Gleichzeitig eine epische Liebesgeschichte, ein Familiendrama und ein Gruselkrimi.
Colleen Hoover ist die Autorin, von der ich am meisten Bücher gelesen habe. Um genau zu sein sind es inklusive "Layla" genau 20 Bücher. Und dennoch schafft sie es immer wieder, mich zu überraschen und ...
Colleen Hoover ist die Autorin, von der ich am meisten Bücher gelesen habe. Um genau zu sein sind es inklusive "Layla" genau 20 Bücher. Und dennoch schafft sie es immer wieder, mich zu überraschen und eine ganz neue Richtung einzuschlagen. Zuletzt wagte die "Queen-of-Hearts" mit "Verity" einen Ausflug ins Genre Psychothriller, welcher mich gleichzeitig fasziniert und verstört zurückließ. Nun entdeckt sie mit ihrem neusten Meisterwerk die Paranormal Romance für sich. Meine anfängliche Skepsis verwandelte sich innerhalb kürzester Zeit in wilde Begeisterung und so habe ich die Geschichte wie in einem Rausch in wenigen Stunden von der ersten bis zur letzten Seite durchgelesen, nur um mit Sicherheit sagen zu können: "Layla" ist die wohl mit Abstand außergewöhnlichste und wendungsreichste Liebesgeschichte, die ich seit Langem gelesen habe!
Das Cover ist in Gestaltung und Konzept stark an "Verity" angelehnt und weicht somit schon optisch ein wenig von den typischen Colleen-Hoover-meets-dtv-Covers ab. Zu sehen ist ebenfalls ein Himmel, nur dass jener dieses Mal einen düsteren Gewitterhimmel bei Nacht zeigt. Mit den starken Kontrasten, den starken Farben und dem großen, hervorstechenden Titel ist die Gestaltung angemessen mystisch, geheimnisvoll und düster und passt ganz hervorragend zur Geschichte. Auch der Titel an sich ist genau wie bei "Verity" der Name der Frau, die Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist. Beachtet man, dass "Layla" übersetzt so viel wie "dunkle Schönheit" und "Nacht" bedeutet, bekommt auch gleich das Covermotiv eine andere Bedeutung. Bei diesem Cover kann ich also eindeutig sagen, dass ich es absolut gelungen finde und mir kein besseres (auch nicht das Originalcover) vorstellen könnte.
Schon der Beginn des ersten Kapitels wird alle verstören, die hier ganz nach Colleen Hoovers sonstigen Mustern eine seichte Liebesgeschichte erwarten:
Erster Satz: "Bevor ich runtergegangen bin, habe ich Layla mit zwei Schichten Gaffa-Tape den Mund verklebt; trotzdem sind ihre gedämpften Schreie immer noch zu hören, als ich mich mit dem Mann an den Küchentisch setze."
Mit diesem Satz beginnt die Geschichte um Layla und Reeds und ich war sofort absolut ratlos, in welche Richtung wir uns in den nächsten 380 Seiten bewegen würden. Ist Leeds vielleicht ein Psychopath? Weshalb hält er Layla gefangen? Wer ist der geheimnisvolle Mann? Und vor allem: was zur Hölle hat sich diese Autorin jetzt schon wieder ausgedacht? Ich hatte also schon nach dem ersten Satz eine ganze Menge Fragen, was bei einem Romance Buch eine ganz neue und interessante Erfahrung war und die Spannung von Null auf Hundert hochgesetzt hat. Um dieses Spannungsniveau zu halten, erzählt Colleen Hoover ihren Roman nicht rein chronologisch, sondern schiebt immer wieder kurze Dialogfragmente aus der "Befragung" ein, in der Leeds seine Beziehung zu Layla ausgehend vom Tag ihrer ersten Begegnung bis hin zum aktuellen Desaster erklärt. Die Autorin beantwortet zunächst also erstmal keine brennenden Fragen, sondern widmet sich der romantischen Kennenlerngeschichte des jungen Paares, die zwar sehr schön zu lesen ist, aber permanent die Frage aufwirft, wie die beiden bloß in diese verfahrenen Situation geraten sind, in der Leeds eine völlig neben sich stehende Layla ans Bett fesselt und einem völlig Fremden seine Geschichte erzählt. Was ist zwischen dem ersten Tanz auf der Hochzeit von Laylas Schwester in einem Bed and Breakfast im buchstäblichen Herzen der USA und der absoluten Eskalation schiefgelaufen?
