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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.10.2024

Gute Unterhaltung, bei der man’s nicht zu genau nehmen sollte

The Games Gods Play – Schattenverführt
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Innerhalb kürzester Lesezeit begegnen sich die Sterbliche Lyra und der Gott Hades und es ist klar, da funkt was zwischen den beiden. Der große Stellvertreter-Wettkampf der olympischen Götter, das sogenannte ...

Innerhalb kürzester Lesezeit begegnen sich die Sterbliche Lyra und der Gott Hades und es ist klar, da funkt was zwischen den beiden. Der große Stellvertreter-Wettkampf der olympischen Götter, das sogenannte Crucible, steht an und Hades wählt Lyra als seine Championesse. Für welche Ziele kämpfen Lyra und Hades und die anderen Götter und Champions bei diesem Spektakel? Die Krone als König der Götter, das nackte Überleben oder ist da Raum für mehr?

Abigail Owens Schreibstil ist gleichermaßen kurzweilig wie langatmig, die Geschichte ist immerhin knapp 700 Seiten lang, liest sich aber in der Regel flüssig und unterhaltsam. Die kurzen Kapitel mit den prägnanten Überschriften unterbrechen zur Mitte hin den Lesefluss etwas, machen den Einstieg aber auch sehr leicht. Insbesondere zu Beginn dominiert ein wunderbarer sarkastischer Humor, nicht nur in den Interaktionen zwischen Lyra und Hades. Mit der Zeit nehmen dann ernstere Töne zu. Die Sprache ist alltagsnah und Lyras Hang zu deftiger bis vulgärer Sprache wird von der Autorin mit zum Teil herrlichem Timing zur Schau gestellt. Nicht nur aufgrund der vulgären Sprache, sondern auch aufgrund der konkreten sexuellen Anziehung ist dies definitiv ein adult Romantasy. Angepriesen als „slow burn“ brennt es hier dennoch sehr schnell sehr heftig. Für mich stand eher die Sehnsucht, das Verzehren und nicht-können (oder wollen) im Vordergrund, für mich daher eher ein „forbidden love“ als ein „slow burn“, denn natürlich sind die Umstände mit Lyra als Sterblicher, Hades als Gott und dann auch noch dem Crucible gewisse Hindernisse. Der Stil erinnert an eine Mischung aus „fifty shades of grey“ und „Percy Jackson“.
Weder Hades noch Lyra scheinen eine bedeutsame charakterliche Entwicklung durchzumachen, auch wenn es sich durch die Entwicklung der Beziehung die wir Lesenden mit Lyra aufbauen oberflächlich so anfühlt.

Im Worldbuilding erfahren wir wenig über die Welt der Sterblichen, da der Großteil der Handlung in der Welt der Götter stattfindet. Die Verbindung der uns bekannten modernen Welt mit dem Fortbestand und der Fortentwicklung der griechischen Götter finde ich sehr gelungen. Die alten Erzählungen werden aufgegriffen, aber auch deutlich verändert.

Leider werden im Laufe der Erzählung sehr viele Themen auf den Tisch gebracht aber nicht konsequent behandelt. Andeutungen, die ins Nichts führen, zumindest in diesem ersten Band, und ungenaue Schilderungen von Ereignissen, die Fragen aufwerfen. Ich habe den Eindruck, man darf es alles nicht so genau nehmen, sonst hängt sich die Erzählung an diesen Mängeln auf. Die manchmal künstlich gepushte Spannung geht dann vor allem am Ende auf Kosten eines adäquaten Erzähltempo, vielleicht fehlte der Autorin der Mut an der richtigen Stelle aufzuhören und den Epilog wegzulassen.

Wer’s gern hot und spicy mag und darauf auch den Fokus legt, bekommt das hier vor dem Hintergrund einer spannenden aber etwas oberflächlichen Fantasy geboten.

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Veröffentlicht am 03.06.2024

authentisch, lyrisch, gewaltig

Beat vor der Eins
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In „beat vor der eins“ lernen wir die Jugendliche Ina kennen, sie schreibt aus der Ich-Perspektive kurze Tagebucheinträge aus denen das Buch besteht.

