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Veröffentlicht am 19.04.2020

Trauer, Sprachlosigkeit und ein tanzender Panda

Pandatage
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Danny Maloony hat mit seinen gerade mal 28 Jahren schon jede Menge Schicksal zu bewältigen. Während mancher seiner Altersgenossen noch in ausgedehnter Jugendphase steckt, ein Gap-Year einlegt, alles mögliche ...

Danny Maloony hat mit seinen gerade mal 28 Jahren schon jede Menge Schicksal zu bewältigen. Während mancher seiner Altersgenossen noch in ausgedehnter Jugendphase steckt, ein Gap-Year einlegt, alles mögliche ausprobiert, um sich selbst zu verwirklichen und Träumen nachzujagen, hat der Held von James Gould-Bourns Buch "Pandatage" gar keine Zeit zum Träumen: Der Hilfsarbeiter auf dem Bau ist alleinerziehender Vater seit dem Unfalltod seiner Frau. Will, der zwölfjährige Sohn, der bei dem Unfall schwer verletzt wurde, hat seitdem kein Wort gesprochen.

In dieser Situation wäre Danny auch schon überfordert, wenn er sich nicht mit Mietschulden und einem rabiaten Hausbesitzer herumplagen müsste. Wenn er nicht obendrein seinen Job verloren hätte und seine finanziellen Sorgen dadurch noch weiter anwachsen. Denn ungelernte Arbeiter wie Danny sind auf dem Arbeitsmarkt nicht wirklich gefragt, wie er bei seiner verzweifelten Suche feststellen muss.

Eher zufällig und ohne einen wirklichen Plan startet Danny in eine neue Laufbahn als Straßenkünstler im Pandakostüm - es war, abgesehen von einer Nazi-Uniform und einem Boris Johnson-Outfit das billigste, was der Kostümladen zu bieten hatte. Der Anfang ist schwer: Danny wird von anderen Straßrnkünstlern bestohlen, von Kindern gedemütigt und verdient nicht einmal genug für den Bus nach Hause.

Doch während die Existenznöte andauern, erweist sich das Pandakostüm als Segen, als Danny eines Tages Zeuge wird, wie zwei ältere Jungen seinen Sohn misshandeln. Der "Panda" verjagt sie - und Will, der sich bei dem Straßenkünstler bedankt, spricht sein erstes Wort seit mehr als einem Jahr. Danny hofft, dass dies ein Durchbruch sein könnte. Doch Will schweigt zu Hause genauso wie in der Schule. Doch die Sprachlosigkeit ist nicht nur Ausdruck von Trauer und Trauma - Danny weiß im Grunde kaum etwas über seinen Sohn. Der vertraut sich nur dem stummen Panda an, der seine Antworten auf einen Notizblock schreibt. Können Vater und Sohn doch noch zueinander finden ?

Auf der Suche nach einem Ausweg aus seinem finanziellen Dilemma sind Dannys einzige Verbündete sein ukrainischer Kumpel Ivan und die Stangentänzerin Krystal, die Danny zwar seit der ersten Begegnung verhöhnt, sich dann aber trotzdem breit schlagen lässt, ihm das Tanzen beizubringen.

"Pandatage" ist eine tragikomische Geschichte, die sich in einem Rutsch lesen lässt und trotz ernster Themen nicht allzu viel Tiefgang hat. Die Charaktere sind eher einfach gestrickt nach einem schwarz-weiß-Schema, der Ausgang irgendwie unausweichlich. Anrührender Schmökerstoff für Tage, an denen keine allzu schwere Lesekost gefragt ist und dessen Fernsehverfilmung vermutlich nur eine Frage der Zeit ist.

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Veröffentlicht am 07.01.2020

Interessante Idee, Schwächen bei der Umsetzung

Miroloi
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Eigentlich passt "Miroloi", der Debütroman von Karen Köhler, gut in die Zeit der #MeToo-Debatten und -Bücher. Schließlich geht es ja auch der Ich-Erzählerin um Freiheit, um Emanzipation, um das sich Herauslösen ...

