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Veröffentlicht am 22.06.2024

Der bisher beste Band der Reihe

Das Dorf der acht Gräber
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Der 27-jährige Tatsuya Terada fällt aus allen Wolken, als ihn eines Tages ein Anwalt kontaktiert. Er soll das Erbe seines Vaters antreten, den er nie kennengelernt hat. Doch dieses hat gleich mehrere Haken: ...

Der 27-jährige Tatsuya Terada fällt aus allen Wolken, als ihn eines Tages ein Anwalt kontaktiert. Er soll das Erbe seines Vaters antreten, den er nie kennengelernt hat. Doch dieses hat gleich mehrere Haken: Tatsuyas Vater Yozo tötete bei einem Massaker im Dorf der acht Gräber 32 Menschen und genau dorthin soll der junge Mann nun zurückkehren. Außerdem kann er sich nicht sicher sein, ob der Rest seiner Familie ihm wirklich wohlgesonnen ist oder ob nur der nächste in der Erbfolge ausgestochen werden soll. Trotz allem reist Tatsuya in das Dorf der acht Gräber und gerät in eine erneute Mordserie.

„Das Dorf der acht Gräber“ ist der dritte, in deutscher Sprache erschienene Teil der Reihe rund um Detektiv Kosuke Kindaichi des japanischen Schriftstellers Seishi Yokomizo; Übersetzerin ist übrigens die grandiose Ursula Gräfe. Bis auf den Prolog, in welchem der Autor sich selbst als Finder des Manuskripts inszeniert, auf dem der Roman basiert, wird die Handlung aus der Sicht des Protagonisten Tatsuya erzählt. Als Leser*innen finden wir uns also in derselben Situation wie er selbst wieder und wissen nicht, wem wir trauen können.

Hintergrund des Romans sind zwei größere Ereignisse: Zum einen der Tod von acht Samurais, die im Dorf mit einem geheimen Schatz Zuflucht gesucht hatten, von den Bewohner ermordet wurden und darum das Dorf verfluchten – und ihm so auch seinen Namen gaben. Die zweite Bluttat geschah durch Tatsuyas Vater Yozo, der sogar vier Mal acht Menschen tötete, was die Dorfbewohner an eine Rache der Samurais glauben lässt. Geschickt verwebt der Autor beide Ereignisse mit der Mordserie, die nun zum dritten Mal das Dorf erschüttert.

Meiner Meinung nach ist „Das Dorf der acht Gräber“ der bisher beste Band der Reihe. Ein klassischer Kriminalfall wird mit japanischer Folklore, einer Portion Abenteuer und Schatzsuche und fast schon thrillerartigen Szenen kombiniert. Die Auflösung der Morde mag ein wenig konstruiert sein, das tut dem Lesevergnügen aber keinen Abbruch. Nur unser Detektiv Kosuke Kindaichi steht bei diesem Fall sehr im Hintergrund, hat aber am Ende seinen großen Auftritt.

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Veröffentlicht am 19.06.2024

Einbildung oder Wirklichkeit?

Das Loch
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Als Asas Mann versetzt wird, beschließen die beiden, von der Großstadt aufs Land zu ziehen. Dort leben sie im Haus neben den Schwiegereltern und Asa muss aufgrund der Entfernung ihren Job aufgeben. Nun ...

Als Asas Mann versetzt wird, beschließen die beiden, von der Großstadt aufs Land zu ziehen. Dort leben sie im Haus neben den Schwiegereltern und Asa muss aufgrund der Entfernung ihren Job aufgeben. Nun verbringt sie ihre Tage allein, kommt ihren Pflichten als Hausfrau nach und hilft manchmal ihrer Schwiegermutter aus. Als sie für diese einen Botengang erledigen soll, fällt sie wortwörtlich in ein Loch. Eine Frau hilft ihr hinaus und fortan scheint alles um sie herum so seltsam und anders.

„Das Loch“ ist der zweite Roman der japanischen Autorin Hiroko Oyamada, für welchen sie mit dem renommierten Akutagawa Prize ausgezeichnet wurde. Die Übersetzung stammt von Nora Bierich, die auch Autoren wie Kenzaburō Ōe und Yukio Mishima ins Deutsche überträgt. Die Handlung erzählt Protagonistin Asa selbst, so als würde sie einer Freundin berichten, was in ihrem Leben in den letzten Wochen vorgefallen ist. Das bedeutet allerdings auch, dass wir uns auf ihre Wahrnehmung verlassen müssen und diese scheint sich nach dem Vorfall mit dem Loch zu verschieben.

