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Veröffentlicht am 20.04.2024

Ein klassisches und zeitloses Fantasy-Abenteuer!

Drachenreiter
0

Drachenreiter" von Cornelia Funke ist ein Kinderbuch, das mittlerweile ja schon zu den Klassikern gezählt wird. Anders als ihre Tintenwelt-Reihe oder andere Bücher von ihr habe ich diese Reihe als Kind ...

Drachenreiter" von Cornelia Funke ist ein Kinderbuch, das mittlerweile ja schon zu den Klassikern gezählt wird. Anders als ihre Tintenwelt-Reihe oder andere Bücher von ihr habe ich diese Reihe als Kind nie gelesen, hatte aber schon lange Zeit vor, das nachzuholen. Nach meinem Tintenwelt-Reread anlässlich des neuen Bandes im November habe ich beschlossen, mich nun endlich an "Drachenreiter" heranzuwagen. Etwas seltsam war es schon, im Erwachsenenalter einen Kinderbuch-Klassiker zum ersten Mal zu lesen, den man noch nicht kennt. Da fehlte die Nostalgie-Komponente, die für mich sonst mit dem Lesen der Bücher der Autorin einhergehen. So hatte ich allerdings einen klaren, unverschleierten Blick auf das Buch mit seinen Stärken und Schwächen - was vielleicht der Grund ist, weshalb sie mich nicht ganz so sehr überzeugen konnte wie die Tintenwelt-Reihe...

Auf die Gestaltung möchte ich gar nicht so ausführlich eingehen, da es mittlerweile etliche verschiedene Ausgaben des Buches gibt, die verschiedene Motive und Stile zeigen. Da ich die Geschichte Großteils als Hörbuch gehört habe, kann ich auch zur inneren Gestaltung nur wenig sagen. Fest steht allerdings schon durch die Gestaltung: "Drachenreiter" ist Old-School-Fantasy der Prä-Harry-Potter-Ära. Man merkt an vielen Stellen, wie sehr sich das Fantasy-Genre in den letzten Jahrzehnten seit Erscheinen dieses Buches weiterentwickelt hat - zum Positiven wie auch zum Negativen.

Sehr zu schätzen gelernt habe ich das sehr entspannte Erzähltempo, die Ruhe der Geschichte und das fehlende künstliche Drama, das mit Fantasy-Erzählungen der älteren Generation einhergeht. Die Geschichte braucht einige Kapitel um anzulaufen und lässt sich auch im weiteren Verlauf bis auf einige Spannungsspitzen viel Zeit für Dialoge, Beschreibungen und ganz viel Fantasie... Denn genau wie alle von Cornelia Funkes Abenteuer steht diese Mal wieder im Vordergrund, auch wenn sie diesmal nicht in eine fremde Welt entführt. Stattdessen dürfen wir die verschiedenen Ecken unseres Planeten durch eine neue magische Linse kennenlernen. Gemeinsam mit Lung, Ben und Co reisen wir durch unsere gesamte Welt, über Meere, durch Wüsten und bis über die Berge des Himalaya und erfahren nebenbei, wie wichtig es ist, die Schönheit der Natur zu schätzen und zu achten. Dabei begegnen wir auch allerlei magischen Kreaturen wie einer Seeschlange, einem Dschinn, einem Basilisken, einem Riesenvogel und natürlich Drachen, Kobolden und Steinzwergen...

Bezüglich des Handlungsbogens, der sich auf dieser Reise ereignet folgt Cornelia Funke dem wohl klassischsten Archetyp der Fantasy-Literatur: Sie erzählt hier eine magische Heldenreise um einen Auserwählten, der natürlich ein Waisenjunge ist, Prophezeiungen folgt, auf seinem Weg Verbündete sammelt und am Ende ein Monster besiegen muss. In "Drachenreiter" ist also aufgrund des Alters sehr viel Bekanntes dabei, was Kinder wahrscheinlich nicht stören wird, für Erwachsene, die häufig im Fantasy-Genre unterwegs sind mittlerweile aber nur wenig Neues bereithält.

