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Veröffentlicht am 19.03.2024

Orakel der Götter

Elyssa, Königin von Karthago
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Die spanische Autorin Irene Vallejo beweist in ihrem neuen Roman „Elyssa – Königin von Karthago“ erneut ihr Talent, antike Stoffe in modernes Gewand zu kleiden und erzählt einen tragischen, griechischen ...

Die spanische Autorin Irene Vallejo beweist in ihrem neuen Roman „Elyssa – Königin von Karthago“ erneut ihr Talent, antike Stoffe in modernes Gewand zu kleiden und erzählt einen tragischen, griechischen Mythos neu.

Eines Tages stranden in Karthago Schiffbrüchige, unter denen auch der Held Aeneas verweilt – die charakterstarke Königin Elyssa ist verwitwet und nimmt ihn bei sich auf. Es entsteht eine schicksalshafte, leidenschaftliche Liebe, die besonders Elyssa trifft. Aeneas bringt seinen Sohn Iulus mit und hat immer noch traumatische Erlebnisse an das brennende Troja und seine zurückgelassene Frau. Als sich in Karthago neben den Intrigen ein weiterer Krieg und Verschiebungen der Machtverhältnisse anbahnen, trifft Aeneas eine folgenschwere Entscheidung.

Irene Vallejo komponiert ihre Erzählung klug und vielstimmig, denn es kommen mehrere Protagonisten zum Schildern ihrer eindringlichen, sich langsam aufbauenden Perspektive – neben Elyssa und Aeneas sind das der Gott Zeus sowie der römische Dichter Vergil (70-19 v. Chr.), der mit seinem Epos „Aeneis“ einst die Grundlage des Romans geschaffen hat, sowie die mystische Seherin Anna.

Die Autorin erschafft mit ihrem packenden, ruhig gehaltenen Schreibstil und ihrer dichten Atmosphäre einen Brücke zwischen Antike und Moderne und lässt viele mystische Elemente einfließen. Stets schwebt über der Liebe ein Damoklesschwert, denn die Prophezeiungen und Orakel der Götter haben trotz Zeus' Bemühungen andere Vorhaben. So nimmt der unterhaltsam-abenteuerreiche Roman nach mehreren Wendungen ein spannendes Ende und macht neugierig auf mehr griechische Mythen.

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Veröffentlicht am 08.08.2023

Zwischen den Zeiten

Zwischen den Sommern
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In ihrem zweiten Band der Heimkehr-Trilogie „Zwischen den Sommern“ erzählt Bestsellerautorin Alexa Henning von Lange empathisch und packend die generationsübergreifende Familiengeschichte um Klara Möbius/Erfurt ...

In ihrem zweiten Band der Heimkehr-Trilogie „Zwischen den Sommern“ erzählt Bestsellerautorin Alexa Henning von Lange empathisch und packend die generationsübergreifende Familiengeschichte um Klara Möbius/Erfurt weiter. Autobiografisch inspiriert von den über 130 vererbten Tonbandkassetten voller persönlich eingesprochener Zeitgeschichte der eigenen Großmutter, ist der Roman trotzdem fiktiv und führt diesmal dramatisch-bewegend in das Grauen des Nationalsozialismus und die Zeit des Zweiten Weltkrieges.

Klara leitet als junge Frau eine Frauenbildungsanstalt in Sandersleben – nachdem die Nationalsozialisten die Macht übernommen haben, hat nun auch sie die neuen Leitlinien des Regimes zu beachten, die mit strengen Besuchen kontrolliert werden, und ist hin- und hergerissen zwischen Anpassung, Verantwortung für die Mädchen und der Anstalt sowie innerer Abwehr. Frisch mit ihrer großen Liebe Gustav verheiratet, wird er bald an die Front versetzt und Klara bleibt wie viele andere Frauen alleine im Schrecken und der verzweifelten Hilflosigkeit während des Krieges zurück. Zudem belastet sie, dass sie das jüdische Mädchen Tolla, das sie zehn Jahre lang wie ihre eigene Tochter erzogen hat, aus Angst vor der drohenden Gefahr ins Ausland weiterbringen ließ und nun im Unklaren über ihren Verbleib ist. Die Zeitspanne von Klaras Erzählungen reichen von 1939 bis circa 1944 – daneben verwebt Von Lange eine aktuellere Perspektive, 60 Jahre später von Enkelin Isabell im Jahre 2000. Diese findet nach dem Tod von Klara die besprochenen Kassetten und entdeckt zusammen mit ihrer Mutter eine ganz andere Seite der strengen, verschlossenen Großmutter. Zusammen stellen sie sich Fragen über Klaras bewegte Vergangenheit, über die nie gesprochen wurde.

