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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.03.2024

Packend

James
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Der Roman "James", der Mark Twains Geschichte von Huckleberry Finn aus der Perspektive des Sklaven Jim erzählt, hat mich von Anfang an fasziniert. Trotz des in der deutschen Übersetzung artifiziellen Slangs, ...

Der Roman "James", der Mark Twains Geschichte von Huckleberry Finn aus der Perspektive des Sklaven Jim erzählt, hat mich von Anfang an fasziniert. Trotz des in der deutschen Übersetzung artifiziellen Slangs, der zunächst befremdlich auf mich wirkte, konnte ich mich schnell in die Erzählung vertiefen und wurde angenehm überrascht, wie flüssig und gerne ich weiterlas. Sowohl auf der Ebene der Abenteuergeschichten als auch auf der Ebene der Reflexion über die Bedeutung von race, Sprache und Freiheit hat mich der Roman von Beginn an gepackt.

Ein Aspekt, der dazu beitrug, war die Schnelligkeit, mit der der Roman voranschreitet. Die Episoden, die sich am Original von Mark Twain orientieren, lösen sich relativ schnell auf, sodass immer wieder neue Spannungsmomente entstehen. Dabei zeigt sich auch die Intelligenz der Hauptfigur Jim, der in verschiedenen Situationen Lösungen findet. Zusätzlich fand ich die Auseinandersetzung des Romans mit Sprache in all ihren Facetten besonders fesselnd, vor allem die Darstellung von Jims weiter sprachlicher Welt und die Betonung des Lesens als subversivem Akt im Kontrast zu der zu Beginn begrenzten Sichtweise von Huck.

Im Verlauf des Romans wurde nicht nur die Handlung intensiver, sondern auch die Kommentierung aktueller gesellschaftlicher Diskurse differenzierter. Die Machtdynamik zwischen den Figuren wird deutlicher, ebenso wie die verschiedenen Strategien, mit der Situation als Sklave umzugehen. Besonders bewegend fand ich die Darstellung von Jims Überlebenswillen, ungebrochen bleibt. Auch die Beziehungen zwischen den verschiedenen Charakteren und die komplexen Dilemmata, die sich daraus ergeben, tragen zur Tiefe der Erzählung bei. So konnte mich der Roman durch seine Spannung, emotionale Intensität und überzeugende sprachliche Darstellung vollständig fesseln und begeistern.

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Veröffentlicht am 25.03.2024

Intelligente Romcom

Alles gut
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Der Eichborn-Verlag scheint für mich in letzter Zeit ein Garant für unglaublich gut geschriebene, intelligente und dabei noch ausgezeichnet unterhaltende Literatur zu sein. Dies hier ist ein weiterer Roman, ...

Der Eichborn-Verlag scheint für mich in letzter Zeit ein Garant für unglaublich gut geschriebene, intelligente und dabei noch ausgezeichnet unterhaltende Literatur zu sein. Dies hier ist ein weiterer Roman, der zwar als Romcom und Coming-of-age-Roman daher kommt, aber dabei authentisch und durchdacht gesellschaftskritische Themen behandelt. Dies zeigen schon die Zitate vorweg aus "Clueless" und von Toni Morrison - kann ein Roman eigentlich besser beginnen?

In dem Roman geht es um Jess, die einen Job als Analystin bei Goldman Sachs in New York ergattert. Doch ihr Traumjob wird schnell von der unangenehmen Wiederbegegnung mit Josh getrübt, der sie schon während ihres Studiums mit seinen konservativen Ansichten irritiert hat. Doch überraschenderweise entwickelt sich Josh bald zu ihrem engsten Verbündeten im Büro – und Jess kann als einzige Frau und einzige Schwarze dort jeden Verbündeten gut gebrauchen. Daraus entwickelt sich bald noch mehr, auch wenn Joshs und Jess‘ unterschiedliche Erfahrungswelten immer wieder zwischen ihnen stehen. So fragt sich Jess immer wieder, ob sie jemanden lieben kann, der nicht anerkennt, dass Rassismus Chancengleichheit entgegensteht - und der möglicherweise sogar zum Trump-Wähler werden wird?