Auch bezüglich der Figurentiefe ist das Werk ein typischer Fantasy-Klassiker. Mir persönlich - ich lese mittlerweile am liebsten Figurenzentrierte Werke - blieben die einzelnen Figuren zu blass und zu nah an märchenhaften Stereotypen. Während ausdrucksstarke Figuren wie Schwefelfell, Fliegenbein oder Nesselbrand recht klar gezeichnet sind und eine stetige Entwicklung durchlaufen, fehlten mir beispielsweise bei Ben oder Lung Hintergründe und Tiefe, um sie als Figuren greifen zu können. Hier lässt die Autorin ihren LeserInnen recht viel Spielraum für eigene Interpretationen. Vor allem wenn man sie mit den Figuren der Titenwelt vergleicht, hätte ich da aber noch mehr Potenzial gesehen. Wundervoll ist aber das Zusammenspiel der Gefährten dargestellt. Die Reisegruppe, die sich auf Lungs Weg ansammelt, besteht aus einer Vielzahl an Wesen unterschiedlicher Größe, Sprachen und Spezies, die sich trotzdem verstehen und in Freundschaft verbunden ein gemeinsames Ziel verfolgen - eine wunderbare Message zu Zusammenhalt und Freundschaft, die sich über Unterschiede hinwegsetzt!

"Ist doch praktisch, wenn man ein paar kleine Leute dabeihat, was?" Lung nickte. ‚Sehr praktisch", antwortete er. "Weißt du was, Ratte? Ich glaube, die Welt wird irgendwann den Kleinen gehören."


Fazit:

"Drachenreiter" ist ein sehr klassisches Fantasy-Abenteuer, das nebenbei die Schönheit unserer Welt und die Wichtigkeit von Zusammenhalt und Freundschaft vermittelt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.04.2024

Ein klassisches und zeitloses Fantasy-Abenteuer!

Drachenreiter
0

Drachenreiter" von Cornelia Funke ist ein Kinderbuch, das mittlerweile ja schon zu den Klassikern gezählt wird. Anders als ihre Tintenwelt-Reihe oder andere Bücher von ihr habe ich diese Reihe als Kind ...

Drachenreiter" von Cornelia Funke ist ein Kinderbuch, das mittlerweile ja schon zu den Klassikern gezählt wird. Anders als ihre Tintenwelt-Reihe oder andere Bücher von ihr habe ich diese Reihe als Kind nie gelesen, hatte aber schon lange Zeit vor, das nachzuholen. Nach meinem Tintenwelt-Reread anlässlich des neuen Bandes im November habe ich beschlossen, mich nun endlich an "Drachenreiter" heranzuwagen. Etwas seltsam war es schon, im Erwachsenenalter einen Kinderbuch-Klassiker zum ersten Mal zu lesen, den man noch nicht kennt. Da fehlte die Nostalgie-Komponente, die für mich sonst mit dem Lesen der Bücher der Autorin einhergehen. So hatte ich allerdings einen klaren, unverschleierten Blick auf das Buch mit seinen Stärken und Schwächen - was vielleicht der Grund ist, weshalb sie mich nicht ganz so sehr überzeugen konnte wie die Tintenwelt-Reihe...

Auf die Gestaltung möchte ich gar nicht so ausführlich eingehen, da es mittlerweile etliche verschiedene Ausgaben des Buches gibt, die verschiedene Motive und Stile zeigen. Da ich die Geschichte Großteils als Hörbuch gehört habe, kann ich auch zur inneren Gestaltung nur wenig sagen. Fest steht allerdings schon durch die Gestaltung: "Drachenreiter" ist Old-School-Fantasy der Prä-Harry-Potter-Ära. Man merkt an vielen Stellen, wie sehr sich das Fantasy-Genre in den letzten Jahrzehnten seit Erscheinen dieses Buches weiterentwickelt hat - zum Positiven wie auch zum Negativen.

Sehr zu schätzen gelernt habe ich das sehr entspannte Erzähltempo, die Ruhe der Geschichte und das fehlende künstliche Drama, das mit Fantasy-Erzählungen der älteren Generation einhergeht. Die Geschichte braucht einige Kapitel um anzulaufen und lässt sich auch im weiteren Verlauf bis auf einige Spannungsspitzen viel Zeit für Dialoge, Beschreibungen und ganz viel Fantasie... Denn genau wie alle von Cornelia Funkes Abenteuer steht diese Mal wieder im Vordergrund, auch wenn sie diesmal nicht in eine fremde Welt entführt. Stattdessen dürfen wir die verschiedenen Ecken unseres Planeten durch eine neue magische Linse kennenlernen. Gemeinsam mit Lung, Ben und Co reisen wir durch unsere gesamte Welt, über Meere, durch Wüsten und bis über die Berge des Himalaya und erfahren nebenbei, wie wichtig es ist, die Schönheit der Natur zu schätzen und zu achten. Dabei begegnen wir auch allerlei magischen Kreaturen wie einer Seeschlange, einem Dschinn, einem Basilisken, einem Riesenvogel und natürlich Drachen, Kobolden und Steinzwergen...