In einer flüssig-leichten Sprache und mit vielen gut recherchierten Details taucht Alexa Henning von Lange szenisch dicht und zugleich dynamisch in ein Stück tragische historische Zeitgeschichte. Sie erzählt berührend von zerrissenen Biografien und dem Weiterleben unter dem Hakenkreuz für die deutsche Bevölkerung während des Zweiten Weltkrieges und bietet viel Stoff zum Diskutieren: Wie haben sich die eigenen Vorfahren während dieser Zeit verhalten und über was wurde generationsübergreifend jahrzehntelang geschwiegen?

Die zwei Zeitebenen fließen abwechselnd-ruhig ineinander und bieten mit Isabell nochmal einen anderen spannenden Blickwinkel in der Gegenwart. Im Nachwort schreibt Von Lange, dass ihre wahre Großmutter, die ebenso als Lehrerin ein Frauenbildungsheim unter den Nationalsozialisten geleitet hat, in ihren Aufzeichnungen nie über Verantwortung und Schuld geredet hat. Von Lange habe deswegen das weggegebene jüdische Waisenmädchen Tolla als Stellvertreter für dieses eiserne Schweigen und den Verlust der Unschuld fiktiv an Klaras Seite gestellt – diese Verknüpfung ist weniger überzeugend gelungen und hinterlässt eher weitere offene Fragen im Kontext dieser Zeit.

So ist der zweite Teil der Trilogie, der sich unabhängig von Teil Eins lesen lässt, vor allem eine unterhaltsam-fesselnde Geschichte aus der persönlichen Perspektive einer privilegierten, innerlich zerrissenen deutschen Frau im Zweiten Weltkrieg zwischen Angst, Zweifel, Pflichtausübung und Weiterleben in grausamen Zeiten – und weniger ein tiefgründiger Roman, der die moralische Schuld des Einzelnen im Nationalsozialismus aufwirft. Aber Klaras (Arbeits-)Alltag ohne Ehemann sowie ihre zwiegespaltenen Emotionen unter dem NS-Regime hat Alexa Henning von Lange feinfühlig-detailliert aufgefangen.

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Veröffentlicht am 29.04.2023

Risse in der Zeit

Das vorläufige Ende der Zeit
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In seinem neuen Roman „Das vorläufige Ende der Zeit“ beleuchtet der Autor und Journalist Berni Mayer die Zeit aus mehreren Perspektiven von Menschen, die die Zeit gerne zurückdrehen möchten und mit ihr ...

In seinem neuen Roman „Das vorläufige Ende der Zeit“ beleuchtet der Autor und Journalist Berni Mayer die Zeit aus mehreren Perspektiven von Menschen, die die Zeit gerne zurückdrehen möchten und mit ihr hadern. Schuld, Schmerz, Traumata und tragische Erlebnisse hindern Artur und Mi-Ra daran, glücklich im Jetzt zu leben – und so lassen sie sich auf dem verlassenen jüdischen Friedhof Słubice zusammen mit dem eigensinnigen Kosmologen Horatio auf eine fantastische Séance ein, die sie mit halluzinogenen Pilzen und einem seltenen Zeitriss zurück in die Vergangenheit wirft.

