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Veröffentlicht am 06.04.2024

Trauer ist Liebe zu dem, den man verloren hat

Als Großmutter im Regen tanzte
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Juni kehrt ins Haus ihrer verstorbenen Großeltern auf einer kleinen norwegischen Insel nahe Kragerǿ zurück. Sie hat in den letzten Jahren nicht nur ihre geliebten Großeltern, sondern auch ihre Mutter verloren. ...

Juni kehrt ins Haus ihrer verstorbenen Großeltern auf einer kleinen norwegischen Insel nahe Kragerǿ zurück. Sie hat in den letzten Jahren nicht nur ihre geliebten Großeltern, sondern auch ihre Mutter verloren. Juni hat kurz vorher festgestellt, dass sie schwanger ist, und zu dem Zeitpunkt ist sie sich sicher, das Kind von ihrem Mann, mit dem sie gerade große Probleme hat, nicht austragen zu wollen.

Sie hat im Haus der Großeltern unbeschwerte Zeiten verbracht, hatte aber auch immer das Gefühl, Mutter und Großmutter nicht wirklich zu kennen. Vor allem gab es da die ständigen Auseinandersetzungen zwischen Großmutter und Mutter.

Das Haus bedarf einer Aufräumaktion und so macht sich Juni ans Werk. Dabei stößt sie auf alte Fotografien, die weitere Fragen aufwerfen, denn sie zeigen ihre Großmutter an der Seite eines deutschen Soldaten. Das Bild muss gegen Ende des 2. Weltkriegs aufgenommen worden sein.

Ins Nachbarhaus ist unterdessen ein junger Historiker eingezogen, der sich gerade von seiner Frau getrennt hat. Er bringt den nötigen Elan und die Neugier mit, diesen Fragen auf den Grund zu gehen.

Die Nachforschungen führen die beiden in den Osten Deutschlands und in die unmittelbare Nachkriegsgeschichte des sich gerade teilenden Landes und ich lerne von einer Norwegerin einen Teil der deutschen Geschichte kennen, der mir selbst fremd war.

Das Buch ist in verschiedenen Zeitebenen geschrieben, optisch hervorgehoben durch verschiedene Schrifttypen. Solange es um Tekla geht, wird von ihr in der 3. Person berichtet, Juni in der Gegenwart ist Ich-Erzählerin.

Trude Teiges Buch ist ein Werk, bei dem man anfängt zu recherchieren und so habe ich auf den Seiten des Deutschlandfunks, aber auch in namhaften Publikationen Aufsätze über die Zeit gefunden. Rückblicke 70 Jahre nach Kriegsende, aber auch Eingeständnisse, dass noch lange nicht alles aufgearbeitet ist, was hätte aufgearbeitet werden können. Der Hass der Norweger entzündete sich jahrzehntelang an den jungen Mädchen, die sich mit deutschen Soldaten eingelassen hatten, sie zum Teil auch geheiratet hatten und Kinder mit ihnen in die Welt gesetzt hatten. Erst 70 Jahre nach Kriegsende hat sich die norwegische Ministerpräsidentin für die Verfolgungen dieser Zeit, den Entzug der norwegischen Staatsbürgerschaft, das Scheren der Haare, die Unterbringung in Lagern und die Vertreibung aus Norwegen entschuldigt.

Ich hätte nie gedacht, dass die Norweger nach dem Krieg den Deutschen so viel Hass entgegenbrachten. Die Erinnerung mag beeinflusst sein von Willy Brandt, der dort während des Krieges Zuflucht fand. So sah ich die Norweger als mehr oder weniger neutral, jedenfalls aber nicht als so deutschfeindlich an.

Trude Teiges Buch zeigt aber auch – einmal abgesehen von den geschichtlichen Fakten – wie sehr die Vergangenheit Menschen in der Gegenwart noch prägen kann. Lilla, Junis Mutter, spürte trotz gegenteiliger Beteuerungen immer eine gewisse Ablehnung Teklas ihr gegenüber und wurde davon geprägt. Tekla wird, wann immer sie ihre Tochter sah, an Demmin zurückgedacht haben. So konnte zu dem Kind nie eine vorurteilsfreie Liebe entstehen. Obwohl Lillas Situation nur angerissen wird, scheint es mir in ihrem Fall ähnlich gewesen zu sein und nun soll Juni sich für oder gegen ein Kind entscheiden und es besteht die Gefahr, das Trauma weiter zu vererben.

