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Veröffentlicht am 29.03.2024

Das Hausmädchen

Mein Name ist Estela
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Mein Name ist Estela – Alia Trabucco Zeran
Nachdem sie sehr lange kaum etwas zu sagen hatte, spricht Estela nun, erzählt ihre Geschichte als Hausmädchen einer reichen Familie. Berichtet von der unüberwindbaren ...

Mein Name ist Estela – Alia Trabucco Zeran
Nachdem sie sehr lange kaum etwas zu sagen hatte, spricht Estela nun, erzählt ihre Geschichte als Hausmädchen einer reichen Familie. Berichtet von der unüberwindbaren gesellschaftlichen Kluft zwischen ihr und ihren Arbeitgebern, der gegenseitigen Abneigung, ja Abscheu – und von ihrer Einsamkeit in diesem fremden Haushalt. Sie erzählt von vielen kleinen Begebenheiten, tausend Nadelstichen und davon, wie es letztendlich zum Tod des kleinen Mädchens kommen konnte, das sie sieben Jahre lang aufgezogen hat.
Wir erfahren nur Estelas Perspektive, des stillen chilenischen Hausmädchens. Die Tragödie ist passiert und Estela stellt ihre Sicht der Dinge dar. Das geschieht in einem angenehmen Plauderton, wobei der Leser oft direkt angesprochen wird.
Die Klassenunterschiede sind zementiert. Gleichzeitig befindet Estela sich rund um die Uhr in der Familie und wird Zeuge intimsten Familienlebens, das in den eigenen vier Wänden alles andere als perfekt ist.
Es ist eine spannende Erzählweise. In Umwegen berichtet Estela sehr ausführlich, aber niemals langweilig von ihren Jahren als Haumädchen der Familie. Da der Tod des Mädchens von Anfang an bekannt ist, jedoch nicht das Wie oder Warum, meint man als Leser immer wieder eine fatale Entwicklung vorauszuahnen – meistens falsch. Ein bisschen führt einen Estela damit an der Nase herum, aber es ist eine wirklich kurzweilige Leseerfahrung. Und es steckt ja soviel mehr in diesem Text, als „nur“ die Aufklärung des Todes. Es ist ein Psychogramm der chilenischen Gesellschaftsordnung. Ein Thema, mit dem ich mich bisher nicht auseinandergesetzt habe.
Spannend und tiefgründig – äußerst lesenswert! 5 Sterne.

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Veröffentlicht am 23.03.2024

Familienleben in Tokio

Eine kurze Begegnung
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Eine kurze Begegnung – Emily Itami
Mizuki ist eine Frau, die alles hat: einen erfolgreichen Ehemann und zwei tolle Kinder. Dennoch ist sie nicht glücklich. Gesellschaftliche Konventionen und japanischer ...

Eine kurze Begegnung – Emily Itami
Mizuki ist eine Frau, die alles hat: einen erfolgreichen Ehemann und zwei tolle Kinder. Dennoch ist sie nicht glücklich. Gesellschaftliche Konventionen und japanischer Perfektionismus geben dem Leben innerhalb der Familie strenge Regeln vor, was schließlich dazu führt, dass sich der völlig überarbeitete Ehemann weitgehend aus dem Familienleben und der Beziehung zurückzieht.
Die Autorin zeichnet ein umfassendes Bild dieser Ehe und zeigt absolut nachvollziehbar auf, wie es dazu kommen konnte, dass Mizumi, die ihren Mann aufrichtig liebt, eine Affäre beginnt. Dabei gibt es keinen Schuldigen. Vielmehr wird die Situation als beinahe unausweichlich dargestellt. Jede andere Entscheidung, das Familienleben zu gestalten, wäre unvereinbar mit der gnadenlosen tokioter Arbeitswelt.
Die Geschichte spielt in Tokio, etliche Probleme sind aber auch auf die westliche Welt übertragbar. Wobei die japanische Leistungsgesellschaft nochmal eine völlig andere Liga darstellt, was die Problematik verschärft.
Ich fand es höchst interessant, so viele kulturelle Eigenheiten Tokios zu erfahren. Die Metropole wird als nach außen herrlich moderne, aber rückwärtsgewandteste Stadt der Welt dargestellt.
Eine ganz wunderbare und fesselnde Leseerfahrung!
5 Sterne

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Veröffentlicht am 13.03.2024

Die Barnes

Der Stich der Biene
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Der Stich der Biene – Paul Murray
Das Autohaus der Familie Barnes läuft nicht mehr und das liegt nicht nur an der allgemeinen wirtschaftlichen Krise. Vater Dickie steckt jedoch lieber den Kopf in den Sand ...