Der sprachliche Stil ist so authentisch, dass es ...

In „beat vor der eins“ lernen wir die Jugendliche Ina kennen, sie schreibt aus der Ich-Perspektive kurze Tagebucheinträge aus denen das Buch besteht.

Der sprachliche Stil ist so authentisch, dass es mich umhaut. Genau so habe ich meine lyrische Prosa geschrieben als ich so 15 oder 16 war. Nicht alle Themen des Buches waren meine, hier werden wirklich sämtliche klassischen Jugendthemen abgedeckt, Liebe, Sex, Körper(unzufriedenheit), Schule, Eltern... Aber vielleicht fehlt grade angesichts dieser Fülle und Authentizität etwas, was es besser verdaulich macht und für uns Lesende ein wenig aufbereitet. Die volle Wucht dieses Buches ist sowohl seine besondere Stärke als auch seine Schwäche.

Es passiert gleichzeitig zu viel und zu wenig, etwas mehr Rahmen und Handlung wären vielleicht gut gewesen oder auch einfach ein paar mehr Seiten um tiefer einzusteigen. Das Ende kommt doch etwas abrupt und offen. Andererseits passt das genau zum Inhalt und Stil des Buches.

Die anderen Charaktere kommen alle nur Schemenhaft hervor, in ihren aktuellen Handlungen und ihrer Relevanz jeweils für Ina. Auch Ina selber bleibt irgendwie ungreifbar, wie ein Prototyp-weiblicher-Teenager in den sich alles und nichts reinprojizieren lässt. Deutlich wird hauptsächlich ihre Zerrissenheit, das Suchen, das sich-verlieren des Alters in dem sie ist.

Dieses Buch zu bewerten fällt mir entsprechend schwer, ich empfand es als dicht und das Lesen als emotional und anstrengend und dabei eben auch sehr bereichernd. Die Themen des Buches wirken aufgrund der gewählten Erzählweise darüber hinaus, wie ein überschwappendes Gefäß oder ein Kissen, was aus der Vakuumverpackung herausgenommen wird. Diesen Effekt zu erschaffen bedarf einigem an schreiberisch-erzählerischem Können.

Wer überlegt dieses Buch zu lesen sollte unbedingt die content note zu sexueller Übergriffigkeit beachten!

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Veröffentlicht am 25.04.2024

eine ruhige, fein erzählte tiefgründige Geschichte

Zuckerbrot
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Ich mag die Unaufgeregtheit mit der wir in „Zuckerbrot“ Pin und ihre Familie kennenlernen. Pin, aus deren Sicht der Großteil der Geschichte erzählt wird, merkt die Untiefen der Familiengeschichte an ihren ...

Ich mag die Unaufgeregtheit mit der wir in „Zuckerbrot“ Pin und ihre Familie kennenlernen. Pin, aus deren Sicht der Großteil der Geschichte erzählt wird, merkt die Untiefen der Familiengeschichte an ihren klugen Beobachtungen der Gegenwart. Die Beschreibungen von Jinis Kochkünsten und Pins Interpretation der Gefühle ihrer Mutter über diese sind berührend. Im Verlauf der Geschichte werden langsam aus Andeutungen und Ahnungen Wissen. In beständigem Erzähltempo und mit Beschreibungen Singapurs die eindrücklich und zugänglich sind, folgen wir Pin zur Schule, in den Sikh-Tempel und auf den Platz zum Fußballspielen. Jeder der Charaktere ist mir schnell ans Herz gewachsen, nicht zuletzt weil Pins Liebe für ihre Familie aus den Beschreibungen spricht. Gleichzeitig ist da die Vorsicht, das auf Eierschalen laufen, die Abgründe, die die Charaktere auch haben. Langsam, wie Perlen in einem Wasserglas, brechen Konflikte auf, zeitweise hatte ich den Eindruck drückender Luft bei einem Sommergewitter. Meisterhaft vermittelt die Autorin diese Stimmungen und die sanften Entwicklungen. Es ist eine Familiengeschichte, ein Gesellschaftsroman und auch einfach eine berührende Coming-of-age Geschichte in der die verschiedenen Themen immer wieder die verschiedenen Ebenen berühren, insbesondere das Thema Religion. „Zuckerbrot“ liest sich gut, im Anhang gibt es noch ein Glossar zu kulturellen oder singlischen Begriffen, ich musste nie nachschlagen um dem Text folgen zu können, mochte diese Einblicke aber trotzdem.

