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Veröffentlicht am 12.10.2017

Wie Sami zu seinen Narben kam - berührende Geschichten aus Syrien

Sami und der Wunsch nach Freiheit
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Wie ist der Syrer Sami zu seinen Narben gekommen? Mit Scharif, seinem besten Freund, ist er im christlichen Viertel von Damaskus aufgewachsen. Schon seit frühester Kindheit führen sie ein Leben unter einem ...

Wie ist der Syrer Sami zu seinen Narben gekommen? Mit Scharif, seinem besten Freund, ist er im christlichen Viertel von Damaskus aufgewachsen. Schon seit frühester Kindheit führen sie ein Leben unter einem diktatorischen Regime mit all den damit verbundenen Nachteilen und Schwierigkeiten. Die beiden erleben nicht nur die Schattenseiten, sie teilen auch schöne Erlebnisse. Doch die Wirren um die Aufstände, die in ihrer Studentenzeit ihren Lauf nehmen, und die Anfänge des Krieges bringen die beiden Freunde in lebensgefährliche Situationen…

Das Buch „Sami und der Wunsch nach Freiheit“ von Rafik Schami basiert auf Recherchen und ist an wahren Begebenheiten angelehnt.

Meine Meinung:
In verschiedenen Episoden wird das Leben der beiden sympathischen Freunde in Syrien dargestellt: Von ihrer Geburt bis zur Kindheit und Jugend reichen die Kapitel, die schließlich darin gipfeln, wie es zu den Aufständen rund um das Jahr 2011 in Syrien gekommen ist und wie die jungen Männer darin verstrickt sind. Dabei lernt man nicht nur die Freunde kennen, sondern unterschiedliche Schicksale und mehrere Personen. Das hat mir sehr gut gefallen, denn auf diese Weise zeigt sich das schreckliche Gesicht des Regimes in seinen diversen Facetten. Gewalt, Willkür, Korruption und Brutalität prägen den Alltag in Syrien. Mit Einschüchterungen, Inhaftierungen, Folter, Bespitzelung und anderen Grausamkeiten haben der Präsident und sein Geheimdienst für ein ständiges Klima der Angst und eine stete Bedrohung gesorgt. Je länger ich den Erzählungen Scharifs folgte, desto erschütterter war ich von den Schilderungen über die Situation in Damaskus. Die einzelnen Schicksale haben mich sehr berührt und betroffen gemacht.

Allerdings sind die Episoden nicht nur von Trauer und Melancholie geprägt. Es ist auch gelungen, Augenblicke der Hoffnung und des Glücks sowie humorvolle Momente einzuflechten, die mir ein Lächeln auf das Gesicht zauberten oder mich zum Schmunzeln brachten. Nebenbei erfährt man zudem so einiges Interessantes über die fremde Sprache, Kultur und Lebensart, was für mich ein weiterer Pluspunkt war. Auch spannende Elemente sind eingebaut, sodass von Beginn an keine Langeweile aufkam.

Poetisch oder lebensklug klingen etliche der gewählten Formulierungen und Vergleiche, so dass mich die Lektüre an einigen Stellen zum Nachdenken gebracht hat.

„Ich wollte nur Samis Geschichte aufschreiben, so wie Scharif sie mir erzählt hat.“ Mit diesen Worten schließt Rafik Schami das Buch. Es war eine charmante Idee des Autors, Scharif die Geschichte seines Freundes selbst erzählen zu lassen. Leider ist für mich dieses Konzept nicht ganz aufgegangen. „Das ist aber eine andere Geschichte“ oder „Aber davon erzähle ich später mehr“ tauchen immer wieder auf. Mich haben diese und weitere Abschweifungen und Vorausdeutungen ziemlich gestört, weil sie für mein Empfinden den Hör- oder Lesefluss unterbrechen. Deshalb konnte ich mich mit dem Erzählstil insgesamt bis zum Schluss nicht so recht anfreunden.