Bezüglich des Handlungsbogens, der sich auf dieser Reise ereignet folgt Cornelia Funke dem wohl klassischsten Archetyp der Fantasy-Literatur: Sie erzählt hier eine magische Heldenreise um einen Auserwählten, der natürlich ein Waisenjunge ist, Prophezeiungen folgt, auf seinem Weg Verbündete sammelt und am Ende ein Monster besiegen muss. In "Drachenreiter" ist also aufgrund des Alters sehr viel Bekanntes dabei, was Kinder wahrscheinlich nicht stören wird, für Erwachsene, die häufig im Fantasy-Genre unterwegs sind mittlerweile aber nur wenig Neues bereithält.

Auch bezüglich der Figurentiefe ist das Werk ein typischer Fantasy-Klassiker. Mir persönlich - ich lese mittlerweile am liebsten Figurenzentrierte Werke - blieben die einzelnen Figuren zu blass und zu nah an märchenhaften Stereotypen. Während ausdrucksstarke Figuren wie Schwefelfell, Fliegenbein oder Nesselbrand recht klar gezeichnet sind und eine stetige Entwicklung durchlaufen, fehlten mir beispielsweise bei Ben oder Lung Hintergründe und Tiefe, um sie als Figuren greifen zu können. Hier lässt die Autorin ihren LeserInnen recht viel Spielraum für eigene Interpretationen. Vor allem wenn man sie mit den Figuren der Titenwelt vergleicht, hätte ich da aber noch mehr Potenzial gesehen. Wundervoll ist aber das Zusammenspiel der Gefährten dargestellt. Die Reisegruppe, die sich auf Lungs Weg ansammelt, besteht aus einer Vielzahl an Wesen unterschiedlicher Größe, Sprachen und Spezies, die sich trotzdem verstehen und in Freundschaft verbunden ein gemeinsames Ziel verfolgen - eine wunderbare Message zu Zusammenhalt und Freundschaft, die sich über Unterschiede hinwegsetzt!

"Ist doch praktisch, wenn man ein paar kleine Leute dabeihat, was?" Lung nickte. ‚Sehr praktisch", antwortete er. "Weißt du was, Ratte? Ich glaube, die Welt wird irgendwann den Kleinen gehören."


Fazit:

"Drachenreiter" ist ein sehr klassisches Fantasy-Abenteuer, das nebenbei die Schönheit unserer Welt und die Wichtigkeit von Zusammenhalt und Freundschaft vermittelt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.04.2024

Ein klassisches und zeitloses Fantasy-Abenteuer!

Drachenreiter
0

Drachenreiter" von Cornelia Funke ist ein Kinderbuch, das mittlerweile ja schon zu den Klassikern gezählt wird. Anders als ihre Tintenwelt-Reihe oder andere Bücher von ihr habe ich diese Reihe als Kind ...

Drachenreiter" von Cornelia Funke ist ein Kinderbuch, das mittlerweile ja schon zu den Klassikern gezählt wird. Anders als ihre Tintenwelt-Reihe oder andere Bücher von ihr habe ich diese Reihe als Kind nie gelesen, hatte aber schon lange Zeit vor, das nachzuholen. Nach meinem Tintenwelt-Reread anlässlich des neuen Bandes im November habe ich beschlossen, mich nun endlich an "Drachenreiter" heranzuwagen. Etwas seltsam war es schon, im Erwachsenenalter einen Kinderbuch-Klassiker zum ersten Mal zu lesen, den man noch nicht kennt. Da fehlte die Nostalgie-Komponente, die für mich sonst mit dem Lesen der Bücher der Autorin einhergehen. So hatte ich allerdings einen klaren, unverschleierten Blick auf das Buch mit seinen Stärken und Schwächen - was vielleicht der Grund ist, weshalb sie mich nicht ganz so sehr überzeugen konnte wie die Tintenwelt-Reihe...

Auf die Gestaltung möchte ich gar nicht so ausführlich eingehen, da es mittlerweile etliche verschiedene Ausgaben des Buches gibt, die verschiedene Motive und Stile zeigen. Da ich die Geschichte Großteils als Hörbuch gehört habe, kann ich auch zur inneren Gestaltung nur wenig sagen. Fest steht allerdings schon durch die Gestaltung: "Drachenreiter" ist Old-School-Fantasy der Prä-Harry-Potter-Ära. Man merkt an vielen Stellen, wie sehr sich das Fantasy-Genre in den letzten Jahrzehnten seit Erscheinen dieses Buches weiterentwickelt hat - zum Positiven wie auch zum Negativen.