Für mich war das Buch ein Exkurs in die deutsch-norwegische Geschichte, in einen unbekannten Teil deutscher Nachkriegsgeschichte unmittelbar nach Kriegsende, aber auch ein Appell für mehr Offenheit miteinander.

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Veröffentlicht am 13.03.2024

Nimm dich an, sei ganz du, liebe dich selbst!

Die Mitternachtsbibliothek
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Nora Seed lebt ihr Leben und es ist reichlich trostlos und geprägt von Entscheidungen, bei denen sie nie sicher war, ob sie denn die richtigen waren. Mittlerweile bereut sie fast jede. Als dann noch ihre ...

Nora Seed lebt ihr Leben und es ist reichlich trostlos und geprägt von Entscheidungen, bei denen sie nie sicher war, ob sie denn die richtigen waren. Mittlerweile bereut sie fast jede. Als dann noch ihre Katze stirbt und sie ihren Job verliert, beschließt sie, ihrer trostlosen Existenz ein Ende zu machen.

Aber sie landet nicht im Nichts, sondern in einer Zwischenwelt. In dieser Zwischenwelt trifft sie die Bibliothekarin wieder, die ihr in Kindertagen eine gute Freundin war und bei der sie oft Zuflucht suchte und fand. Mrs. Elm gibt ihr die Chance, versuchsweise ein ganz anderes Leben zu leben, als das, welches sie gerade hinter sich hat. In jedem Stadium ihres Lebens hätte sie auch andere Entscheidungen treffen können und ihre Weiterentwicklung wäre dann ganz anders verlaufen, mit anderen Höhe- aber auch Tiefpunkten. Ihre Auswahl ist riesengroß und mithilfe von Mrs. Elm begibt sie sich in Leben, die sie mit ihren Anlagen hätte führen können.

Es ist schon faszinierend, sich vorzustellen, dass da unendlich viele Leben parallel laufen könnten. Verweise auf die Quantenphysik und Schrödingers Katze musste ich aber erst mal nachschlagen, um zu verstehen, was damit gemeint war.

Was mich manchmal beim Lesen innehalten ließ, war die Vorstellung, da selbst in einem Leben zu landen, mit dessen Entwicklungen ich gar nicht hätte mithalten können. Ich habe jedes Mal mit Nora gezittert, wenn sie in Situationen kam, von denen ich wusste, dass ich dafür vielleicht nicht spontan genug gewesen wäre. Zunächst einmal hätte ich erwartet, dass auch ihr eigenes Ich ein anderes gewesen wäre, Nora also weniger aktiv Beteiligte sondern mehr Zuschauer ihres eigenen alternativen Lebens geworden wäre. Da die Handlung allerdings auch einen Zweck verfolgte, kam da die eigentlich enttäuschte und depressive Nora in Leben, von denen sie nicht einmal zu träumen gewagt hätte. Sie hatte es sich selbst nie zugetraut, aber sie schafft es, mit allen Situationen zurecht zu kommen. Sie kann Mutter sein, Rockstar sein, eine Medaille im Schwimmen gewonnen haben, all das bringt sie glaubhaft rüber.

Nora lernt in dieser Bibliothek unendlich viele Versionen ihrer selbst kennen und endlich auch eine, in der sie sich wohlfühlt. Aber es ist ein geliehenes Leben, nicht ihr eigenes. Eigentlich kann nur ihr eigenes Leben das Ziel sein, sie muss sie nur ihre Einstellung dazu ändern.

Und so ist auch der letzte Rat von Mrs. Elm: Gib jetzt bloß nicht auf, Nora Seed!

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Veröffentlicht am 08.03.2024

Selbstverwirklichung und Liebe - beides geht auch zusammen

Sturmjahre
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„Die Melodie der Freiheit“ ist der dritte Band aus der Reihe „Sturmjahre“ und spielt in dem fiktiven Dörfchen Foxgirth in der Nähe von Edinburgh. Es geht um die Familie Dennon mit ihren erwachsenen Kindern. ...

„Die Melodie der Freiheit“ ist der dritte Band aus der Reihe „Sturmjahre“ und spielt in dem fiktiven Dörfchen Foxgirth in der Nähe von Edinburgh. Es geht um die Familie Dennon mit ihren erwachsenen Kindern. Jedem der Söhne und Töchter wird ein Band gewidmet und ein Teil ihres Lebens geschildert.