Ich habe die Geschichte mit einem Hörbuch verfolgt, deren beiden Sprecher Nils Rieke und Wolfgang Berger gute Arbeit geleistet haben.

Mein Fazit:
Mit „Sami und der Wunsch nach Freiheit“ ist ein lesenswertes, berührendes Porträt des Lebens in Syrien gelungen.

Veröffentlicht am 09.10.2017

Ein stürmisches Leben am Rand der Klippen

Nachtlichter
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Amy Liptrot ist Anfang dreißig, als sie zurückkehrt zu den Orkney-Inseln, den Ort, an dem sie geboren und aufgewachsen ist. In der rauen, abgelegenen Gegend im äußersten Norden Schottlands, umgeben von ...

Amy Liptrot ist Anfang dreißig, als sie zurückkehrt zu den Orkney-Inseln, den Ort, an dem sie geboren und aufgewachsen ist. In der rauen, abgelegenen Gegend im äußersten Norden Schottlands, umgeben von viel Meer, will sie nach langer Alkoholsucht wieder zurück in ein geregeltes, zufriedenes Leben finden. Dabei konnte sie es mit 18 Jahren gar nicht erwarten, ihr Zuhause zu verlassen und in die Großstadt nach London zu ziehen. Ihr Vater ist manisch-depressiv, ihre Mutter extrem religiös. Doch in der Metropole vermisst sie erstaunlich oft ihre alte Heimat. Immer ausgiebiger greift sie zum Alkohol. Auch mit Drogen hat sie Erfahrungen gemacht. Sie verliert die Kontrolle, ihre Beziehung geht in die Brüche. Nach einer Therapie soll schließlich die Heimkehr auf die Orkneys dafür sorgen, dass sie wieder heilt.

Mit erstaunlicher Direktheit und Offenheit schildert Amy Liptrot in dem Memoir "Nachtlichter" von ihrer Kindheit auf den Inseln, ihren Erfahrungen auf dem britischen Festland und ihrem wilden Leben.

Meine Meinung:

Besonders eindrucksvoll sind die Schilderungen der Natur. Eindringlich und intensiv zeichnet sie die Landschaft der Orkneys, sodass viele Bilder vor dem inneren Auge auftauchen und Fernweh nach den Inseln auslösen. Der Wind, der fast niemals still ist. Die rauen und gefährlichen Klippen. Das ungestüme Meer. Dabei scheint die Außenwelt auch ein Sinnbild für die Gefühle der Journalistin zu sein, die bis zu ihrer Rückkehr - metaphorisch formuliert - ein stürmisches Leben am Rand der Klippen geführt hat.

Kunstvoll verwebt die Autorin aktuellere Ereignisse mit Rückblenden in die Vergangenheit. Mit mutiger, schonungsloser Ehrlichkeit und Deutlichkeit beschreibt und reflektiert sie ihre Sucht und ihren Absturz. Damit konnte sie mich fesseln und berühren. Allerdings macht sie es dem Leser mit dem ungewohnten Erzählstil nicht immer leicht. Wörtliche Rede ist nur sehr selten im Buch zu finden. Hinzukommt, dass die deutsche Übersetzung offensichtlich an einigen Stellen nicht besonders elegant ist und kleinere Schwächen offenbart, beispielsweise bei der Passage, als es um ihren zweiten Vornamen geht.

Positiv bewerte ich dagegen wiederum neben dem geschmackvollen Cover die Landkarten am Anfang des Buches und das Glossar.

Mein Fazit:
Die autobiografische Lektüre ist definitiv ein besonders, ein außergewöhnliches, ein beeindruckendes Buch. Es ist jedoch inhaltlich wie sprachlich keine leichte Kost.

Veröffentlicht am 05.10.2017

Eine bewegende Lebensgeschichte

Durch alle Zeiten
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Ein Leben in den Alpen Österreichs geprägt von Moral, gesellschaftlichen Zwängen, harter Arbeit und der Sehnsucht nach der großen Liebe: Das ist die Geschichte von Elisabeth, die sich mit 17 Jahren in ...