Sehr zu schätzen gelernt habe ich das sehr entspannte Erzähltempo, die Ruhe der Geschichte und das fehlende künstliche Drama, das mit Fantasy-Erzählungen der älteren Generation einhergeht. Die Geschichte braucht einige Kapitel um anzulaufen und lässt sich auch im weiteren Verlauf bis auf einige Spannungsspitzen viel Zeit für Dialoge, Beschreibungen und ganz viel Fantasie... Denn genau wie alle von Cornelia Funkes Abenteuer steht diese Mal wieder im Vordergrund, auch wenn sie diesmal nicht in eine fremde Welt entführt. Stattdessen dürfen wir die verschiedenen Ecken unseres Planeten durch eine neue magische Linse kennenlernen. Gemeinsam mit Lung, Ben und Co reisen wir durch unsere gesamte Welt, über Meere, durch Wüsten und bis über die Berge des Himalaya und erfahren nebenbei, wie wichtig es ist, die Schönheit der Natur zu schätzen und zu achten. Dabei begegnen wir auch allerlei magischen Kreaturen wie einer Seeschlange, einem Dschinn, einem Basilisken, einem Riesenvogel und natürlich Drachen, Kobolden und Steinzwergen...

Bezüglich des Handlungsbogens, der sich auf dieser Reise ereignet folgt Cornelia Funke dem wohl klassischsten Archetyp der Fantasy-Literatur: Sie erzählt hier eine magische Heldenreise um einen Auserwählten, der natürlich ein Waisenjunge ist, Prophezeiungen folgt, auf seinem Weg Verbündete sammelt und am Ende ein Monster besiegen muss. In "Drachenreiter" ist also aufgrund des Alters sehr viel Bekanntes dabei, was Kinder wahrscheinlich nicht stören wird, für Erwachsene, die häufig im Fantasy-Genre unterwegs sind mittlerweile aber nur wenig Neues bereithält.

Auch bezüglich der Figurentiefe ist das Werk ein typischer Fantasy-Klassiker. Mir persönlich - ich lese mittlerweile am liebsten Figurenzentrierte Werke - blieben die einzelnen Figuren zu blass und zu nah an märchenhaften Stereotypen. Während ausdrucksstarke Figuren wie Schwefelfell, Fliegenbein oder Nesselbrand recht klar gezeichnet sind und eine stetige Entwicklung durchlaufen, fehlten mir beispielsweise bei Ben oder Lung Hintergründe und Tiefe, um sie als Figuren greifen zu können. Hier lässt die Autorin ihren LeserInnen recht viel Spielraum für eigene Interpretationen. Vor allem wenn man sie mit den Figuren der Titenwelt vergleicht, hätte ich da aber noch mehr Potenzial gesehen. Wundervoll ist aber das Zusammenspiel der Gefährten dargestellt. Die Reisegruppe, die sich auf Lungs Weg ansammelt, besteht aus einer Vielzahl an Wesen unterschiedlicher Größe, Sprachen und Spezies, die sich trotzdem verstehen und in Freundschaft verbunden ein gemeinsames Ziel verfolgen - eine wunderbare Message zu Zusammenhalt und Freundschaft, die sich über Unterschiede hinwegsetzt!

"Ist doch praktisch, wenn man ein paar kleine Leute dabeihat, was?" Lung nickte. ‚Sehr praktisch", antwortete er. "Weißt du was, Ratte? Ich glaube, die Welt wird irgendwann den Kleinen gehören."


Fazit:

"Drachenreiter" ist ein sehr klassisches Fantasy-Abenteuer, das nebenbei die Schönheit unserer Welt und die Wichtigkeit von Zusammenhalt und Freundschaft vermittelt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.04.2024

Ein vielseitiges und gedankenreiches Buch!

Grenzerfahrungen
0

Begonnen habe ich "Grenzerfahrungen: Wie wir an Krisen wachsen" anlässlich des kürzlichen Todes Wolfgang Schäubles, der aus meiner Heimatstadt kam und die deutsche Politik über Jahrzehnte maßgeblich mitgeprägt ...

Begonnen habe ich "Grenzerfahrungen: Wie wir an Krisen wachsen" anlässlich des kürzlichen Todes Wolfgang Schäubles, der aus meiner Heimatstadt kam und die deutsche Politik über Jahrzehnte maßgeblich mitgeprägt hat. In seinem letzten Buch, das halb Experteninterviews und halb Essaysammlung ist, schreibt er über die größten Krisen und Herausforderungen der letzten Jahre und betont dabei stets die Chancen, die diese bei beherztem Handeln für unsere Zukunft bereithalten könnten.