Die junge Archäologin und Journalistin Mi-Ra kämpft mit innerer Unruhe und Zerrissenheit – sie ist alleinerziehende Mutter und versucht, ihre Traumata aus der Kindheit zu verarbeiten und mit frechen Sprüchen taff zu wirken. Einst aus Korea eingewandert, verlässt der Vater die Familie, um in seine Heimat zurückzukehren und lässt Mi-Ra mit Mutter, Bruder und Verletzungen von seinen Prügelattacken zurück. Und auch mit ihrem Ex-Freund und Vater ihres Sohnes verbindet sie etwas Toxisches. Der Friedhofswärter Artur hingegen muss den tragischen Verlust seiner krebskranken Tochter Mila und das Ende seiner Ehe verkraften. Und während die Beiden sich etwas näherkommen, sendet sie der mysteriöse Verleger Horatio Beeltz nicht nur auf bewegende Trips in die Vergangenheit, sondern stellt ihnen auch die philosophische Frage, welche vergangenen Ereignisse sie tatsächlich ändern wollen und können.

Mit einer modern-flotten, flüssigen Sprache und einigen Bezügen zu musikalischen Titeln ist Bernie Mayer ein unterhaltsamer, guter Roman gelungen, der dennoch stellenweise sein Potenzial nicht vollkommen ausgeschöpft hat. Während Arturs Geschichte des tiefen Verlusts tiefgründig und sehr berührend ausgearbeitet ist, bleiben Mi-Ra und Horatio etwas blass gezeichnet. Dafür besticht Letzterer durch wissenschaftlich sehr interessante Ausführungen über das Wesen der Zeit und wie die Menschen dieses nicht akzeptieren oder verstehen. Lakonischer Humor trifft dabei auf sehr ernste Themen sowie moralische Fragen des Lebens und besonders die Szenerie dieses geschichtsträchtigen Friedhofs ist sehr schön und dicht beschrieben. Manche Dialoge wirken etwas stelzig, während andere vor allem durch Mi-Ras Kommentare eine pfiffige Ironie ausstrahlen.

Insgesamt ein melancholisch-nachdenklicher Roman mit Ansätzen aus der Philosophie und Wissenschaft, der trotz Zeitreise- und Paralleldimensionen gut verständlich bleibt und solide unterhält – und der trotzdem etwas an der Oberfläche pendelt.

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Veröffentlicht am 01.09.2022

Drehbuch des Lebens

Sanfte Einführung ins Chaos
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In ihrem neuen Roman „Sanfte Einführung ins Chaos“ zeigt die erfolgreiche Autorin Marta Orriols eindringlich und szenisch auf, welche Gefühlskapriolen ein junges Pärchen ereilt, die über einen Schwangerschaftsabbruch ...

In ihrem neuen Roman „Sanfte Einführung ins Chaos“ zeigt die erfolgreiche Autorin Marta Orriols eindringlich und szenisch auf, welche Gefühlskapriolen ein junges Pärchen ereilt, die über einen Schwangerschaftsabbruch nachdenken.

Seit zwei Jahren sind die Anfang-30er Marta und Dani ein modernes Paar in Barcelona – sie arbeiten in kreativen, aber sehr unsicheren Jobs als Drehbuchautor und Fotografin. Während Dani im Arbeitsleben täglich Comedy-Serien schreibt, hat er mit dem Drehbuch seines eigenen Lebens seine Schwierigkeiten: Die Möglichkeit, Vater zu werden versetzt ihn in seine familiäre Vergangenheit, die für ihn noch verarbeitet werden muss. Marta ist sich sicher, dass sie das ungeborene Kind nicht möchte, hat Tendenzen nach Berlin zu ziehen und fühlt sich noch zu jung – das Leben hat noch so viele Möglichkeiten parat und das ernste, festgelegte Erwachsenwerden kann warten. Die Entscheidungsfindung jagt einen Riss in die Verbundenheit und Beziehung – beide müssen sich über einiges klar werden, zu sich wiederfinden, um sich dann wieder zu verbinden.