In diesem Band geht es um Keillan, der kürzlich aus dem 1. Weltkrieg in Frankreich und Flandern heimgekehrt ist. Trotz körperlicher Unversehrtheit plagen ihn die Erinnerungen und Verluste, die er in dieser Zeit hinnehmen musste. Unerwartet lernt er Isabella Mac Conallta kennen, die Tochter des mächtigen Bosses der Edinburgher Unterwelt. Sie ist auf der Flucht vor ihrer Familie, denn sie soll an einen Viscount zwangsverheiratet werden. Sie ist eine sehr freiheitsliebende junge Dame, die gerne etwas Sinnvolles aus ihrem Leben machen würde. Keillan gibt ihr sein Ehrenwort, ihr zu helfen und sie in Sicherheit zu bringen.

Ein Ehrenwort hatte unter Soldaten und Anfang des 20. Jh. noch einen ganz anderen Stellenwert als das heute der Fall wäre. Und Keillan ist ein äußerst korrekter junger Mann, der sich aber natürlich dem Reiz von Isabella nicht entziehen kann. In der Einsamkeit eines Bauernhofes weit weg von Edinburgh kommen sie sich allmählich näher und Isabella lernt viel von ihm und seiner Familie. Vor allem, wie man mit dem mit krummen Geschäften erworbenen Geld doch noch etwas Gutes tun kann.

Das Buch ist fesselnd geschrieben und die Beschreibungen von der Farm „Whispering Acre“ sind so, dass man am liebsten gleich dorthin aufbrechen möchte. Die Autorin versteht es, die Spannung aufrecht zu halten, sie driftet nicht ab ins Schwülstige, ihre Charaktere sind glaubhaft dargestellt. Und ganz oft kann man sich auch ein Lachen nicht verkneifen, wenn z. B. Isabellas erste Versuche in der Hausarbeit beschrieben werden.

Es hat Spaß gemacht, das Buch zu lesen und ich kann es gerne empfehlen.

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Veröffentlicht am 07.03.2024

Was bedeutet Familie?

Schwestern in einem anderen Leben
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Christiane Wünsche hat mit „Schwestern in einem anderen Leben“ ein nachdenkliches Buch geschrieben. Kurz und sehr oberflächlich zusammengefasst geht es um eine Jugendliche, die in einem frühen Stadium ...

Christiane Wünsche hat mit „Schwestern in einem anderen Leben“ ein nachdenkliches Buch geschrieben. Kurz und sehr oberflächlich zusammengefasst geht es um eine Jugendliche, die in einem frühen Stadium der Schwangerschaft eines Nachts aus ihrem Elternhaus verschwindet und für Jahrzehnte verschwunden bleibt. Wie geht die Familie damit um? Spricht man darüber? Hat man Schuldgefühle, macht sich deshalb jemand Vorwürfe? Wie fühlt sich die Betreffende selbst dabei, hat sie Heimweh? Gelingt es ihr, in einer zweiten Persönlichkeit heimisch zu werden? Wie entwickelt sich nach einer solchen Katastrophe das Verhältnis zu den Nachbarn und Freunden?

Alle diese Fragen werden anhand der Geschichte von Rebekka aufgeworfen und müssen sehr differenziert beantwortet werden, denn jeder reagiert anders.

Die Handlung beginnt in den 70er Jahren, als Moral noch einen ganz anderen Stellenwert hatte. Die Elterngeneration ist von Religion und strengen moralischen Maßstäben geprägt und will diese auch an die nächste Generation weitergeben. Doch es gab nicht umsonst eine 68er Revolte. Die Jungen wollten Freiheit und oft genug schlug das ins andere Extrem um. Ihre Rebellion zeigte sich in der Kleidung, an langen Haaren der Jungs, an radikalen politischen Ideen, am musikalischen Geschmack und in der freien Liebe, die damals aber noch oft auch Folgen haben konnte.