Zunächst könnte der Roman als reine Sozialkritik an der Rolle der Frau in der Gesellschaft verstanden werden, für die stets die Karriere des Manns im Vordergrund stehen soll – egal, wie sich das auf das eigene Selbstwertgefühl auswirkt. Doch bald ereignen sich Szenen, die mich stark an Haruki Murakami erinnert haben. Asa begegnet einem bizarren schwarzen Tier, fällt in ein Loch, das extra für sie gegraben zu sein scheint und trifft auf den Bruder ihres Mannes, dessen Existenz ihr gegenüber noch nie jemand erwähnt hat. Auch die Natur scheint ein bedrohendes Eigenleben zu entwickeln, mit Regengüssen und Massen von Zikaden.

Irgendwann im Verlauf der Handlung verwischen die Grenzen zwischen dem, was wirklich passiert und dem, was Asa sich möglicherweise nur einbildet. Das Ende des Romans kam für mich dann sehr abrupt und lässt mich mit zahlreichen Fragen zurück, auf die es vermutlich keine klaren Antworten gibt.

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Veröffentlicht am 29.04.2024

Umfassender Einstieg in das Thema medizische Ungleichheit

Ungleich behandelt
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Diskriminierung ist ein zentrales gesellschaftliches Problem. So ist es auch nicht verwunderlich, dass diese sich auch auf die Medizin erstreckt. Inzwischen ist bekannt, dass sich Krankheiten bei Frauen ...

Diskriminierung ist ein zentrales gesellschaftliches Problem. So ist es auch nicht verwunderlich, dass diese sich auch auf die Medizin erstreckt. Inzwischen ist bekannt, dass sich Krankheiten bei Frauen und Männern unterschiedlich zeigen und eine falsche Behandlung aufgrund des Geschlechts tödlich sein kann. Doch worüber werden in der Medizin überhaupt Studien beauftragt? Wer bestimmt das? Und wer sind die Profiteure eines Gesundheitssystems, das eben nicht alle Menschen gleich behandelt?

Diese und andere Fragen beantwortet Ärztin und Aktivistin Sabina Schwachenwalde in „Ungleich behandelt“. Schwachenwalde ist Mitbegründerin des Vereins Feministische Medizin e.V. und kennt das Gesundheitssystem sowohl aus Ärztinnensicht in der Geburtshilfe, als auch aus Patientinnensicht aufgrund einer Long Covid-Erkrankung. Diese Perspektiven vereint die Autorin in ihrem Buch und liefert neben wissenschaftlichen Erkenntnissen auch eigene Erfahrungen und die von Betroffenen.

„Ungleich behandelt“ beginnt mit einer Vorbemerkung, in der die wichtigsten Begriffe und die verwendete gegenderte Sprache erklärt werden. Nach einer Einleitung folgen dann zehn umfassende Kapitel, die sich jeweils einer marginalisierten Gruppe oder einem bestimmten Thema zuwenden. Dabei zeigt die Autor
in auf, wie stark die Medizin durch das Patriarchat und letztlich das Streben nach Profit beeinflusst wird. Die Verlierer*innen sind zahlreich: Frauen, denen ihr Recht auf Selbstbestimmung abgesprochen wird, Schwarze Menschen, die systematisch ausgebeutet werden, behinderte Menschen, denen Zugang und Teilhabe verweigert wird sowie queere Menschen, die aufgrund ihrer Sexualität oder Identität diskriminiert werden.

Am Ende gibt Sabina Schwachenwalde einen Einblick in eine medizinische Utopie, in der wir uns zusammenschließen und umeinander kümmern, von denen, die vor uns gekämpft haben, lernen und unsere eigenen Privilegien und Vorurteile überprüfen. Ein umfassendes Buch zu medizinischer Ungleichheit – wer sich mit dem Thema jedoch schon beschäftigt hat, wird vieles aus den zitierten Werken bereits kennen.

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Veröffentlicht am 17.04.2024

Eine Geschichte zum Wohlfühlen

Das Mondscheincafé
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In einer Vollmondnacht kann es zufällig irgendwo in Kyoto auftauchen: das Mondscheincafé. Betrieben wird es von sprechenden Katzen und die menschlichen Gäste erhalten dort, neben einem extra für sie ausgesuchten ...

In einer Vollmondnacht kann es zufällig irgendwo in Kyoto auftauchen: das Mondscheincafé. Betrieben wird es von sprechenden Katzen und die menschlichen Gäste erhalten dort, neben einem extra für sie ausgesuchten Getränk und Dessert, auch gleich eine astrologische Lebensberatung. Da ist beispielsweise Mizuki, die früher eine erfolgreiche Drehbuchautorin war und jetzt Texte für Nebencharaktere aus Videospielen schreibt. Oder Takashi, der mit seinem Freund eine IT-Firma gegründet hat und bei dem in letzter Zeit alles zu misslingen scheint.