Ein Leben in den Alpen Österreichs geprägt von Moral, gesellschaftlichen Zwängen, harter Arbeit und der Sehnsucht nach der großen Liebe: Das ist die Geschichte von Elisabeth, die sich mit 17 Jahren in Niklas verliebt, einen jungen Mann aus einer angesehenen Familie. Er ist bereits mit einer anderen Frau verlobt, weshalb die Liebe der beiden nicht sein darf. Doch sie kann ihn nicht vergessen.

In dem Roman "Durch alle Zeiten" wird das Leben Elisabeths von den 50er-Jahren bis in die Gegenwart geschildert, basierend auf den Erinnerungen der Autorin Helga Hammer an eine reale Freundin. Durch Rückblenden in die Vergangenheit erfährt der Leser nach und nach ihre Geschichte. Von der Kindheit und Jugend in ärmlichen Verhältnissen, ihrem Wunsch, aus ihrem Leben mehr zu machen, und den Schicksalsschlägen, die ihr immer wieder Schmerz und Enttäuschungen bringen.

Meine Meinung:
Mit der dramatischen Geburt des dritten Kindes von Elisabeth beginnt der Roman sehr spannend. Schon ab der ersten Seite konnten mich die atmosphärisch dichten Schilderungen packen. Durch die intensiven Beschreibungen entstanden sofort viele Bilder in meinem Kopf. Den Schreibstil empfand ich als sehr gelungen. Auch inhaltlich konnte mich der Roman berühren. Die Umgebung, die Kargheit ihres Lebens, aber auch die Innenwelt der Protagonistin wurden dadurch gut deutlich. Der Charakter Elisabeths mit ihrer Stärke, aber auch ihren Schwächen und Fehlern ist facettenreich dargestellt. Die Schwierigkeiten, mit denen sie zu kämpfen hat, die Umstände ihres heftigen Lebens und die Härte der Bergwelt wirkten zum Teil sehr beklemmend. Mehrfach musste ich beim Lesen schlucken.
Allerdings haben mich auch mehrere Kleinigkeiten gestört. Der Schlusssatz "Und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie heute noch" mag zwar zutreffend sein, ich empfand ihn aber als unpassend. Auch kam mir das Ende zu abrupt.

Mein Fazit:
Mit ihrem Debütroman ist Helga Hammer ein bewegendes und eindrucksvolles Buch gelungen, das lesenswert ist.

Veröffentlicht am 08.09.2017

Konflikte zwischen den Generationen

Sonntags fehlst du am meisten
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Bei der Goldenen Hochzeit der Eltern soll sich Caro mit ihrem Vater aussöhnen. Vor über einem Jahr ist der Kontakt zwischen den beiden abgebrochen. Nach einer Trunkenheitsfahrt, bei der Caro glücklicherweise ...

Bei der Goldenen Hochzeit der Eltern soll sich Caro mit ihrem Vater aussöhnen. Vor über einem Jahr ist der Kontakt zwischen den beiden abgebrochen. Nach einer Trunkenheitsfahrt, bei der Caro glücklicherweise nichts passiert ist, ist Papas "Prinzessin" in Ungnade gefallen. Karl hat auch jegliche finanzielle Unterstützung für seine Tochter eingestellt. Nun ist die wohlbehütete Caro gezwungen, auf komplett eigenen Beinen zu stehen. Doch das ist einfacher gesagt als getan. Sie muss nach dem Scheitern ihrer Ehe als Alleinerziehende für ihren Sohn sorgen, ist arbeitslos und trockene Alkoholikerin. Eine ungewöhnliche Freundschaft eröffnet ihr jedoch neue Sichtweisen. Ob die Annäherung an ihren Vater noch gelingt?