Der Stich der Biene – Paul Murray
Das Autohaus der Familie Barnes läuft nicht mehr und das liegt nicht nur an der allgemeinen wirtschaftlichen Krise. Vater Dickie steckt jedoch lieber den Kopf in den Sand und schickt sich an, einen Bunker im Wald zu bauen um für die möglicherweise drohende Apokalypse vorbereitet zu sein. Der Niedergang der Firma hat aber auch Auswirkungen auf den Rest der Familie. Mutter Imelda, die hart am Statusverlust zu knabbern hat, Tochter Cass, die mit typischen Teenager-Problemen zu kämpfen hat und bereits in den Startlöchern steht, das Chaos hinter sich zu lassen und ein eigenes Leben zu beginnen. Und dann ist da noch Sohn PJ, der irgendwie zwischen allen Fronten steht und dennoch kaum wahrgenommen wird.
Murray zeichnet ein umfassendes Bild dieser irischen Familie Barnes. Nicht nur in der Gegenwart, sondern er geht auch ein Stück weit zurück in die Vergangenheit und in die Kindheit der Eltern. So entsteht ein vielschichtiges, verschlungenes Porträt dieser Familie. Und es ist so einiges, was die einzelnen Familienmitglieder erleben – kein Wunder bei 700 Seiten!
Alle Figuren bekommen genug Platz um ihre eigene Sichtweise der Geschehnisse zu erzählen. Das ist gut, denn es zeigt unterschiedliche Perspektiven und rundet das Gesamtbild erst ab. Außerdem hilft es auch dabei, beispielsweise die Beziehung zwischen Imelda und Dickie zu verstehen und deren Reaktionen und Verhaltensweisen.
Sprachlich ist dieser Roman teilweise etwas speziell. Imeldas Abschnitte sind beispielsweise ohne Satzzeichen geschrieben, auch Gänsefüßchen bei wörtlichen Reden fehlen komplett. Mich persönlich hat das hier aber überhaupt nicht gestört. Satzanfänge sind mit Großbuchstaben erkennbar und habe mich problemlos zurechtgefunden, auch wenn mir der Grund für diese Stilmittel nicht klar wurde.
Der Autor hat ein hervorragendes Gespür für seine Figuren. Ob es sich um ein Teenie-Mädchen handelt oder um die Midlife-Crisis von Dickie – der Erzählstil ist immer absolut authentisch und empathisch. Die Barnes werden durch etliche Höhen und Tiefen begleitet und es menschelt ganz gewaltig. Denn alle Figuren haben ihre Fehler und trotzdem wachsen sie einem ans Herz.
Trotz seiner beträchtlichen Länge wird dieser moderne Familienroman niemals langweilig. Es ist spannend und es ist tragik-komisch, wobei das Drama deutlich überwiegt. Es ist das echte Leben, obwohl man schon den Eindruck bekommt, als bliebe dieser Familie nichts erspart.
Ich habe mich köstlich amüsiert und ordentlich mitgefiebert! 5 Sterne

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Veröffentlicht am 23.02.2024

Lebensentscheidungen

Notizen zu einer Hinrichtung
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Notizen zu einer Hinrichtung – Danya Kukafka
Welche Auswirkungen können die eigenen Lebensentscheidungen auf andere Menschen und deren Leben haben – noch Jahrzehnte später? Eine möglicherweise etwas abstrakte ...

Notizen zu einer Hinrichtung – Danya Kukafka
Welche Auswirkungen können die eigenen Lebensentscheidungen auf andere Menschen und deren Leben haben – noch Jahrzehnte später? Eine möglicherweise etwas abstrakte Fragestellung. Jedoch nicht mehr nach der Lektüre dieses Romans. Denn es geht hier nicht nur um die nahende Hinrichtung des Serienmörders Ansel, sondern mindestens ebenso um seine Mutter Lavender, die sein Leben maßgeblich beeinflusst hat und um mehrere andere Frauen, deren Leben wiederum Ansel beeinflusst oder gar beendet hat. Ansel ist weniger Hauptfigur, denn vielmehr tragisches verbindendes Element.
Dies ist ein wahnsinnig beeindruckender Roman, der mich die letzten Tage stark beschäftigt hat. Danya Kukafka hat einen fantastischen Schreibstil. So klar und pointiert erzählt sie diese Geschichte und blättert nach und nach ein ganzes Leben auf. Da steckt soviel Empathie für alle Figuren drin – ja auch für Ansel, den Mörder, ohne jemals kitschig zu werden. Man kommt diesen zu allermeist sozial schwachen, sich ohnehin am Rande der Gesellschaft bewegenden Menschen fast unerträglich nah. Die Einen schaffen es, ihrer Herkunft zu entfliehen, Andere nicht. Obwohl so klar ist, dass Ansel zu Recht verurteilt wurde und hingerichtet wird (wobei die Todesstrafe an sich durchaus kritisch beurteilt wird), weckt seine traumatische Kindheit einfach nur Mitleid. Auch wenn sich das angesichts seiner Taten immer wieder relativiert. Wirklich ein schwieriges Thema.
Ein extrem berührendes und beklemmendes Werk, vielschichtig und tiefgründig. Ich bin sehr beeindruckt von der Geschichte und von dem wunderbaren Erzählstil.
5 Sterne – ein Highlight!

