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Veröffentlicht am 07.04.2024

Eine Stimme für Mabel

Wohin unsere Träume ziehen
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Dublin, 2021: Sheila Mooney, Podcasterin in Sachen Tales O’Crime, wird im Rahmen neuer Recherchen auf Mabel O’Lorcán aufmerksam, welche im Jahre 1921 auf der einsamen Atlantikinsel Gámor Island aufgetaucht ...

Dublin, 2021: Sheila Mooney, Podcasterin in Sachen Tales O’Crime, wird im Rahmen neuer Recherchen auf Mabel O’Lorcán aufmerksam, welche im Jahre 1921 auf der einsamen Atlantikinsel Gámor Island aufgetaucht ist und niemandem von ihrer Vergangenheit erzählt hat. Lediglich in den Nächten singt und weint sie. Voller Hoffnung auf interessante Details reist Sheila in die Grafschaft Donegal, wo sie auf sympathische 90jährige Zwillinge trifft und auf den charismatischen Schriftsteller Colin Kavanagh. Eine Achterbahn der Gefühle begleitet Sheilas Nachforschungen zur irischen Geschichte rund um den Unabhängigkeitskrieg.

Wie auch bei den bisherigen Büchern Josephine Cantrells spürt man hier vom ersten Moment an die Liebe der Autorin zu Irland und ihren Hang zur realitätsnahen Darstellung der Hintergründe ihrer Geschichten. Wunderbare Bilder, detaillierte Landschaftsbeschreibungen und ein gezielter Blick in die Gedankenwelt ihrer Figuren schaffen eine ausgezeichnete Atmosphäre, in welcher der Leser gemeinsam mit Sheila auf den Spuren Mabels wandelt. Anfangs scheint es kaum möglich, mit den wenigen Informationen weiterzukommen, bis Colin einen entscheidenden Einfall hat. Turbulent geht es zu auf dem Anwesen, auf dem Sheila ein kleines Cottage gemietet hat, aufregend und traurig wird es bei den Tagebucheinträgen von Mabel und obwohl die Vergangenheit nicht neu geschrieben werden kann, findet Cantrell einen stimmigen Abschluss für diese eindrucksvolle Erzählung.

Ein Stück irischer Geschichte wird wieder lebendig, unaufdringlich entspinnt sich eine zarte Romanze, ruhig, aber sehr gefühlvoll spielt die Autorin mit ihren Worten. Wie immer, bin ich beeindruckt vom Können, Historisches mit Unterhaltsamem zu verknüpfen und kann auch für das neueste Buch von Josephine Cantrell nur eine Leseempfehlung aussprechen!

Veröffentlicht am 04.04.2024

Bizarrer Tatort

Schatten im Glashaus
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Kit Darling ist eine emsige Haushaltshilfe und putzt über ihre Agentur in den elegantesten und teuersten Häusern am Strand von Vancouver. Eine Schwäche jedoch begleitet sie regelmäßig: sie schnüffelt in ...

Kit Darling ist eine emsige Haushaltshilfe und putzt über ihre Agentur in den elegantesten und teuersten Häusern am Strand von Vancouver. Eine Schwäche jedoch begleitet sie regelmäßig: sie schnüffelt in den Kleiderschränken ihrer Auftraggeber und durchstöbert deren Computerdateien. Ihr Freund Boon warnt davor, dass sie irgendwann vielleicht auf gefährliche Dinge stoßen könnte – und behält prompt Recht – das Leben von Kit und das des Ehepaars Rittenberg gerät in Gefahr. Sergeant Mallory Van Alst und ihr Partner Corporal Benoit Salumu werden zu einem blutigen Tatort gerufen, allerdings fehlt die Leiche. Nichts ist so, wie es anfänglich scheint bei diesem spannenden Thriller.

Sehr gut aufgebaut präsentiert sich die fesselnde Geschichte, Loreth Anne White lässt unterschiedliche Figuren zu Wort kommen, dazwischen liest man im Tagebuch der Haushaltshilfe. So erfährt der Leser nach und nach, warum die Polizei erst so spät beim „Glashaus“ eintrifft, in welchen Beziehungen die Figuren untereinander stehen und welche Geheimnisse gewahrt werden. Geschickt lenkt White die Aufmerksamkeit auf kleine Details, um die logische Auflösung des Falles zu bekräftigen, wobei der Leser natürlich auch auf falsche Fährten gelockt werden könnte. Abwechslungsreiche Szenen, ein hervorragender Schreibstil, eine nicht abstreifbare Vergangenheit – das sind nur einige der Gründe, die für dieses Buch sprechen, geniale Wendungen und Überraschungen, dazu ein Ende am Anfang – alles hält, was der Klappentext verspricht. Die Spannung beginnt bei der betagten Nachbarin und Zeugin und bleibt aufrecht bis zur letzten Seite, bis zum phantastischen Instagram-Post.