Eigentlich passt "Miroloi", der Debütroman von Karen Köhler, gut in die Zeit der #MeToo-Debatten und -Bücher. Schließlich geht es ja auch der Ich-Erzählerin um Freiheit, um Emanzipation, um das sich Herauslösen aus traditionellem Rollenverständnis. Ein bißchen märchenhaft mutet das Buch an, geschrieben in Strophen, nicht in Kapiteln, ganz so wie einst die Lieder der Ilias. Und an Griechenland erinnert auch die Beschreibung der Insel, auf der die Erzählerin lebt, mit ihren Häusern in Weiß und Blau, mit den Olivenbäumen, den Hirten, den Frauen in Schwarz.

Doch zugleich ist es eine ganz und gar archaische Welt. Gäbe es nicht Flugzeuge, die ihre Kondensstreifen am Himmel hinterlassen, die Schiffe des Händlers, die moderne Errungenschauften auf die Insel brachten, die Debatten mit dem Regierungsbeamten über einen Stromanschluss - das Geschehen im Dorf auf der Insel könnte auch in einer Jahrhunderte zurück liegenden Zeit spielen.

Die Erzählerin, als Findelkind vom Bethaus-Vater großgezogen, ist eine Außenseiterin in dieser Dorfgemeinschaft, in der jeder seinen Platz, seinen Stammesnamen, seinen Anker hat. Sie hat noch nicht einmal einen Namen. Aber sie stellt Fragen - erst sich, dann auch dem Bethausvater, ihrer mütterlichen Freundin, Fragen nach ihrer Herkunft, aber auch nach dem Sinn der strengen Regeln, der Trennung der Welt der Männer und der Frauen. Frauen dürfen nicht lesen und schreiben lernen - Männer dürften nicht singen oder kochen. Niemand darf die Insel verlassen, es gibt drakonische Strafen gegen Regelverstöße, selbst die Zahl der Kinder, die ein Paar haben darf, ist in dieser patriarchalisch-archaischen Gesellschaft reglementiert.

Das erinnert an "Den Report der Magd" oder "Die Zeuginnen", erinnert an "Vox", und auch die Erzählerin wagt das Aufbegehren, lernt lesen, findet eine verbotene Liebe. Doch der Weg zur eigenen Stärke gerät irgendwie allzu gefällig. Das Emanzipationslied ist schnell und leicht lesbar, lässt aber Tiefe und wirkliche Einsichten in die Frau vermissen, die sich selbst Alina nennt. Gegen alle Wahrscheinlichkeit hat sie schon immer reflektiert, durchlebt deshalb auch in ihren Strophen keine echte charakterliche Entwicklung, sondern erlernt nur neue Fähigkeiten. Die Gesellschaft um sie herum, die übrigen Dorfbewohner, bleiben merkwürdig vage und auch die Sprache wirkt mitunter schablonenhaft. Eigentlich schade, denn ich hätte mir eine überzeugendere Erzählung von Freiheitsstreben und Empowerment gewünscht.

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Veröffentlicht am 22.12.2018

Schweden-Krimi zu Gewalt gegen Frauen

Flucht in die Schären
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Mina ist jung, blond und hübsch, hat einen kleinen Sohn und lebt in einem schönen Haus in einer Villengegend. Doch das Leben der jungen Frau ist alles andere als unkompliziert. Ihr Mann Andreis ist nicht ...

Mina ist jung, blond und hübsch, hat einen kleinen Sohn und lebt in einem schönen Haus in einer Villengegend. Doch das Leben der jungen Frau ist alles andere als unkompliziert. Ihr Mann Andreis ist nicht nur in Drogengeschäfte verwickelt, denen er seinen beträchtlichen Wohlstand verdankt, er schlägt bei jeder Gelegenheit brutal zu. Doch Mina glaubt den Versprechungen, dass er sie liebe und diesmal bestimmt zum letzten Mal zugeschlagen habe. Allen Beschwörungen ihrer besorgten Eltern zum Trotz hält sie zu Andreis.

