft gerät.

Ein neuer Zamonien-Roman ist schon mal per se ein Kaufgrund. Aber eine Reisebeschreibung, Briefe, auf die es keine Antwort gibt? Hm, was ist das für ein Weihnachtsgeschenk? Nun ja, einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, wie die Mutter zu sagen pflegte. Und in diesem Fall liegt man damit goldrichtig. Diese Reisebeschreibung in Briefen entwickelt sich zu einem ausgesprochen spannenden Abenteuer. Es wird gewitzelt unter anderem über Hypochonder, man schmunzelt über die sympathisch knorrigen Inselgnome, man mag das Flöten der Hummdudel, man leidet mit unter den Anwendungen und man erfährt die immer lauter werdende Mahnung des „Es ist Fünf vor Zwölf“. Schließlich ist man so gefesselt, dass man sich innerhalb von zwei Tagen zu dem erschreckenden und fulminanten Finale vorgelesen hat. Das Geheimnis der Leuchttürme muss dabei jeder Leser oder jede Leserin selbst entschlüsseln.

Ein aufregender neuer Zamonien-Roman, der ein wenig wie eine Allegorie auf die heutige Welt wirkt. Mit einer wunderbar in die Reihe passenden Aufmachung und vielen Illustrationen, die einem die Vorstellung der Inselwelt sehr anschaulich erleichtern.

Veröffentlicht am 21.12.2023

Lebensbegleiterin

Dieses schöne Leben
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Clovers Eltern sind bei einem Unfall verstorben als sie sechs Jahre alt war. In diesem Unglück lag auch ein kleines Glück, denn so konnte sie bei ihrem Großvater Patrick aufwachsen, einem Universitätsprofessor. ...

Clovers Eltern sind bei einem Unfall verstorben als sie sechs Jahre alt war. In diesem Unglück lag auch ein kleines Glück, denn so konnte sie bei ihrem Großvater Patrick aufwachsen, einem Universitätsprofessor. Ihm hat sie so viel zu verdanken, doch als er starb konnte sie nicht bei ihm sein, weil sie im Ausland studierte. Nach seinem Tod hat Clover begonnen als Sterbebegleiterin tätig zu sein. Mit ihrem Hund George und den beiden Katzen lebt sie immer noch in des Großvaters Wohnung, Veränderungen mag sie nicht. Ihr einziger Freund ist der 87jährige Leo. Clover ist nicht sehr erfreut als eine neue Nachbarin einzieht. Und ihr neuer Auftrag der Begleitung der 91jährigen Claudia ist erfüllend und herausfordernd zugleich.

Wie lange dauert Trauer? Ihr Großvater ist schon seit dreizehn Jahren nicht mehr da und Clover vermisst ihn immer noch. Doch auch wenn die Trauer nie ganz verschwindet, vielleicht wird sie irgendwann doch weniger raumgreifend. Claudia ist eine faszinierende Persönlichkeit mit einer ganz eigenen Geschichte und trotz des nahenden Todes hat sie noch viel zu geben. Nicht nur Claudia erlebt eine schöne letzte Zeit, auch Clover erlebt durch Claudia eine Veränderung. Ein Ende kann auch ein Anfang sein. Leben sollte man das Leben, vielleicht ist dann der Tod nicht mehr ganz so furchtbar.

So viel beschäftigt man sich vielleicht nicht mit dem Tod und doch gehört er zum Leben. Jeder hat sicher schon einen lieben Menschen verloren. Wie man bei allem Verlust und der Trauer doch ein positiver Mensch bleiben oder werden kann, zeigt die Autorin mit ihrer Hauptperson Clover. Clover gibt den Sterbenden eine liebevolle letzte Gegenwart, sie muss erst lernen auch Liebe und Freundschaft zu empfangen. Wie sie aus ihrer Trauer wächst und zu einem noch lebensbejahenderen Menschen wird, ist berührend zu lesen. Die Lektüre dieses warmherzigen Romans weckt auch Erinnerungen an eigene liebe Menschen, über deren Verlust die Trauer zwar kleiner geworden, die aber nicht vergessen sind, genauso wie die Gedanken an die Lebenden, die man im Herzen hat.

Das Cover wirkt irgendwie wie eine gemalte Version des Parfüms.

Veröffentlicht am 16.12.2023

Wie man seinen Detektiv loswird

Miss Merkel: Mord auf hoher See
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Es ist so langweilig. Seit dem letzten Mord in der Uckermark ist nicht viel passiert in Angelas Leben. Jetzt schreibt sie eben selber Krimis und wo könnte sie das besser lernen als auf einer Krimikreuzfahrt. ...

Es ist so langweilig. Seit dem letzten Mord in der Uckermark ist nicht viel passiert in Angelas Leben. Jetzt schreibt sie eben selber Krimis und wo könnte sie das besser lernen als auf einer Krimikreuzfahrt. Mit ihrer Entourage erreicht sie so gerade noch das Schiff, beimdem schon die Gangway hochgezogen wird. Es ist Deutschlands erfolgreichster Thrillerautor Florian Watzek, der sie rettet. Allerdings hätte Angela nicht mit so einer bunt zusammengewürfelten Reisegesellschaft gerechnet. Die meist weiblichen und lautstarken Watzis sind doch etwas enervierend. Ihr, der ehemaligen Bundeskanzlerin wird kaum mehr der nötige Respekt entgegengebracht.

Inzwischen stolpert die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel in einen Mordfall. Dabei will sie sich nur Tipps holen, um ihrem Detektiv Jonathan Shakespeare ein echtes Leben einzuhauchen. Dass Florian Watzek sie zu seiner Assistentin bestimmt, war bestimmt nicht geplant. Dass die Vorstellung mit dem plötzlichen Ableben des weithin bekannten Schriftstellers endet, auch nicht. Angela war aber nicht schuld. Sollte es sich wirklich um einen bedauerlichen Unglücksfall gehandelt haben? Angela kommt ins Grübeln und davon lässt sie sich nicht so schnell ablenken. Ihr Mann Achim Sauer versucht derweil, seine Englischkenntnisse zu verbessern. Ihn hat es schon immer gestört, dass er in der Schule nur russisch gelernt hat.

Pünktlich zur Weihnachtszeit empfiehlt sich dieser humorvolle Kriminalroman für einen Ehrenplatz auf dem Gabentisch. Als Hörbuch wieder ganz wunderbar eingelesen von Nana Spier, die einen sofort ins Geschehen holt. Man freut sich über diese andere Seite von Angela Merkel, die man nicht kennt, mit der sie aber so liebenswert dargestellt wird, dass man ihr die Detektivin glatt zutrauen würde. Hier laufen Angela und ihre Lieben in etlichen Momenten mal wieder zu Höchstform auf. Da kann und will man auch beim Auto fahren sich das Lachen nicht verkneifen. Vielleicht ist bei dem Fall das eine oder andere ein wenig abwegig, doch bei all den gelungenen wohlfühl Stunden, die das Hörbuch bereitet, fällt das nicht weiter ins Gewicht. Angela hat, glaubt man, nichts dagegen, wenn der Autor David Safier ihr noch ein paar Fälle zugesteht. Im vorliegenden spielt er sehr gekonnt mit der Autorenszene. Es ist einfach schön und ausgesprochen unterhaltsam zuzuhören.