“Wer, wenn nicht wir wäre besser dazu in der Lage, Nachhaltigkeit im 21. Jahrhundert zu gestalten? Und wann, wenn nicht jetzt?”

Da Wolfgang Schäuble das Buch bereits 2021 beendet und 2022 mit einem neuen Vorwort ergänzt hat, liest sich das Sachbuch wie eine kleine Zeitreise um drei Jahre in eine Situation, in der trotz des Endes des akuten Lockdowns noch lange nicht klar war, wohin sich die Corona Pandemie entwickeln würde, wie sich Joe Biden als neuer Präsident schlägt und welche nachhaltig hohen Wellen der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine bald schlagen wird. Trotz dass wir heute einige offenen Fragen beantworten können, ist das Buch allerdings keinesfalls veraltet: die Gedanken zu Themen wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit oder Europapolitik sind so aktuell wie nie zuvor.

“Die Geschichte der Weimarer Republik, der ersten parlamentarischen Demokratie auf deutschem Boden, lehrt eindrücklich, dass es nicht die Stärke ihrer Gegner ist, die die Demokratien gefährdet, sondern die eigene Schwäche und Verantwortungslosigkeit von Demokraten.”

In sieben übergeordneten Kapiteln, die jeweils mit einem Essay Schäubles beginnen und von einem Gespräch mit ExpertInnen abgeschlossen werden, schreibt der Autor unter anderem über die Deutsche Geschichte, Nationalidentität, gesellschaftlicher Zusammenhalt, Integration, Minderheiten, begrenzte Ressourcen und Klimakrise, die Grenzen des wirtschaftlichen Wachstums, die Möglichkeiten eines vereinten Europas und westliche Werte und deren Bedeutung für eine verantwortungsvolle Außenpolitik. Konkrete Lösungen für diese Probleme, mit denen wir uns als Gesellschaft aktuell und in Zukunft auseinandersetzen müssen, findet man in diesem Buch natürlich nicht - aber das ist ja auch nicht der Anspruch! Stattdessen legt das Buch eher den Grundstein für eine weitere Debatte über diese Themen.

“Das heutige Anspruchsdenken vieler Menschen macht es immer schwieriger, proportional zu den Problemen zu handeln. Deshalb betone ich auch die in Krisen liegenden Chancen. Weil man dann Trägheiten eher überwinden kann.”


Ich stimme Wolfgang Schäuble nicht in allen Punkten zu - dafür habe ich einfach als junger Mensch und durch meinen psychologisch-wissenschaftlichen Hintergrund eine andere Perspektive, leicht andere Werte und Schwerpunkte und vor allem ein anderes Menschenbild als der CDU-Politiker. So bin ich beispielsweise in vielen Punkten deutlich optimistischer (/radikaler?), was man Menschen hinsichtlich Veränderungen zutrauen (/zumuten?) kann, als die konservative Sicht, die hier vertreten wird. Mir gefällt allerdings sehr, dass er hier recht parteiübergreifend schreibt und auch eigene Fehler einräumt sowie seine Partei kritisiert. Außerdem empfand ich es als sehr inspirierend, mit wie viel Vertrauen und Wertschätzung er von unserer parlamentarischen Demokratie und der EU schreibt. Gerade in Zeiten, die auf der einen Seite von Populismus und Radikalität und auf der anderen Seite von großem Pessimismus und Politikverdrossenheit geprägt ist, empfand ich seine dankbare Sicht auf die Errungenschaften unseres politischen Systems und sein Aufruf, dieses um jeden Preis zu schützen, als sehr wertvoll.

“Eine Demokratie ist nicht einfach die Herrschaft der Mehrheit, sondern sie beinhaltet auch, diejenigen mitzunehmen und loyal zu halten, die nicht zur Mehrheit gehören. Dafür braucht man Bindekräfte.”