Wir folgen Rebekka und Personen ihrer Familie über fast 50 Jahre hinweg. Rebekka/ Rosi hat die Lebensdaten einer früheren Freundin ihrer Schwester, die nach Kanada ausgewandert war, übernommen und hat die Extreme ihrer Generation kennengelernt, zunächst in einer Kommune, später im Zusammenleben mit einem Punk. Sie hat schon auf einem Biohof gearbeitet, als das für die Mehrheit der Bevölkerung noch kaum ein Thema war. Als ihr Leben durch die Ehe mit einem Anwalt in ruhigere Bahnen eintritt, denkt sie auch immer öfter an ihr ursprüngliches Zuhause.

Miriam, Rebekkas jüngere Schwester, war 10, als die Ältere verschwand. Sie ist diejenige, die davon überzeugt ist, dass Rebekka noch lebt und sie versucht auch in den folgenden Jahrzehnten, das zu beweisen.
Ruth ist diejenige, die sich die meisten Vorwürfe macht. Sie hatte Rebekkas Schwangerschaft an die Eltern verraten und sie in die Situation gebracht, aus der sie dann keinen anderen Ausweg mehr sah, als die Flucht. Sie reagiert mit starken psychischen Problemen, zunächst in Form von Bulimie, später durch starke Medikamenteneinnahme und eine Veränderung ihrer Persönlichkeit. Sie entscheidet sich für ein Leben in einem Heim, wo sie sich behütet fühlt.

Mutter Hilde kann erst loslassen, als in den Niederlanden die Leiche einer jungen Frau mit den äußeren Merkmalen ihrer Tochter gefunden wird. Sie ist der festen Überzeugung, dass es sich dabei um Rebekka handelt. Mit einem Grab, das sie aufsuchen kann, geht es ihr besser.

Vater Rainer hingegen frisst zuhause alles in sich hinein. Nach außen hin engagiert er sich weiterhin in der Kirchengemeinde und im Schützenverein und gibt sich jovial, zuhause weist er alle Schuld seiner Frau zu. Das verschärft sich noch nach einem Schlaganfall.

Gezeigt wird, wie sehr das Leben von einem solchen Ereignis geprägt werden kann, sei es das Leben der Geflüchteten oder das Leben der Hinterbliebenen.


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Veröffentlicht am 29.02.2024

Nicht nur ein Krimi sondern auch eine Auseinandersetzung mit dem Altern

Der Donnerstagsmordclub oder Ein Teufel stirbt immer zuletzt (Die Mordclub-Serie 4)
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Joanna, Joyces Tochter, hatte ihrer Mutter zu Weihnachten eine Thermoskanne mit dem Aufdruck "Auf ein Jahr ohne Morde" geschenkt, doch schon Tage später wird ein Bekannter des Donnerstagsmordclubs, der ...

Joanna, Joyces Tochter, hatte ihrer Mutter zu Weihnachten eine Thermoskanne mit dem Aufdruck "Auf ein Jahr ohne Morde" geschenkt, doch schon Tage später wird ein Bekannter des Donnerstagsmordclubs, der Antiquitätenhändler Kuldesh Shamar erschossen. Wie es scheint, war er in ein Drogengeschäft verwickelt. Vom Paket fehlt allerdings jede Spur. Nicht nur Elizabeth, Ron, Ibrahim und Joyce suchen danach, da sind ganz andere Kaliber hinter dem Heroin her.

Rahmenhandlung des 4. Falles für den Donnerstagsmordclub ist dieses Mal das Rauschgiftgeschäft. Aber tatsächlich geht es in diesem Buch um sehr viel tiefgreifendere Themen. Es geht um das Älterwerden, den Umgang mit Krankheiten, die keine Besserung erwarten lassen und schließlich auch um die Entscheidung, selbstbestimmt aus dem Leben zu scheiden. Das Fortschreiten der Demenz von Stephen nimmt sehr viel Raum im Buch ein, daher steht bei der Lösung des Falles Elisabeth nicht so zur Verfügung, wie die Gruppe das gewohnt ist. Aber Joyce hat sich an ihr ein Beispiel genommen und vertritt sie gut.

Ich finde es gut, dass in einem Buch mit betagten Ermittlern auch einmal auf diese Themen eingegangen wird, auch wenn die Spannung natürlich darunter leidet.

Aber das typisch Englische kommt nicht zu kurz, da blitzt ganz oft der feine englische Humor durch die die Gespräche und lässt den Leser zumindest schmunzeln. Wem es nicht in allererster Linie auf die Spannung ankommt, der ist mit diesem Buch gut bedient.

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