Vampire neu denken
Die HungrigeLydia ist eine junge Frau Anfang 20, die kürzlich ihr Kunststudium abgeschlossen hat. Das gemeinsame Zuhause, welches sie sich mit ihrer Mutter teilte, hat sie verlassen und ist in ein kleines Künstler*innen-Atelier ...
Lydia ist eine junge Frau Anfang 20, die kürzlich ihr Kunststudium abgeschlossen hat. Das gemeinsame Zuhause, welches sie sich mit ihrer Mutter teilte, hat sie verlassen und ist in ein kleines Künstler*innen-Atelier gezogen. Ihr Mutter hat sie, aufgrund des fortgeschrittenen Alters, in einem Pflegeheim untergebracht. In ihrem neuen Zuhause angekommen, bandelt Lydia mit dem Künstler Ben an. Sie empfindet ihn erst als etwas unsicher und schlicht. Doch schon bald findet sie seine Wärme, seine rosigen Lippen und vor allem Bens Adern sehr anziehend. Lydia ist nämlich Vampirin und Blut und Leben ihre Nahrungsquellen. Bisher haben sie und ihre Mutter Schweineblut, abgefüllt von einer Metzgerin, zu sich genommen. Aber wie wäre es, tatsächlich einen Menschen zu konsumieren? Das ist die dämonische Seite von Lydia. Aber sie hat auch eine menschliche. Und diese schaut sich online stundenlang Videos von essenden Menschen an. Sie ist fasziniert von dem Essen, welches sie so sehr vom Menschsein entfernt und ihrem Körper schaden kann. Da Lydia nun auf eigenen Beinen steht, muss sie sich selbst darum kümmern, an Nahrung zu kommen. Und dies gestaltet sich als schwer Aufgabe...
Ich habe "Die Hungrige" an einem Tag gelesen und konnte mich ihrem Bann einfach nicht entziehen. Mit ihren 293 Seiten in der deutschen Übersetzung von Barbara Schaden mutet sie fast wie eine Kurzgeschichte an. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie dadurch von ihrer Prägnanz verliert. Ganz im Gegenteil. In ihrem Buch behandelt Claire Kohda viele existenzielle Themen, wie Zugehörigkeit, das fundamentale Wissen der eigenen Identität, Einsamkeit oder aber auch der Umgang mit dem menschlichen Essverhalten in den sozialen Medien. Lydia selbst ist eine japanisch-malaysische Britin, die ihre eigene Identität und Zugehörigkeit hinterfragt. Somit ist "Die Hungrige" viel mehr, als ein Vampirinnen-Roman. Ich habe das Gefühl, dass mich dieses kleine Buch noch sehr lange begleiten wird.