Man braucht etwas Zeit, um sich durch die klar formulierten Essays durchzulesen, die mit großer Ruhe und Weitsicht komplexe Zusammenhänge erklären - besonders weil angesichts dieser Komplexität oftmals kein wirklicher roter Faden in den Texten zu erkennen ist. Festzuhalten ist außerdem, dass der Autor viele Thesen aufstellt, die nicht belegt werden. Man sollte beim Lesen im Kopf behalten, dass es sich bei den Essays um freie Texte handelt, in denen Schäuble seine Weltsicht erklärt und eben nicht um wissenschaftlichen Sachbuchkapitel. Am spannendsten empfand ich deshalb in jedem Kapitel die anschließenden Gespräche mit den Experten, die Schäubles Sicht teilweise nochmal relativiert, bestätigt oder ergänzt haben und viele weitere Ansatzpunkte für Diskussionen liefern. So hat mich das Buch dazu angeregt, über einige Dinge nachzudenken: Was wünsche ich mir eigentlich von einer perfekten Regierung? Was sollte man wirklich beachten bei der Wahl von Parteien/Einzelpersonen? Hat der Föderalismus vielleicht doch seine Daseinsberechtigung? Brauchen wir nicht vielleicht doch mehr Handlungsspielräume statt noch klarerer Gesetze? Wo liegen meine persönlichen gesellschaftlichen, sozialen und politischen Grenzen? Kann das Entwicklungstempo, das ich mir (als junge Akademikerin) von Deutschland und der Welt angesichts der Dringlichkeit vieler Probleme erhoffe, von der Allgemeinbevölkerung überhaupt mitgetragen werden? Und inwiefern müssen wir unsere eigenen Ansprüche an und Vorstellungen von Politik ändern, um gesellschaftlich an Krisen wachsen zu können...?


Weitere Zitate


“Das ist Anspruch und Selbstverständnis der repräsentativen Demokratie: Jeder Abgeordnete, ob Frau, Mann oder divers, ob jung oder alt, Wissenschaftler oder Arbeiter, ob aus der Stadt oder einem ländlichen Raum, ob hier geboren oder zugewandert, jeder muss sich selbst als Vertreter des ganzen Volkes verstehen, und immer, auch wenn er die legitimen Interessen seiner Wähler und Partei vertritt, das Gemeinwohl im Blick behalten.”

“Einerseits gibt es Misstrauen gegenüber Radikalismus, er wird für gefährlich gehalten. Andererseits schätzen wir alle die Errungenschaften der Vergangenheit, die Meilensteine dieser Zivilisation - Demokratie, Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen, das Ende der Sklaverei. Womit begannen sie? Mit Menschen, die Grenzen überschritten, die radikal waren, optimistisch, idealistisch - und vollkommen unrealistisch. Es hat für mich eine gewisse Ironie, dass die, die die Errungenschaften der Vergangenheit loben, sehr geringschätzig auf die heutigen Kämpfer für soziale Gerechtigkeit schauen. Dabei sind es gerade diejenigen, mit unrealistischen Vorstellungen, die Unvernünftigen, die einem auf die Nerven gehen, von denen wir später vielleicht einmal sagen werden: Sie waren Vorreiter und sie hatten recht.”

“Der grundsätzliche Unterschied zwischen der konservativen und der progressiven Weltsicht ist, dass Konservative die Welt als Nullsummenspiel sehen. Wenn ich einem Menschen etwas gebe, hat der andere weniger. Der progressive Mensch, sieht die Welt als Positivsummenspiel. Wenn ich einem Menschen etwas gebe, geht es diesem Menschen besser, und er kann einen eigenen Beitrag zum Gemeinwohl leisten.”

“Auch wenn immer das Gegenteil behauptet wird: Bei uns darf und kann alles diskutiert werden - auch vieles, was jenseits der Schmerzgrenze des Anstands liegt. Es ist Zeichen unserer Liberalität und Rechtsstaatlichkeit.”

"Sicherheit ist ein Schlüssel, um das Zutrauen in offene Gesellschaften und liberale Demokratien wieder zu stärken. In Zeiten stürmischer Veränderungen braucht es nicht nur ein Mindestmaß an sozialer Sicherheit, sondern auch an gesellschaftlicher Solidarität und an Kontrolle über das eigene Leben. Auf das Tempo der Veränderung reagieren viele Menschen mit einem verstärkten Sicherheitsbedürfnis, vor allem die, die sich auf der Verliererseite dieser Veränderungen sehen."



Fazit:


"Grenzerfahrungen: Wie wir an Krisen wachsen" ist ein vielseitiges und gedankenreiches Buch, das den Grundstein für weitere Debatten über die größten Krisen und Herausforderungen der aktuellen Zeit sowie deren Chancen legt.

Veröffentlicht am 08.04.2024

Ein vielseitiges und gedankenreichen Buch!

Grenzerfahrungen
0

Begonnen habe ich "Grenzerfahrungen: Wie wir an Krisen wachsen" anlässlich des kürzlichen Todes Wolfgang Schäubles, der aus meiner Heimatstadt kam und die deutsche Politik über Jahrzehnte maßgeblich mitgeprägt ...