Meine Meinung:
Den Schreibstil habe ich als angenehm empfunden. Dabei ist es gelungen, die Gefühle der Protagonisten nachvollziehbar zu machen. Gut konnte ich mich in die Figuren hineinversetzen. Verbunden wird der lockere Erzählstil mit durchaus tiefgründigen Themen, sodass das Buch nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregt. Deutlich werden Konflikte zwischen den Generationen, die sich so auch in anderen Familien finden lassen. Gleichzeitig werden diese angenehm unaufgeregt geschildert.
Mir hat es auch gut gefallen, dass die Geschichte aus mehreren Perspektiven erzählt wird und verschiedene Zeitebenen beinhaltet. Immer wieder gibt es Rückblenden in die Vergangenheit. Das hat dazu beigetragen, dass keine Langeweile aufkam. Den Lesefluss hat es nicht gestört. Im Gegenteil: Ich konnte das Buch schwer zur Seite legen und hätte am liebsten alles an einem Tag durchgelesen.
Am Ende blieben leider noch ein paar Fragen offen, zu denen ich gerne Antworten erhalten hätte. Daher ziehe ich einen Stern ab. Davon abgesehen, fand ich den Roman sehr gelungen.

Fazit:
Wer ein Buch sucht, das sich leicht lesen lässt, aber dennoch über Tiefgang verfügt und nachdenklich macht, wird bei „Sonntags fehlst du am meisten“ fündig. Ich kann den Roman empfehlen.

Veröffentlicht am 22.08.2017

Bewegender und spannender Kriegsroman

Der Frauenchor von Chilbury
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Es ist das Jahr 1940 in einem kleinen Ort nahe der Südküste von England. Immer mehr Männer werden in den Zweiten Weltkrieg eingezogen. Während die Frauen um sie bangen und jede nur erdenkliche Abwechslung ...

Es ist das Jahr 1940 in einem kleinen Ort nahe der Südküste von England. Immer mehr Männer werden in den Zweiten Weltkrieg eingezogen. Während die Frauen um sie bangen und jede nur erdenkliche Abwechslung brauchen können, beschließt der Pfarrer, den Chor aufzulösen. Doch nicht mit den Frauen von Chilbury! Auf Initiative der Musikprofessorin Prim gründen sie einen eigenen Chor und wollen sogar an einem Wettbewerb teilnehmen.

Mir hat es gut gefallen, dass auch einmal die Geschichten der Daheimgebliebenen thematisiert werden. Ich mochte auch, dass diese aus den Perspektiven mehrerer Frauen erzählt werden - in Form von Tagebucheinträgen, Notizen und Briefen. Ihnen allen gibt der Chor Halt und schafft ein verbindendes Element. Doch in der Geschichte geht es längst nicht nur um das gemeinsame Singen an sich, sondern auch um die Schicksale und Leben der unterschiedlichen Frauen und Mädchen. Es geht um Liebe, Angst und Trauer, aber auch um Lügen und Betrug. Deshalb fand ich das Buch nicht nur bewegend, sondern auch spannend. Humorvolle wie traurige Momente werden erzählt, sodass beim Lesen keine Langeweile aufkam.

Jennifer Ryan zeichnet ganz unterschiedliche Charaktere und deren Entwicklung - und zwar mit solcher Klarheit, dass man der Geschichte gut folgen kann und sich gut in die Figuren hineinversetzen kann.

Nicht zuletzt hat mir der Schreibstil gefallen. Es liest sich sehr flüssig - was sicherlich auch der Brief- beziehungsweise Tagebuchform geschuldet ist. Die Passagen der Frauen unterscheiden sich stilistisch deutlich voneinander. Das wirkte größtenteils auch authentisch. Einen Punkt Abzug muss ich leider dennoch geben, weil ich es etwas unglaubwürdig fand, dass einige Zitate und Schilderungen zu ausführlich und ungewöhnlich für diese Art der Erzählform waren.

Mit "Der Frauenchor von Chilburg" ist Jennifer Ryan ein gefühlvoller, abwechslungsreicher Roman gelungen. Ich bin gerne in die Handlung eingetaucht und kann das Buch allen weiterempfehlen, die mal eine etwas andere Geschichte aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs lesen möchten.