Auch diesmal wieder bin ich begeistert von Loreth Anne Whites Ideen und ihrer perfekten schriftstellerischen Umsetzung einer bewegenden Handlung, die ich so nicht erwartet habe. Ich spreche eine klare Leseempfehlung aus für Freunde guter Spannungsromane und psychologisch begründeter Thriller! Ganz klar gibt es auch für dieses Buch wieder fünf verdiente Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.04.2024

Nibelungengau

Im Schatten des Thronfolgers
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1909: Polizeiagent Johann Pospischil und sein Assistent Doktor Leopold Frisch werden nach Artstetten gerufen, da unter der Schlosskapelle von Thronfolger Erzherzog Ferdinands Landsitz ein toter Säugling ...

1909: Polizeiagent Johann Pospischil und sein Assistent Doktor Leopold Frisch werden nach Artstetten gerufen, da unter der Schlosskapelle von Thronfolger Erzherzog Ferdinands Landsitz ein toter Säugling gefunden wird. Bei den Ermittlungen im schönen Nibelungengau werden nach und nach unglaubliche Dinge offenbar, welche höchste Beamte in der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie betreffen.

Anders als bei den meisten Krimis stolpert der Leser hier nicht gleich auf der ersten Seite über eine Leiche, nein, man darf geruhsam Land und Leute kennenlernen und mit Dampflokomotiven und Telegrammen tief eintauchen in die Zeit des beginnenden 20. Jahrhunderts. Bildhaft und detailreich beschreibt Christine Neumeyer die Gegend um Schloss Artstetten, erzählt Wissenswertes über Erzherzog Ferdinand und seine Ehefrau Sophie, charakterisiert die handelnden Figuren überaus lebendig und gut vorstellbar. Es wäre schade, wenn man die beiden vorangehenden Bände rund um Pospischil und Frisch nicht kennt, nichtsdestotrotz ist fürs Verständnis der persönlichen Entwicklung der sympathischen Ermittler keinerlei Vorkenntnis notwendig. Die beiden könnten gegensätzlicher nicht sein und doch bilden sie ein hervorragendes Team mit dem eher konservativen Pospischil, dessen Menschenkenntnis unübertreffbar ist und dem jungen wissenschaftsorientierten Frisch, der gerne Automobile lenkt und an einer Heißluftballonfahrt interessiert ist. Die Handlung bietet einen gut ausgewogenen Mix aus dem Flair der Donaumonarchie, einem außergewöhnlichen Kriminalfall und privaten Details zu den Wiener Geheimagenten. Zentrale Themen sind neben Intrigen und Betrug die Rolle der Frau zur damaligen Zeit, Vergewaltigung, ungewollte Schwangerschaft und Abtreibung. Sorgfältige Recherche und ein einfühlsamer Umgang mit delikaten Problemen zeichnen diesen Kriminalroman aus, kurze Kapitel aus unterschiedlichen Blickwinkeln (stets mit übersichtlichen Orts- und Zeitangaben) fachen die Neugierde des Lesers an. Ein wenig Dialekt darf natürlich nicht fehlen, um alles recht authentisch darzustellen.

Auch Band Drei aus der Reihe der erfrischenden Schlosskrimis überzeugt in allen Belangen guter Unterhaltung: ein angenehmer, der Zeit entsprechender Schreibstil, ein charakterstarkes Ermittlerduo und die perfekt eingefangene Atmosphäre in den kleinen Ortsteilen rund um Schloss Artstetten. Mir hat´s wiederum sehr gut gefallen, ich empfehle „Im Schatten des Thronfolgers“ jedenfalls gerne weiter! 5*

Veröffentlicht am 28.03.2024

Kunst und Literatur

Kuckuckskinder (Ein Falck-Hedström-Krimi 11)
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In seiner Galerie wird der Fotokünstler Rolf Stenklo überrascht und ermordet, kurz darauf erfolgt ein Anschlag auf die Familie des Literaturnobelpreisanwärters Henning Bauer. Patrik Hedström stehen schwierige ...

In seiner Galerie wird der Fotokünstler Rolf Stenklo überrascht und ermordet, kurz darauf erfolgt ein Anschlag auf die Familie des Literaturnobelpreisanwärters Henning Bauer. Patrik Hedström stehen schwierige Ermittlungen bevor, Erica Falck sieht einen Zusammenhang mit dem Tod einer Dragqueen im Jahre 1980.