Begonnen habe ich "Grenzerfahrungen: Wie wir an Krisen wachsen" anlässlich des kürzlichen Todes Wolfgang Schäubles, der aus meiner Heimatstadt kam und die deutsche Politik über Jahrzehnte maßgeblich mitgeprägt hat. In seinem letzten Buch, das halb Experteninterviews und halb Essaysammlung ist, schreibt er über die größten Krisen und Herausforderungen der letzten Jahre und betont dabei stets die Chancen, die diese bei beherztem Handeln für unsere Zukunft bereithalten könnten.

“Wer, wenn nicht wir wäre besser dazu in der Lage, Nachhaltigkeit im 21. Jahrhundert zu gestalten? Und wann, wenn nicht jetzt?”

Da Wolfgang Schäuble das Buch bereits 2021 beendet und 2022 mit einem neuen Vorwort ergänzt hat, liest sich das Sachbuch wie eine kleine Zeitreise um drei Jahre in eine Situation, in der trotz des Endes des akuten Lockdowns noch lange nicht klar war, wohin sich die Corona Pandemie entwickeln würde, wie sich Joe Biden als neuer Präsident schlägt und welche nachhaltig hohen Wellen der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine bald schlagen wird. Trotz dass wir heute einige offenen Fragen beantworten können, ist das Buch allerdings keinesfalls veraltet: die Gedanken zu Themen wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit oder Europapolitik sind so aktuell wie nie zuvor.

“Die Geschichte der Weimarer Republik, der ersten parlamentarischen Demokratie auf deutschem Boden, lehrt eindrücklich, dass es nicht die Stärke ihrer Gegner ist, die die Demokratien gefährdet, sondern die eigene Schwäche und Verantwortungslosigkeit von Demokraten.”

In sieben übergeordneten Kapiteln, die jeweils mit einem Essay Schäubles beginnen und von einem Gespräch mit ExpertInnen abgeschlossen werden, schreibt der Autor unter anderem über die Deutsche Geschichte, Nationalidentität, gesellschaftlicher Zusammenhalt, Integration, Minderheiten, begrenzte Ressourcen und Klimakrise, die Grenzen des wirtschaftlichen Wachstums, die Möglichkeiten eines vereinten Europas und westliche Werte und deren Bedeutung für eine verantwortungsvolle Außenpolitik. Konkrete Lösungen für diese Probleme, mit denen wir uns als Gesellschaft aktuell und in Zukunft auseinandersetzen müssen, findet man in diesem Buch natürlich nicht - aber das ist ja auch nicht der Anspruch! Stattdessen legt das Buch eher den Grundstein für eine weitere Debatte über diese Themen.

“Das heutige Anspruchsdenken vieler Menschen macht es immer schwieriger, proportional zu den Problemen zu handeln. Deshalb betone ich auch die in Krisen liegenden Chancen. Weil man dann Trägheiten eher überwinden kann.”


Ich stimme Wolfgang Schäuble nicht in allen Punkten zu - dafür habe ich einfach als junger Mensch und durch meinen psychologisch-wissenschaftlichen Hintergrund eine andere Perspektive, leicht andere Werte und Schwerpunkte und vor allem ein anderes Menschenbild als der CDU-Politiker. So bin ich beispielsweise in vielen Punkten deutlich optimistischer (/radikaler?), was man Menschen hinsichtlich Veränderungen zutrauen (/zumuten?) kann, als die konservative Sicht, die hier vertreten wird. Mir gefällt allerdings sehr, dass er hier recht parteiübergreifend schreibt und auch eigene Fehler einräumt sowie seine Partei kritisiert. Außerdem empfand ich es als sehr inspirierend, mit wie viel Vertrauen und Wertschätzung er von unserer parlamentarischen Demokratie und der EU schreibt. Gerade in Zeiten, die auf der einen Seite von Populismus und Radikalität und auf der anderen Seite von großem Pessimismus und Politikverdrossenheit geprägt ist, empfand ich seine dankbare Sicht auf die Errungenschaften unseres politischen Systems und sein Aufruf, dieses um jeden Preis zu schützen, als sehr wertvoll.

“Eine Demokratie ist nicht einfach die Herrschaft der Mehrheit, sondern sie beinhaltet auch, diejenigen mitzunehmen und loyal zu halten, die nicht zur Mehrheit gehören. Dafür braucht man Bindekräfte.”