Während Jess und Josh sich zwischen Liebe und Grabenkämpfen hin- und hergerissen fühlen, fühlte ich mich bestens unterhalten, insbesondere weil der Roman zwischendurch immer wieder richtig spannend wird, um dann wieder nachdenklich zu machen. Die Figuren in "Alles gut" sind authentisch ausgearbeitet und realistisch dargestellt. Jess‘ und Joshs Beziehung ist komplex und facettenreich, voller Höhen und Tiefen. Dabei behandelt der Roman Themen wie Rassismus, Sexismus und Vorurteile auf eine ehrliche Weise und legt immer wieder den Finger in die Wunde, die eigenen Ansichten gründlich zu prüfen. Trotzdem schafft es die Autorin, diese ernsten Themen mit einer Leichtigkeit zu präsentieren, die gut unterhält und mich zum Lachen und zum Weinen gebracht hat.

Insgesamt ist "Alles gut" eine intelligente Romcom, die für offene Gespräche auch bei völlig gegensätzlichen Ansichten wirbt. Ich kann diesen Roman jedem empfehlen, der auf der Suche nach einer unterhaltsamen und gleichzeitig anspruchsvollen Lektüre ist.

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Veröffentlicht am 24.03.2024

Empathische Einblicke

Nachbarn
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Diane Olivers Kurzgeschichtenband "Nachbarn" ist eine Sammlung von Geschichten, die nicht nur die sozialen Umstände ihrer Zeit einfangen, sondern auch zeitlose Fragen über Identität und Vorurteile aufwerfen. ...

Diane Olivers Kurzgeschichtenband "Nachbarn" ist eine Sammlung von Geschichten, die nicht nur die sozialen Umstände ihrer Zeit einfangen, sondern auch zeitlose Fragen über Identität und Vorurteile aufwerfen. Mit einem einfühlsamen und empathischen Schreibstil zeigt Oliver die Welt verschiedener Charaktere, vor allem Frauen, die mit den Herausforderungen und Konflikten der amerikanischen Gesellschaft der 50er und 60er Jahre konfrontiert sind. Die Autorin zeigt eine bemerkenswerte Vielfalt an Perspektiven und schafft es dabei, die komplexen Dynamiken zwischen Rasse, Klasse und Geschlecht zu erkunden.

Jede Geschichte in "Nachbarn" zeichnet sich durch genaue und einfühlsame Beobachtungen aus, die Empathie für unterschiedlichste Situationen ermöglichen. Von der Entscheidung einer Familie, ihren Sohn auf eine weiße Schule zu schicken, bis hin zu einem Paar, das durch rassistische Übergriffe zur Flucht in den Wald getrieben wird, werden die Leserinnen und Leser mit einer Bandbreite von menschlichen Erfahrungen konfrontiert.

Besonders bemerkenswert ist, dass diese Sammlung von Geschichten von einer Autorin stammt, die erst Anfang 20 war. Diane Oliver zeigt eine reife Herangehensweise an ihre Themen, die weit über ihr Alter hinausgeht. "Nachbarn" ist nicht nur eine eindringliche Darstellung der amerikanischen Geschichte, sondern gewährt Einblicke in die menschliche Natur und unsere Beziehungen zueinander.

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Veröffentlicht am 16.03.2024

Wild poetisch

Zuleika
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"Zuleika" ist ein faszinierendes, wildes und poetisches Versepos, das den Leser in eine fiktive Welt des römischen Londons um 200 n. d. Z. entführt. Die ungewöhnliche Erzählform in Versen, die eine Mischung ...

"Zuleika" ist ein faszinierendes, wildes und poetisches Versepos, das den Leser in eine fiktive Welt des römischen Londons um 200 n. d. Z. entführt. Die ungewöhnliche Erzählform in Versen, die eine Mischung aus Slang, aktuellen Anspielungen, hochgestochener Sprache der Oberschicht und Latein ist, macht beim Lesen großen Spaß und wirkt trotz der großen Künstlichkeit erstaunlich leichtfüßig und authentisch. Ich bin mir sicher, dass die Übersetzerin hier ganze Arbeit geleistet hat. Tipp: Ich musste tatsächlich ab und zu lateinische Vokabeln nachschlagen, Grundkenntnisse des Lateinischen schaden also bei der Lektüre definitiv nicht. Dennoch ist der Mix aus Altem und Aktuellem der für mich faszinierendste Aspekt des Romans.