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Veröffentlicht am 17.04.2024

Poetisch, drückend: Portrait der Odile Ozanne

Das andere Tal
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„Das andere Tal“ folgt in der Erzählung dem Leben von Odile, zu Beginn des Romans 16 Jahre alt. Das Besondere: Gleichzeitig existieren in den Tälern nach Ost und West jeweils 20 Jahre zeitversetzt Odile ...

„Das andere Tal“ folgt in der Erzählung dem Leben von Odile, zu Beginn des Romans 16 Jahre alt. Das Besondere: Gleichzeitig existieren in den Tälern nach Ost und West jeweils 20 Jahre zeitversetzt Odile und die anderen Bewohner. So kommt es, dass Odile Besucher erkennt und aufgrund der Regelungen zur Genehmigung solcher Zeitreisen absehen kann, dass einer ihrer Mitschüler wohl sterben wird. Damit muss Odile umgehen.

Dieses Buch hat mich schnell in seinen Bann gezogen, es ist wie ein düsteres Loch, das mich verschluckt hat. Die Zeitreisemöglichkeit, die erstmal wie süße Freiheit klingt, wird stark reglementiert, die (räumliche) Existenz und Anwesenheit von Zukunft und Vergangenheit wird zwar auch zum reizvollen Gedankenspiel, hauptsächlich aber zur drückenden Last. So sind die Themen des Romans Fragen zu Freiheit, Vorherbestimmung und dem Umgang mit einer Gegenwart die doch nicht so ganz gegenwärtig sein will. Hin und wieder tauschen sich auch die Charaktere über die philosophischen Fragen aus, viel mit Explizitem oder gar mit festen Antworten dient das Buch aber nicht.

Odile ist eine Hauptperson, die mich stark mitgezogen hat, so wie sie sich mitziehen ließ. Bei mir kam selten der Frust mit ihr hoch, ich fand es eher tröstlich ihre fortlaufende Existenz mitzuerleben. Wer sich nach Action sehnt wird das womöglich ganz anders sehen. Die wenigen wirklich wichtigen Charaktere sind alle interessant, viele Entwicklungen bleiben angedeutet, trotzdem findet sich eine überzeugende Tiefe.
Dieses Buch besticht mit einer durchweg poetische Sprache, bei der immer wieder ganze Sätze oder Satzteile hängen bleiben und nachhallen. Sie trägt die Stimmung und macht das größtenteils langsame Tempo der Handlung gewinnbringend. Trotz seiner diesbezüglichen Anlagen bleibt mir dieses Buch nicht als Logikrätzel, sondern als Biografie, als Portrait von Odile, in Erinnerung.

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Veröffentlicht am 01.04.2024

eine wertvolle Leseerfahrung

Babel
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Ich habe meine Zeit gebraucht um mit "Babel" warm zu werden. Ich fühlte mich etwas allein gelassen und verloren in der Erzählung. Ich würde die ersten Hälfte nicht gerade als fast-paced beschreiben, wie ...