Viele Namen und verwandtschaftliche Verhältnisse verwirren den Leser anfangs vielleicht, noch dazu schwenkt die Handlung immer wieder zurück ins Jahre 1980, nichtsdestotrotz können Camilla Läckbergs flotter Schreibstil und die sich nach und nach entspinnende Handlung immer mehr Begeisterung bei mir hervorrufen. Obwohl ich als Quereinsteigerin in diese Krimireihe die Figuren noch nicht gekannt habe, sehe ich Patrik, Erica und andere Personen aus dem Ermittlerteam rasch bildhaft vor mir, kann auch den privaten Hintergründen gut folgen. In große Kapitel nach Wochentagen ist der gesamte Ablauf eingeteilt, jedes einzelne Kapitel ist jedoch geprägt von kurzen, oft wechselnden Szenen, wodurch Aufmerksamkeit gefragt ist und stets Abwechslung geboten wird. Immer wieder ergeben sich Überraschungen und unerwartete Wendungen, obwohl unauffällig ins laufende Geschehen eingeflochtene Details sehr wohl Hinweise auf mögliche Täter liefern. Die Spannung steigt stetig und fesselt den Leser von einem Ermittlungstag auf den nächsten, sodass man kaum eine Pause einlegen möchte. Auch die Auflösung lässt keine Wünsche übrig, alles ist logisch durchdacht und nachvollziehbar zu Ende gebracht.

Dies ist mein erstes Buch der Autorin Camilla Läckberg, aber bestimmt nicht mein letztes. Mein Interesse ist aufgrund des Schreibstils und der überaus gut vorstellbaren Handlung jedenfalls geweckt.

Veröffentlicht am 27.03.2024

Gefangen auf Java

Und Großvater atmete mit den Wellen
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„Ich tue, was ich tun muss, ertrage, was ich ertragen muss, und vergesse, was ich vergessen muss, um durchhalten zu können.“ (Ärztin Dr. Melrose, kindle, Pos. 1585)

1943, weitab von Heimat und Krieg sind ...

„Ich tue, was ich tun muss, ertrage, was ich ertragen muss, und vergesse, was ich vergessen muss, um durchhalten zu können.“ (Ärztin Dr. Melrose, kindle, Pos. 1585)

1943, weitab von Heimat und Krieg sind die norwegischen Brüder Konrad und Sverre im Indischen Ozean an Bord der Anitra mit 13000 Tonnen Dieselöl unterwegs. Doch als die USA Japan den Krieg erklären, sind sie plötzlich auch hier in Gefahr. Nach einem Angriff auf das Schiff verlieren sie einander aus den Augen. Was erwartet die jungen Männer in der Nähe von Java, wie geht es in den hiesigen Krankenhäusern und japanischen Gefangenenlagern zu? Nach Teklas Geschichte in „Als Großmutter im Regen tanzte“ erfahren wir nun, wie es Großvater Konrad während der Kriegsjahre ergangen ist.

Juni Bjerke setzt sich nach dem Tod ihrer Mutter Lilla mit dem Schicksal ihrer Großeltern auseinander und erzählt im vorliegenden Roman über die schrecklichen Zeiten, welche ihr Großvater Konrad durchstehen musste, aber auch von Lichtblicken und von Momenten der Zuversicht, ohne die man kaum überleben konnte. Viele Dokumente und Berichte von Zeitzeugen untermauern die Kriegsgräuel, von denen hier zu lesen ist. Auch wenn die Handlung rund um Konrad und Sverre fiktiv ist, so liegen dieser doch wahre Begebenheiten zugrunde. Trude Teige versteht es, erschütternde Szenen zu schildern, und dort, wo es nötig ist, nur auf Andeutungen zurückzugreifen, ohne dem Leser allzu brutale Details zuzumuten. Viele Bücher handeln vom Zweiten Weltkrieg in Europa, Java unter japanischer Besatzung als Schauplatz ist eher unbekannt und daher besonders fesselnd und erschütternd ob der barbarischen Zustände, welchen die Gefangenen hier ausgesetzt sind. Bei ihrer sorgfältigen Recherche stößt die Autorin aber auch auf Hilfsbereitschaft, Kameradschaft und Hoffnung, an die sich die Internierten trotz aller Widrigkeiten klammern, um eines Tages wieder einfach nur frei zu sein.

Hervorragend schafft es Trude Teige, Realität und Fiktion zu einem bewegenden Roman zu verquicken, spürbare Emotionen und lebendige Figuren ziehen den Leser von der ersten bis zur letzten Seite in ihren Bann. Bestimmt ist es extrem schmerzhaft, sich mit der Vergangenheit seiner eigenen Familie zu beschäftigen, insbesondere, wenn es so einschneidende und dramatische Zeiten betrifft wie hier bei Konrad. All das Erlebte hat ja auch immer Auswirkungen auf die jeweiligen Nachkommen. Umso mehr danke ich Trude Teige dafür, die beiden Bücher über Großmutter und Großvater verfasst zu haben und das zusammengetragene Wissen mit sehr vielen Lesern zu teilen. Mir bleibt nur, eine Empfehlung aus tiefstem Herzen auszusprechen für beide Romane, welche mich sehr berührt haben.