Ein historischer Blick in die Spanische Hofreitschule
Die Hofreiterin – Der Traum von FreiheitDas historische Wien hat einen ganz besonderen Reiz als Kulisse für Filme und Romane. Natürlich fällt einem zuerst die österreichisch-ungarische Monarchie und die berühmteste Kaiserin Europas ein: Sisi. ...
Das historische Wien hat einen ganz besonderen Reiz als Kulisse für Filme und Romane. Natürlich fällt einem zuerst die österreichisch-ungarische Monarchie und die berühmteste Kaiserin Europas ein: Sisi. Dass sie eine Pferdenärrin war, ist allgemein bekannt. Und so verwundert es auch nicht, dass die Herrscherin in diesem historischen Roman ebenso präsent ist wie ihre liebsten Vierbeiner.
Die edlen Lipizzanerhengste der Spanischen Hofreitschule sind neben der jungen Irma Rehberger und dem Ausbildungsleiter Stephan Gowalka die Hauptfiguren in diesem historischen Roman. Irmas Hengst Novio macht in der Steiermark von sich reden - so werden Vertreter der Spanischen Hofreitschule Wien auf das Pferd aufmerksam und machen Irmas Mutter ein Angebot, das sie nicht abschlagen kann - zumal es sie von all ihren Geldsorgen befreit und die Zukunft ihres Gestüts sichert. Auch Irma ist bewusst, dass das Kaufangebot ein Glücksfall ist - doch für sie persönlich ist es eine Tragödie. Denn um nichts in der Welt würde sie sich von Novio trennen. Und so ersinnt sie einen gefährlichen Plan. Da die Ausbildung zum Bereiter ausschließlich Männern vorbehalten ist, begleitet sie den Hengst als Pferdepfleger Konrad nach Wien. Ihre Mutter hatte vorher dem Verkauf des Pferdes unter der Bedingung zugestimmt, dass „Konrad“ einen Ausbildungsplatz erhält.
Mehr schlecht als recht schlägt sich Irma alias Konrad an der Schule und im Alltag als Mann durch - und es dauert nur wenige Wochen, bis ihr Lügenkonstrukt zusammenzubrechen droht. Doch mittlerweile hängt ihr Herz nicht nur an Novio, sondern auch an ihrem Ausbilder Stephan Gowalka. Doch nicht nur Irma, auch Stephan trägt ein Geheimnis mit sich herum...
Franziska Stadler alias Bestsellerautorin Martina Sahler hat mit diesem Roman eine spannende Geschichte erschaffen, die alles hat, was einen historischen Schmöker ausmacht - ein interessantes Setting, viele Geheimnisse und eine Liebesgeschichte voller Hindernisse. Man merkt, dass die Autorin gute Plots stricken und wendungsreiche Geschichten erschaffen kann.
Besonders gut konnte man in die Zeit des ausklingenden 19. Jahrhunderts eintauchen, denn die Schilderungen der Stadt, des Praters und vor allem der Hofreitschule scheinen auf sehr intensiven Recherchen zu basieren. Auch der Umgang zwischen Mensch und Tier wird (in den meisten Fällen, von einigen dramaturgischen Abweichungen mal abgesehen) als sehr liebevoll beschrieben - und das machte ja seit jeher den Unterschied in der Spanischen Hofreitschule. Während Pferde im Alltag vorrangig Arbeitstiere waren, waren die Lipizzanerhengste der Hofreitschule kleine Könige und wurden entsprechend behandelt - nicht zuletzt von der Kaiserin persönlich, die auch im Buch ab und zu nach dem Rechten schaut.
Das allerdings ist mein kleiner Kritikpunkt am Buch. Nach allem, was ich bisher über die Kaiserin in ihren späten Jahren gelesen habe, erschien mir ihr Handeln in diesem Roman nicht ganz plausibel. Ich bin mir nicht sicher, ob sie sich tatsächlich mit dem Fall einer bürgerlichen „Betrügerin“ so wohlwollend auseinandergesetzt hätte, auch wenn ich es durch die Parallelen zwischen den Frauen (besondere Verbundenheit zu Pferden) durchaus erklärbar fand.
Das hat aber mein Lesevergnügen nicht wesentlich getrübt. Vielmehr bietet dieser Roman die Möglichkeit, in das kaiserliche Wien einzutauchen und die besondere Atmosphäre der k.u.k-Monarchie und der Spanischen Hofreitschule zu spüren, die tatsächlich eine ganz besondere Institution war und ist. Ein spannender Ausflug!
PS. Und wer nicht genug bekommen kann von der Hofreiterin, darf sich schon auf den 2. Teil freuen, der für Herbst 2024 angekündigt ist.