Ich habe meine Zeit gebraucht um mit "Babel" warm zu werden. Ich fühlte mich etwas allein gelassen und verloren in der Erzählung. Ich würde die ersten Hälfte nicht gerade als fast-paced beschreiben, wie bei einem guten Tee nimmt Kuang sich die Zeit die Erzählung ziehen und die Nuancen entfalten zu lassen. Nichts passiert ohne Sinn, aber tiefgreifendes Verständnis ist nicht bei jedem erzählerischen Schlenker notwendig um der Handlung zu folgen. Vielmehr gibt es unzählige kleine "Landschaftsschwenks" oder Griffe ins Bonbonglas, die je nach geschichtlicher, linguistischer oder theologischer Vorbildung und Vorliebe mal mehr mal weniger vom Lesenden gewertschätzt werden können und die Haupthandlung stilvoll unterstreichen. Ich persönlich kann kein Französisch und habe an diesen Punkten die eingestreuten Feinheiten nicht wertschätzen können, dafür war ich begeistert wie viel Tiefgang mir schon meine rudimentären Mandarin Kenntnisse in diesem Buch geschenkt haben.

Nach der Hälfte etwa aber, da geht die Erzählung ab wie eine Lawine. Es lohnt sich durchzuhalten, wenn eins den erzählerischen Ansatz der ersten Hälfte eher zäh empfinden sollte. Und wer in den vielen Details und angelegten Themen in Ruhe geschwelgt hat muss vielleicht auch mit der Härte, der Konsequenz konfrontiert werden. So oder so, das Erzähltempo ändert sich und ich halte das für eine wertvolle Entscheidung von Kuang.

Mir fehlen am Anfang ein paar Alltagsinteraktionen unserer vier Hauptpersonen, Robins Jahrgang an der Uni. Etwas mehr Ausgestaltung ihrer Freundschaft wäre schön gewesen, Szenen wie Robins und Ramys ersten Abend hätte es mehr gebraucht. So werden immer wieder Momente referenziert an denen wir als Lesende nicht unmittelbar teilhaben durften, ich fühle mich als Leser um etwas Versprochenes betrogen.

Das magische System des Silberwerkens hat mich von Anfang an begeistert. Es traf einfach alle meine persönlichen Dispositionen, war mir einleuchtend und hat mich, auch in der Beschreibung in der Geschichte, tief angerührt. Ich kann mir aber vorstellen, dass es für manche Lesende zu technisch, zu abstrakt, schlicht zu wenig Magie beinhaltend daher kam. Das Magiesystem fügt sich nahtlos in die Welt ein, Kuang schafft es, dieses auch nicht zum Widerspruch der realen Historie zu machen. Gleichzeitig bleibt das Magiesystem meiner Meinung nach dadurch hinter seinem Potential zurück und erschafft einfach keine Fantasy vibes für das ganze Buch.

Es scheint mir nicht treffend zu sagen, dass es in diesem Buch um Rassismus geht. Natürlich "geht es" um Rassismus. Unsere rassistische Welt ist Fundament von Babel. So natürlich wie diese Welt gezeichnet wird, so selbstverständlich fühlen sich die Gespräche darum im Rahmen der Erzählung an. Es fehlt schlicht dieser gewisse Aspekt von Theater spielen den die meisten Bücher, die Diskriminierungsformen thematisieren, aufweisen. Es geht eben über die Darstellung von Diskriminierung und Vorurteil hinaus, es nimmt das systemische Wirken ernst und bildet dieses ab. Daher geht es natürlich auch um Identität, um Werte und Verwertung, um Respekt, Würde und der Frage nach dem praktischen Wie von Hoffnung und Veränderung.
"Babel" ist ein gewaltiges Buch, in jeder Hinsicht. It contains multitudes, es enthält und verbindet so viele Ebenen. Und immer mit einem wachen Verstehen, nicht ein Charakter, der holzschnittartig daher kommt oder dem die Erzählweise die Würde nimmt.

Ich würde sagen, der dark academia Aspekt ist in "Babel" deutlicher als der Fantasy Aspekt. Auch Leser:innen die sonst nicht im Fantasy Genre unterwegs sind können, denke ich, gut mit diesem Buch warm werden. Wer das Buch aufgrund des „Harry Potter“ Vergleiches auf dem Einband lesen möchte oder (high) Fantasy erwartet wird enttäuscht werden. Ich habe den Eindruck, das Marketing tut dem Buch hier keinen Gefallen.

Mein persönliches Fazit ist positiv, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das Verallgemeinern möchte.

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