Filmreif, atmosphärisch und mit einer klug-poetischen Sprache mit pointierten Szenen und Sätzen verankert Orriols nun den auktorial erzählten Plot auf die sechs Tage vor dem Termin zum Schwangerschaftsabbruch. Aus wechselnden Perspektiven – wobei Dani den größeren Teil erhält – blickt sie tief und feinfühlig in die ambivalenten und erschütternden Gefühls- und Gedankenwellen der beiden jungen Menschen. Mit einem Gespür für intime Details, Gesten und bildhafte Szenerien wechseln Vergangenheit mit der schwierigen Zumutung, eine gute Entscheidung im Heute zu finden. Dabei zeichnet sie ihre sympathischen Charaktere samt Innenleben sehr plastisch und greifbar – ihre Ängste, Sorgen und Zweifel.

Auch wenn dem Roman hier und da etwas mehr Tiefgang gut getan hätte – Orriols hat eine präzise beobachtete und lebenskluge Geschichte mitten aus dem Leben und seine unzähligen Möglichkeiten geschaffen.

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Veröffentlicht am 14.08.2022

Ein wagemutiger Aufbruch

Susanna
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Der Bestseller-Autor Alex Capus mischt auch in seinem neuen Roman gekonnt historische Fakten mit Fiktion und erzählt atmosphärisch dicht von der Porträt-Malerin Susanna Faesch, spätere Caroline Weldon, ...

Der Bestseller-Autor Alex Capus mischt auch in seinem neuen Roman gekonnt historische Fakten mit Fiktion und erzählt atmosphärisch dicht von der Porträt-Malerin Susanna Faesch, spätere Caroline Weldon, im Aufbruch.

In mehreren szenischen und bildgewaltigen Episoden fächert der Autor auf knapp 300 Seiten das turbulente Leben der Protagonistin Susanna auf – angefangen von ihrer Kindheit Anfang der 1840er-Jahre im wohlhabenden aristokratischen Elternhaus in Kleinbasel bis hin zur emanzipierten Frau, die dem Sioux-Häuptling Sitting Bull zu den Aufständen ins Dakota-Gebiet folgt. Mit acht Jahren wandert sie zusammen mit der Mutter nach New York aus, wo sie sich später zur erfolgreichen Malerin entwickelte. Mit viel Gespür fürs Detail und einer flüssig-humorvollen Schreibweise versetzt Capus den Leser präzise in die zeitlichen Rahmenbedingungen mit entsprechenden Ereignissen und in die familiären Umstände von Susanna – besonders Vater Lucas und sein Freund Karl Valentiny nehmen eine bedeutende Rolle ein, doch auch die gescheiterte Ehe von Susanna und die Geburt des Sohnes Christie haben ihre angemessene Präsenz. Christie mit seiner Leidenschaft für die Geschichte und Lebensweise der Indigenen wird Susanna für ihre spätere Reise inspirieren. Die bunt gezeichneten Nebencharaktere fließen samt ihren Schauplätzen wie der Revolution in Europa, der Elektrifizierung in New York oder den mystischen Geistertänzen in den Dakotas mitein.

Alex Capus ist ein wortgewandter, unterhaltsamer und soghafter Geschichtenerzähler – doch trotz Spannung und einer gut komponierten Handlung fehlt es Susanna und ihren Nebenfiguren etwas an psychologischer Tiefenschärfe. Die unkonventionellen Lebensstationen samt packender Atmosphäre sind wunderbar herausgearbeitet, unklar bleiben Susannas private und politische Motive für diesen emanzipierten Aufbruch in die Freiheit im 19. Jahrhundert. So ist „Susanna“ zwar eine lesenswerte biografische Geschichte zwischen Dokumentation und literarischer Fiktion, aber es bleibt das Gefühl, dass dieser Stoff voller verwebten Lebensbiografien und einer außergewöhnlichen Frau noch mehr hergegeben hätte. Aber Capus inspiriert mit seiner gut recherchierten und lebendigen Susanna-Geschichte zum Nachdenken über eigene Lebensträume, die viel Mut und Unerschrockenheit zum Verwirklichen benötigen.

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