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Veröffentlicht am 08.02.2024

Ungesunde Beziehungen

Geordnete Verhältnisse
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Geordnete Verhältnisse – Lana Lux
Faina kommt als Kind mit ihren Eltern aus der Ukraine nach Deutschland, spricht wenig Deutsch und ist froh, dass sich ein Klassenkamerad, Philipp, ihrer annimmt. Der freut ...

Geordnete Verhältnisse – Lana Lux
Faina kommt als Kind mit ihren Eltern aus der Ukraine nach Deutschland, spricht wenig Deutsch und ist froh, dass sich ein Klassenkamerad, Philipp, ihrer annimmt. Der freut sich ebenfalls, da er sich mit anderen Menschen sehr schwer tut und mit Faina nun endlich eine geduldige Zuhörerin gefunden hat. So beginnt eine lang währende on-off-Freundschaft, die von Anfang an auf unterschiedlicher Augenhöhe stattfindet.
Später wird diese kindliche Freundschaft zu einer sehr seltsamen Konstellation. Die beiden leben zusammen, allerdings ohne körperliche Intimität, wobei Philipp sich extrem besitzergreifend und kontrollierend verhält. Ohnehin ist Philipp ein bemerkenswert unsympathischer Protagonist. Sicher, er hatte keine einfache Kindheit. Nichtsdestotrotz sind seine Einstellung und Weltanschauung unter aller Kanone. Bereits nach wenigen Seiten war ich mir sicher: Der hat einen an der Klatsche. Er verkörpert das absolute männliche frauenfeindliche Arschloch. Ganz furchtbar. Sehr übel sind auch seine Gedanken. Denn tatsächlich bemüht er sich ja immer noch, nach außen nicht negativ aufzufallen. Möglicherweise hat die Autorin Lana Lux hier ab und an etwas dick aufgetragen, übertrieben.
Noch schlimmer wird die Sache, als klar wird, dass auch Faina Schaden aus ihrer eigenen Kindheit genommen hat. Sie ist psychisch labil und hält die Art und Weise wie Philipp mit ihr umgeht für normal. Auch sie ist keine Sympathieträgerin, glänzt sie doch in erster Linie mit diversen Exzessen.
Eben diese beiden versehrten Charaktere sind nun aus irgendeinem Grund überzeugt davon, zusammenzugehören. Es ist ein einziges Drama und die Katastrophe vorprogrammiert.
Lana Lux hat trotz, oder gerade wegen ihres sehr klaren und treffsicheren Schreibstils, eine äußerst eingängige, fesselnde Erzählweise. Es sind oft knappe Nebensätze, die dem Leser völlig neue Erkenntnisse offenbaren oder zu schockieren wissen. Mühelos gleitet der Leser in die Geschichte, leidet mit den Figuren. Wobei leiden hier vermutlich der falsche Ausdruck ist – es sind eher die Finger vor den Augen, durch die man beim Lesen ängstlich blinzelt. Gerade die leicht zugängliche Sprache schlägt umso härter ein.
Sehr stark kam für mich in diesem Roman die überwältigende lebenslange Beeinflussung der Kindheit und eigenen Erziehung heraus. Das ist nun etwas, was den meisten von uns bekannt vorkommen dürfte. Denn seine Herkunft kann man nicht verleugnen, die Kindheit prägt ein Leben lang. In dieser ergreifenden Geschichte erwächst aus zwei verletzten Kindern eine zutiefst toxische Beziehung. Das ist ein sehr tiefgehendes Thema, das mich hier sehr berührt hat.
Schockierend und aufrüttelnd. Ein krasser Roman - einfach toll erzählt – 5 Sterne!

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