Die Hauptfigur, Zuleika, ist eine fesselnde Protagonistin, die als Schwarzes Mädchen in den Straßen des multikulturellen Londons lebt. Als ihr Vater sie im Alter von elf Jahren an einen reichen Patrizier verheiratet, lernt sie zwar finanzielle Sicherheit kennen, sie fühlt sich aber bald eingesperrt und beginnt, inspiriert durch die Lektüre der griechischen Klassiker, selbst zu schreiben - die Versuche sind eher naiv, aber durch diesen Kontrast wirkt die Erzählweise des Romans dann noch einmal umso interessanter. Den Kontakt zum Leben jenseits der Konventionen verliert Zuleika durch ihre Freundinnen nicht, besonders gut hat mir hier die queere Figur der Venus gefallen. Und schließlich findet Zuleika durch die Begegnung mit dem römischen Kaiser auch noch Leidenschaft - doch wie lange wird die Affäre gut gehen?

Die Geschichte von Zuleika ist geprägt von Widerspenstigkeit, Schlagfertigkeit und wilder Schönheit. Die Autorin hat es geschafft, eine Inter Welt zu erschaffen, die mich sprachlich als auch inhaltlich in ihren Bann gezogen hat und der man die Freude der Autorin am Schreiben anmerkt. Das war mein erster Roman der Autorin, aber definitiv nicht mein letzter!

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Veröffentlicht am 08.03.2024

Niedrigschwellig

Mit Kindern über Diskriminierungen sprechen
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Das Sachbuch "Mit Kindern über Diskriminierungen sprechen" ist eine wertvolle Ressource für alle erziehenden Menschen, die das wichtige Thema der Diskriminierung mit Kindern ansprechen möchten. Die Autorinnen ...

Das Sachbuch "Mit Kindern über Diskriminierungen sprechen" ist eine wertvolle Ressource für alle erziehenden Menschen, die das wichtige Thema der Diskriminierung mit Kindern ansprechen möchten. Die Autorinnen bieten gemeinsam mit Expert:innen wie Raúl Krauthausen und Melodie Michelberger praktische Ratschläge und Strategien, um Kinder und Jugendliche für Vorurteile, Abwertung und Ausgrenzung zu sensibilisieren und sie davor zu schützen.

Damit das Sachbuch vielfältig unterstützt, ist die Vielfalt der behandelten Diskriminierungsformen, von Gewichtsdiskriminierung über Rassismus und Antisemitismus bis hin zu Diskriminierung aufgrund von Religion oder Behinderung, ebenfalls groß. Durch diese breite Perspektive erhält man einen Überblick, wobei jedes Kapitel auch allgemeine Tipps zur Verfügung stellt. Am besten haben mir die zahlreichen Empfehlungen zu Kinder- und Jugendbüchern am Ende jedes Kapitels gefallen, die dabei unterstützen, diese schwierigen Themen auf eine altersgerechte Weise anzusprechen.

Die Erklärungen im Buch sind einführend, weshalb sie mir teilweise zu unkonkret und oberflächlich waren. Für Leserinnen und Leser mit bereits vorhandenem Wissen über Diskriminierung mag dies dazu führen, dass sie weniger Neues erfahren. Dennoch ist wichtig zu betonen, dass die niedrigschwellige Erklärung der verschiedenen Diskriminierungsformen es auch Menschen mit weniger Vorkenntnissen ermöglicht, sich dem Thema anzunähern.

Insgesamt ist "Mit Kindern über Diskriminierungen sprechen" ein wichtiger Leitfaden für erziehende Menschen. Es bleibt zu hoffen, dass viele Erziehende dieses Buch lesen und die darin enthaltenen Ratschläge und Strategien aktiv in ihrer Erziehung umsetzen, sei es zu Hause, in der Kita oder in der Schule.

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