Leider kann ich Euch nicht viel über den Verlauf der Handlung erzählen, weil ich sonst Wichtiges vorwegnehmen müsste und die Story vor allem vom Verborgenen, Geheimnisvollen lebt. Fest steht nur, dass diese Geschichte ganz anders aufgezogen ist als die emotionalen Liebesromane, die wir sonst von Colleen Hoover kennen. Obwohl ich anfangs skeptisch war, wie gut die Autorin sich den Mystery-Anteil zu eigen machen kann, wurde ich positiv überrascht von der stimmungsvoll-gruseligen Umsetzung. "Layla" ist alles andere als ein Horrorbuch, dennoch baut sich hier Seite um Seite eine ungute, flirrende Atmosphäre auf. Auch wenn auf der reinen Handlungsebene nicht viel passiert - eigentlich erzählt Leeds nur vom Alltag mit Layla im Bed und Breakfast - steigt die Spannung mit jedem Kapitel mehr an. Während der Gruselfaktor zunimmt, nimmt die Sympathie für Leeds ab und Argwohn und Vorsicht werden zum vorherrschenden Gefühl beim Lesen, da man schlecht einschätzen kann, was hier wirklich vor sich geht. Ein beinahe leeres Geisterhaus, eine verwirrte Frau, unerklärliche Ereignisse und ein dunkles Geheimnis, das Stück für Stück gelüftet wird - Colleen Hoover weiß ganz genau, wie sie den Leser durch geschickt platzierte Häppchen, neue Wendungen und schockierende Geheimnissen bei Stange halten muss und so ist es kein Wunder, dass ich den Roman an einem Mittag verschlungen habe. Sobald man mit dem Lesen begonnen hat, will man unbedingt hinter die Wahrheit kommen und verspürt genau wie Leeds auch eine Neugier und Faszination für die Geschehnisse, die wir Kapitel für Kapitel beobachten und die Wahrheit, der wir Stück für Stück näherkommen.
Sobald "Willow" das erste Mal auftaucht, hatte ich dann aber schnell verschiedene Ideen und Theorien im Kopf, von denen sich dann auch schlussendlich eine bewahrheitet hat. Ein so unvorhersehbares Rätsel wie in "Verity" hat die Autorin hier also nicht geschaffen. Ordentlich punkten kann sie aber durch ihren Schreibstil, der es mal wieder schaffte, dass ich in einem Wechselbad der Gefühle gefangen war. Da die Autorin hier gleichzeitig eine epische Liebesgeschichte, ein Gruselkrimi und ein Drama erzählt (ich dachte auch nicht, dass das möglich ist, aber "Layla" ist der offensichtliche Beweis, dass diese Mischung funktioniert) wechseln sich hier regelmäßig Liebe, Fürsorge und Mitgefühl mit Fassungslosigkeit, Entsetzen und Schock ab. Die Folge davon ist, dass man nie so genau weiß, was man jetzt gegenüber den beiden Hauptfiguren und deren Handlungen genau fühlen soll.
Diese Ambivalenz und Unsicherheit übertragen sich auch auf die Figuren. Auch wenn Layla wie der Titel schon verrät das Kernstück der Geschichte ist und ein Großteil der Anziehungskraft des Romans von ihrer spannenden aber auch wahnsinnig verwirrenden und teilweise widersprüchlichen Charakterzeichnung ausgeht, ist sie diesmal nicht die Erzählerin. Stattdessen hat sich Colleen Hoover dafür entschieden, ihren Lebensgefährten Leeds als Ich-Erzähler einzusetzen. Das ist insofern spannend, da sich die Lesermeinung zu dieser Figur über die Geschichte hinweg mehrere Male ändert. War ich mir zu Beginn nicht sicher, ihm trauen zu können, haben meine Gefühle zwischendurch zwischen Verachtung und Bewunderung changiert, nur um am Ende festzustellen, dass er weder ein Psychopath noch ein Verrückter, sondern einfach nur verliebt war... "Layla" ist also alles in allem nichts anderes als eine auf Abwegen geratene Liebesgeschichte - bloß ein bisschen intensiver, abgefahrener und vielschichtiger als gewöhnlich.
Rückblickend hätte ich mir "Layla" ein bisschen mehr einteilen sollen, da erst am 1. Februar 2022 mit "Für immer ein Teil von dir" wieder Nachschub von Colleen Hoover erscheint. Gegen den Sog, den die Geschichte aus mich ausgeübt hat, war ich aber leider machtlos und so bekommt Ihr wenigstens schon zum Erscheinungstermin meine Rezension.
Fazit:
Colleen Hoover erzählt mit "Layla" gleichzeitig eine epische Liebesgeschichte, ein Familiendrama und ein Gruselkrimi. So unvorhersehbar und schockierend wie "Verity" ist ihr neuster Roman zwar nicht, dafür kann sie ordentlich mit vielschichtigen Figuren, einer intensiven Atmosphäre, der ambivalenten Beziehung von Layla und Leeds, vielen originellen Ideen und einer hochspannenden Erzählweise punkten.