Man braucht etwas Zeit, um sich durch die klar formulierten Essays durchzulesen, die mit großer Ruhe und Weitsicht komplexe Zusammenhänge erklären - besonders weil angesichts dieser Komplexität oftmals kein wirklicher roter Faden in den Texten zu erkennen ist. Festzuhalten ist außerdem, dass der Autor viele Thesen aufstellt, die nicht belegt werden. Man sollte beim Lesen im Kopf behalten, dass es sich bei den Essays um freie Texte handelt, in denen Schäuble seine Weltsicht erklärt und eben nicht um wissenschaftlichen Sachbuchkapitel. Am spannendsten empfand ich deshalb in jedem Kapitel die anschließenden Gespräche mit den Experten, die Schäubles Sicht teilweise nochmal relativiert, bestätigt oder ergänzt haben und viele weitere Ansatzpunkte für Diskussionen liefern. So hat mich das Buch dazu angeregt, über einige Dinge nachzudenken: Was wünsche ich mir eigentlich von einer perfekten Regierung? Was sollte man wirklich beachten bei der Wahl von Parteien/Einzelpersonen? Hat der Föderalismus vielleicht doch seine Daseinsberechtigung? Brauchen wir nicht vielleicht doch mehr Handlungsspielräume statt noch klarerer Gesetze? Wo liegen meine persönlichen gesellschaftlichen, sozialen und politischen Grenzen? Kann das Entwicklungstempo, das ich mir (als junge Akademikerin) von Deutschland und der Welt angesichts der Dringlichkeit vieler Probleme erhoffe, von der Allgemeinbevölkerung überhaupt mitgetragen werden? Und inwiefern müssen wir unsere eigenen Ansprüche an und Vorstellungen von Politik ändern, um gesellschaftlich an Krisen wachsen zu können...?


Weitere Zitate


“Das ist Anspruch und Selbstverständnis der repräsentativen Demokratie: Jeder Abgeordnete, ob Frau, Mann oder divers, ob jung oder alt, Wissenschaftler oder Arbeiter, ob aus der Stadt oder einem ländlichen Raum, ob hier geboren oder zugewandert, jeder muss sich selbst als Vertreter des ganzen Volkes verstehen, und immer, auch wenn er die legitimen Interessen seiner Wähler und Partei vertritt, das Gemeinwohl im Blick behalten.”

“Einerseits gibt es Misstrauen gegenüber Radikalismus, er wird für gefährlich gehalten. Andererseits schätzen wir alle die Errungenschaften der Vergangenheit, die Meilensteine dieser Zivilisation - Demokratie, Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen, das Ende der Sklaverei. Womit begannen sie? Mit Menschen, die Grenzen überschritten, die radikal waren, optimistisch, idealistisch - und vollkommen unrealistisch. Es hat für mich eine gewisse Ironie, dass die, die die Errungenschaften der Vergangenheit loben, sehr geringschätzig auf die heutigen Kämpfer für soziale Gerechtigkeit schauen. Dabei sind es gerade diejenigen, mit unrealistischen Vorstellungen, die Unvernünftigen, die einem auf die Nerven gehen, von denen wir später vielleicht einmal sagen werden: Sie waren Vorreiter und sie hatten recht.”

“Der grundsätzliche Unterschied zwischen der konservativen und der progressiven Weltsicht ist, dass Konservative die Welt als Nullsummenspiel sehen. Wenn ich einem Menschen etwas gebe, hat der andere weniger. Der progressive Mensch, sieht die Welt als Positivsummenspiel. Wenn ich einem Menschen etwas gebe, geht es diesem Menschen besser, und er kann einen eigenen Beitrag zum Gemeinwohl leisten.”

“Auch wenn immer das Gegenteil behauptet wird: Bei uns darf und kann alles diskutiert werden - auch vieles, was jenseits der Schmerzgrenze des Anstands liegt. Es ist Zeichen unserer Liberalität und Rechtsstaatlichkeit.”

"Sicherheit ist ein Schlüssel, um das Zutrauen in offene Gesellschaften und liberale Demokratien wieder zu stärken. In Zeiten stürmischer Veränderungen braucht es nicht nur ein Mindestmaß an sozialer Sicherheit, sondern auch an gesellschaftlicher Solidarität und an Kontrolle über das eigene Leben. Auf das Tempo der Veränderung reagieren viele Menschen mit einem verstärkten Sicherheitsbedürfnis, vor allem die, die sich auf der Verliererseite dieser Veränderungen sehen."



Fazit:


"Grenzerfahrungen: Wie wir an Krisen wachsen" ist ein vielseitiges und gedankenreichen Buch, das den Grundstein für weitere Debatten über die größten Krisen und Herausforderungen der aktuellen Zeit sowie deren Chancen legt.