Cover-Bild Unterm Rad
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8,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Suhrkamp
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: Klassisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 176
  • Ersterscheinung: 31.05.1972
  • ISBN: 9783518365526
Hermann Hesse

Unterm Rad

Erzählung

Unterm Rad beschreibt das Schicksal eines begabten Kindes, dem der Ehrgeiz seines Vaters und der Lokalpatriotismus seiner Heimatstadt eine Rolle aufnötigen, die ihm nicht entspricht und es »unters Rad« drängt.

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Veröffentlicht am 24.07.2024

Eine eindrückliche Erzählung über das Erwachsenwerden, die kaum Aktualität eingebüßt hat

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Inhalt: Hans Giebenrath ist Klassenprimus, gleichzeitig aber auch ein Einzelgänger. Von den Erwachsenen in seinem Umkreis – seinem Vater, dem Rektor und dem Priester – wird er zum intensiven Lernen angehalten, ...

Inhalt: Hans Giebenrath ist Klassenprimus, gleichzeitig aber auch ein Einzelgänger. Von den Erwachsenen in seinem Umkreis – seinem Vater, dem Rektor und dem Priester – wird er zum intensiven Lernen angehalten, damit er das Landesexamen besteht, um in der Klosterschule Maulbronn zum Landesbeamten ausgebildet werden zu können. Dies gelingt ihm auch, allerdings erwarten ihn in Maulbronn erneut intensive Lernphasen – und langsam, aber sicher wird alles zu viel für Hans…

Persönliche Meinung: „Unterm Rad“ ist eine 1906 erschienene Erzählung von Hermann Hesse, die man heute dem Coming of Age-Genre zuordnen würde. Eine große Rolle innerhalb der Erzählung spielt die Selbstfindung von Hans, der in seinem Heimatdorf und in der Klosterschule permanent unter Druck steht: Seine – durchweg männlichen – Erzieher/Lehrer sehen Hans nur vor dem Hintergrund des Leistungsaspekts; wie Hans innerlich ist bzw. was er tatsächlich möchte, wird nicht berücksichtigt. Ein weiteres Coming of Age-Element, das in „Unterm Rad“ eine wichtige Rolle spielt, ist die (erste) Liebe: Zwei Mal verliebt sich Hans, wobei die eine Liebe eher eine geistige, die andere eine körperliche ist. Innerhalb der Erzählung findet sich zudem scharfe Kritik am Schulwesen um 1900, das, so der Erzähler und einzelne Figuren, zu verkopft sei und lediglich dazu diene, obrigkeitstreue Staatsdiener zu formen. Druck ist das Signum dieses Schulwesens – und die Erzählung zeigt, dass man durch diesen Druck zerbrechen kann. Erzählt wird „Unterm Rad“ von einem auktorialen Erzähler, der oft in die Perspektive von Hans schlüpft. Dabei wird ein vergleichsweise komplexer, leicht verschnörkelter Sprachstil mit häufiger Hypo- und Parataxen-Verknüpfung genutzt (das tut dem Lesevergnügen aber keinen Abbruch). Insgesamt ist „Unterm Rad“ eine eindrückliche Erzählung über das Erwachsenwerden, die auch ein Jahrhundert nach ihrem Erscheinen kaum Aktualität eingebüßt hat.

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Veröffentlicht am 17.10.2017

Auch mehr als 100 Jahre später noch brandaktuell

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Hans Giebenrath ist ein Musterschüler und qualifiziert sich mit seinen vorbildlichen Leistungen in der Dorfschule für das Landexamen. Bei erfolgreichem Bestehen stünde einem Stipendium für die Klosterschule ...

Hans Giebenrath ist ein Musterschüler und qualifiziert sich mit seinen vorbildlichen Leistungen in der Dorfschule für das Landexamen. Bei erfolgreichem Bestehen stünde einem Stipendium für die Klosterschule und die hohe geistliche Laufbahn nichts mehr im Wege. Von Vater, Lehrern, Rektor und Pfarrer wird Hans unter Druck gesetzt, lernt wochenlang für die Prüfung und tut die Nächte vorher kaum ein Auge zu. Mit Bravour besteht er schließlich das Landexamen, doch der Druck im Seminar wird nicht geringer und nach und nach gelangt der kleine Hans – wie der Titel es verrät – unter's Rad. Hermann Hesse schrieb dieses Werk vermutlich zur Verarbeitung seiner persönlichen Erfahrungen im evangelisch-theologischen Seminar im Kloster Maulbronn, welches er mit 14 Jahren besuchte und schließlich abbrach.