Doch als Mina wieder einmal krankenhausreif geprügelt wurde und womöglich nur dank eines anonymen Anrufs beim Rettungsdienst den neuen Angriff des gewalttätigen Ehemanns überlebte, lässt Staatsanwältin Nora Linde nicht locker. Die Leiterin der Behörde gegen Wirtschaftskriminalität plant eine Anklage gegen Andreis – wegen Steuerhinterziehung, nicht wegen der nicht nachweisbaren Drogengeschäfte. Sie hofft, dass Mina endlich gegen ihren Mann aussagt und somit die Chancen für eine längere Haftstrafe steigen. Zusammen mit der Polizistin Leila gelingt es ihr, Minas Vertrauen zu gewinnen und sie in einem Haus für misshandelte Frauen auf einer Schäreninsel unterzubringen.

Andreis allerdings denkt gar nicht daran, Mina und seinen Sohn einfach aufzugeben. Er setzt alles daran, Minas Aufenthaltsort ausfindig zu machen, nachdem ihm seine brillante und skrupellose Verteidigerin eine zügige Entlassung aus der Untersuchungshaft ermöglicht hat. Per Handy und SMS terrorisiert er seine Frau auch weiterhin, schreckt vor nichts zurück, um seine Frau zu finden. Für den Mann, der als Kind mit seiner Familie aus dem bosnischen Bürgerkrieg geflohen ist, sind Frau und Kind persönliches Eigentum. Mina mit aller Gewalt zurück zu holen, ist für ihn auch eine Frage der Ehre.

Mit „Flucht in die Schären“ hat Viveca Sten einen spannenden Krimi in bester Schwedentradition geschrieben – gesellschaftliche Probleme sind Teil des Plots, ob es sich nun um traumatisierte Migranten handelt, deren Integration in die schwedische Gesellschaft nicht wirklich vorangetrieben worden ist, archaische Ehrbegriffe, Gewalt gegen Frauen, aber auch das Außenstehenden unlogisch und unverständlich erscheinende Verhalten der Gewaltopfer.

Auch Mina verschließt lange Zeit die Augen davor, wie gefährlich Andreis ist. Selbst im Frauenhaus bricht sie den Kontakt nicht wirklich ab, idealisiert die Vergangenheit und kehrt, allen Gefahren zum Trotz sogar noch einmal in die heimische Villa zurück, damit ihr kleiner Sohn nicht in einem geborgten Kinderwagen von schlechterer Qualität liegen muss und sie ihre eigene schöne Unterwäsche tragen kann.

Mädchen, bist du denn völlig meschugge? das möchte ich Mina als zunehmend gereizte Leserin angesichts dieses Verhaltens am liebsten zurufen. Was es erfordert, erfolgreich unterzutauchen, kapiert sie bis zum Schluss nicht – ein möglicherweise realistischer aber auch ziemlich nerviger Zug.

Kein Wunder also, dass auch Nora, Leila und der Polizist Thomas beim Schutz Minas gelegentlich überfordert sind – zumal ihnen auch noch das Privatleben, Kinderbetreuung und Partnerschaftsprobleme einiges abverlangen. In Rückblicken auf Andreis´ Kindheit in Bosnien wird zudem klarer, warum der Mann so geworden ist, wie er ist.

Spannend, stellenweise düster und ohne Illusionen, aber immerhin mit einer hoffnungsvollen Perspektive auf privater Ebene.

Veröffentlicht am 29.03.2024

Tödliche Influencer-Party

Die Auszeit
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Der Klappentext von "Die Auszeit" von Emily Rudolf klingt atemlos: "Faszinierende Figuren, überraschende Twists und soghafte Atmosphäre: Der packende Thriller von Emily Rudolf führt uns in einem unaufhaltsamen ...

Der Klappentext von "Die Auszeit" von Emily Rudolf klingt atemlos: "Faszinierende Figuren, überraschende Twists und soghafte Atmosphäre: Der packende Thriller von Emily Rudolf führt uns in einem unaufhaltsamen Countdown bis zum Mord und seiner Aufklärung." Wird das Buch dem Hype gerecht?