Die Autorin Mai Mochizuki, bisher bekannt für ihre Mangareihen „Alice in Kyoto Forest“ und „Holmes of Kyoto“ wurde durch eine Illustration der Künstlerin Chihiro Sakurada zu ihrem Roman „Das Mondscheincafé“ inspiriert. Das Motiv ist auch auf dem Cover abgebildet, was ich als eine wirklich gelungene Zusammenarbeit empfinde. Die Handlung wird in Kurzgeschichten erzählt, in denen jeweils eine oder mehrere Personen gemeinsam das mysteriöse Café besuchen. Nach und nach stellen wir fest, dass die Figuren alle miteinander verknüpft sind und ihre Leben sich gegenseitig beeinflussen.

Jede der Figuren, die mit dem Café in Berührung kommt, steht in ihrem Leben gerade an einem Scheidepunkt. Manche von ihnen knüpfen neue Beziehungen, manche stehen vor beruflichen Schwierigkeiten oder einem Neuanfang. Behutsam analysieren die Katzen mit Hilfe der Sterne, wo jede*r von ihnen steht und wie die Zukunft aussehen könnte. Das wirkt zwar etwas esoterisch, wenn man sich nicht mit Astrologie beschäftigt, aber es wird dabei auch viel über Charaktereigenschaften und Fähigkeiten der Figuren gesprochen. Diese sind manchmal etwas klischeehaft (die Schauspielerin mit Affäre, der unbeholfene IT-ler, die immer freundliche Friseurin, der schrille Stylist usw.), das mindert den Lesespaß aber kaum.

Mit dem Prolog und Epilog gibt es noch eine kleine Rahmenhandlung, die dem „Mondscheincafé“ einen Sinn und Zweck gibt, der mir wirklich sehr gut gefallen hat. Insgesamt ist es ein ruhiger Roman zum Wohlfühlen, von dem hoffentlich auch die weiteren Bände übersetzt werden.

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Veröffentlicht am 27.03.2024

Verhängnisvolle Affäre

Mein letztes Jahr der Unschuld
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Isabel Rosen hat ihr letztes Semester am Wilder College vor sich – ein Semester, in dem sich alles ändern soll. Eine Nacht mit einem Kommilitonen wird zur Gewalterfahrung, ein guter Freund begegnet ihr ...

Isabel Rosen hat ihr letztes Semester am Wilder College vor sich – ein Semester, in dem sich alles ändern soll. Eine Nacht mit einem Kommilitonen wird zur Gewalterfahrung, ein guter Freund begegnet ihr auf einmal mit Eifersucht und Ablehnung und dann übernimmt auch noch Professor Connelly als Vertretung den Kurs für Kreatives Schreiben. Er bevorzugt sie, lobt ihr schriftstellerisches Können und nach und nach kommen sie sich näher. Eine gefährliche Affäre beginnt, in deren Netz sich Isabel immer tiefer verstrickt.

„Mein letztes Jahr der Unschuld“ ist der erste Roman der Autorin Daisy Alpert Florin und wurde von pociao und Roberto de Hollanda ins Deutsche übersetzt. Erzählt wird aus der Perspektive der Protagonistin Isabel in der Ich- und Vergangenheitsform; sie blickt von einem späteren Punkt in ihrem Leben auf dieses eine Semester zurück, in dem sich für sie alles verändert hat. Dabei nimmt die Beziehung zu Connelly den meisten Raum ein, es werden aber auch viele andere Themen angesprochen.

Isabel ist Jüdin, ihr Vater betreibt einen Appetizing Store in New York, die Mutter ist nach schwerer Krankheit verstorben. Durch die Trauer, aber auch Isabels Studium am Wilder College haben sich die beiden voneinander entfernt. Ihre Freundinnen Debra und Kelsey stehen ihr zwar zur Seite, aber auch ihnen verschweigt sie die Beziehung zu Professor Connelly. Bei ihm fühlt Isabel sich erwachsen und ernst genommen und schließlich ist ihre Affäre doch einvernehmlich und die Machtverhältnisse ausgeglichen, oder etwa nicht?

Als sich am College ein bekanntes Professorenehepaar trennt, erlebt Isabel aus erster Hand mit, wie eine vordergründig glückliche Beziehung mit Kind in einen wahren Krieg ausartet. Connelly solidarisiert sich mit dem Vater, einem alten Freund und Isabel muss sich fragen, welchen Preis sie für diese Affäre zu zahlen bereit ist. „Mein letztes Jahr der Unschuld“ ist ein erschreckender Roman über eine junge Frau in einer abhängigen Beziehung, deren Leben sich innerhalb weniger Monate für immer verändert und sie den unschuldigen, vertrauensvollen Blick auf die Zukunft verlieren lässt.

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