Zu Beginn der Erzählung ist Hans noch neugierig und aus eigenem Antrieb ehrgeizig, im Verlaufe seiner Ausbildung saugen ihn die Erwachsenen jedoch gnadenlos aus, bis eine gebrochene Seele zurückbleibt. Hans darf nicht einmal mehr seinem großen Hobby, dem Angeln, nachgehen und auch die geliebten Haustiere werden ihm genommen. In den Ferien wird wiederholt und vorgearbeitet, damit Hans auch ja mit den anderen Jungen mithalten kann. Was dieser Druck auf Dauer in Hans auslöst, erfährt der/die LeserIn hautnah.

"Hans wusste nicht, warum er gerade heute an jenen Abend denken musste, nicht, warum diese Erinnerung so schön und mächtig war, noch warum sie ihn so elend und traurig machte. Er wusste nicht, dass im Kleide dieser Erinnerung seine Kindheit und sein Kabentum noch einmal fröhlich und lachend vor ihm aufstand, um Abschied zu nehmen und den Stachel eines gewesenen und nie wiederkehrenden großen Glückes zurückzulassen." (S. 141)

Ständig ist Arbeiten und Lernen angesagt und sollte Hans sich doch einmal eine freie Minute nehmen, hat er selbst schon ein schlechtes Gewissen und wünscht sich sofort an den Schreibtisch zurück. Einen großen Anteil an diesem Verhalten tragen genau diejenigen, die Hans eigentlich vor Gefahren beschützen sollten: Sein Vater und seine Lehrer. Letzteren ist in der Erzählung nur daran gelegen, die Schüler zu unauffälligen Mitläufern zu erziehen, welche sich möglichst still und gefügig benehmen. Auf die Bedürfnisse und Besonderheiten eines einzelnen Kindes wird keine Rücksicht genommen, im Gegenteil, diese werden durch den Lehrer sogar noch glatt gebügelt.

"Wie schön hatte sich der kleine Giebenrath entwickelt! Das Strolchen und Spielen hatte er fast von selber abgelegt, das dumme Lachen in den Lektionen kam bei ihm längst nimmer vor, auch die Gärtnerei, das Kaninchenhalten und das leidige Angeln hatte er sich abgewöhnen lassen." (S. 47)

Auch wenn diese Erzählung bereits über 100 Jahre alt ist, erkannte ich doch erschreckend viele Parallelen zur heutigen Zeit. Hesses Kritik an Lehrern und Erziehern hat kaum an Aktualität verloren und mich gerade dadurch sehr beeindruckt.

"Ein Schulmeister hat lieber einige Esel als ein Genie in seiner Klasse, und genau betrachtet hat er ja recht, denn seine Aufgabe ist es nicht, extravagante Geister heranzubilden, sondern gute Lateiner, Rechner und Biedermänner." (S. 90)

Allerdings muss ich anmerken, dass mir der Einstieg dank des anspruchsvollen Schreibstils nicht besonders leicht gefallen ist. In Sachen Klassikern bin ich auch eher eine Einsteigerin, trotzdem konnte ich manch ältere Bücher flüssiger lesen. Ab und an verliert sich Hesse in meinen Augen außerdem in Nebensächlichkeiten.

Fazit:
Hermann Hesse hat mit dieser an seine eigene Jugend angelehnten Erzählung eine Schulkritik verfasst, die auch über 100 Jahre später erschreckend aktuell ist. Die Verwandlung des begabten Hans zu einem erschöpften, gebrochenen und daher für die Lehrer und den Vater nicht weiter interessanten Protagonisten bewegt und stellt eine Warnung dar, die sich jeder, der mit Kindern zu tun hat, zu Herzen nehmen sollte.