Meine Meinung: Mehr Schein als Sein, nicht nur in der Influencer-Welt von Victoria, die mit ihrer Clique ein langes Wochenende in einem exklusiven Resort in den Alpen verbringt, um den millionsten Follower ihres social Media Profils zu feiern. Dann aber gibt es nicht nur ein Unwetter, das die Gruppe ohne Strom und Handy-Empfang lässt, es gibt auch eine Leiche. Jeder hat Geheimnisse, eigennützige Motive und mehr oder weniger schmutzige kleine Geheimnisse. Auch das Personal des Retreats ist nicht über jeden Verdacht erhaben.

Mit wechselnden Erzählperspektiven und Zeitsprüngen erzählt Rudolf Episoden countdownmäßig bis zum Mord oder vielmehr der Entdeckung der Leiche und der Suche nach Aufklärung beziehungsweise dem Versuch der Hauptverdächtigen, ihre Unschuld zu beweisen. Unterdessen brechen unterdrückte Konflikte ebenso aus wie allgemeine Paranoia.

Vielleicht ist dieses Buch ja eher für Leser*innen der Gen Z geschrieben. Mir geht der daueraufgeregte beziehungsweise selbstverliebte Ton der eingestreuten social media posts auf die Nerven. Die Charaktere sind mir allesamt unsympathisch - was an sich kein Problem sein muss, es gibt schließlich faszinierende Schurkenfiguren in Literatur oder Film. I love to hate them. Aber Victoria und ihre Clique sind so glatt, oberflächlich und nichtssagend wie der ganze Influencer Hype, jedenfalls für mich.

Das Buch hat durchaus spannende Momente und Rudolf schafft es, das zunehmende gegenseitige Misstrauen glaubhaft zu schildern, aber insgesamt war es einfach nicht meins. Ganz bestimmt wird es seine Fans haben, aber mit etwas komplexeren und weniger vorhersehbaren Figuren hätte es mir besser gefallen.

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Veröffentlicht am 01.03.2024

Zwei Küchenchefs als Ermittler

Ein Häppchen Mord
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Sie betreiben Restaurants auf gegenüberliebenden Straßenseiten, doch da erschöpft sich zunächst schon die Ähnlichkeit zwischen der arbeitsbersessenen Engländerin Camilla und Peppino, der im elterlichen ...

Sie betreiben Restaurants auf gegenüberliebenden Straßenseiten, doch da erschöpft sich zunächst schon die Ähnlichkeit zwischen der arbeitsbersessenen Engländerin Camilla und Peppino, der im elterlichen Restaurant gegenüber in der Küche das Sagen hat, nachdem er wegen der Demenzerkrankung seines Vaters seinen Job als Kriminalkommissar ruhen lässt. La Famiglia geht schließlich vor. Doch während das italienische Familienlokal in der Nachbarschaft alteingesessener Treffpunkt ist, will sich Camilla mit veganer Küche einen Stern erkochen.

Zunächst einmal sind sich die Nachbarn in Tim Bergers Cozy-Krimi "Ein Häppchen Mord" nicht sonderlich gewogen, führen sogar eine Art Salsicchia-Komnkurrenzkampf gegeneinander - einmal mit der veganen Variante, einmal klassisch mit Speck und Fleisch. Bis dann eben beide einen toten Restaurantgast zu beklagen haben beschließen, gemeinsam zu ermitteln, mit durchaus unorthodoxen Methoden und Verbündeten aus der Unterwelt.

Der Betreiber einer ums Überleben kämpfenden Wurtsmanufaktur, ein boxender Schlachter, ein vegetarischer Metzger-Azubi ergänzen das Personal dieses Romans, der leider allzu konstruiert daher kommt. Irgendwie ist alles recht voraussehbar, bedient Stereotype und lässt damit letztlich an Originaliät und Überraschungseffekten fehlen. "Ein Häppchen Mord" ist ganz nett, aber mehr auch nicht.