Anders als erwartet
Die Melodie meines LebensVor 33 Jahren schickten Alain und die New-Wave-Band Hologrammes ihr Demo-Tape an eine französische Plattenfirma. Die Antwort, eine begeisterte Zusage für einen Plattenvertrag, erhält der Gitarrist Alain, ...
Vor 33 Jahren schickten Alain und die New-Wave-Band Hologrammes ihr Demo-Tape an eine französische Plattenfirma. Die Antwort, eine begeisterte Zusage für einen Plattenvertrag, erhält der Gitarrist Alain, der heute als Arzt tätig ist, drei Jahrzehnte später. Verblüfft fragt er sich, was überhaupt aus den anderen Bandmitgliedern geworden ist und begibt sich auf die Suche.
So ungefähr lautet der Klappentext und erwartet habe ich eine fröhliche Wiedervereinigung der Hologrammes mit französischem Flair. Bekommen habe ich etwas ganz anderes. In Antoine Laurains neustem Roman geht es viel mehr um die Schicksale und Geschichten der Bandmitglieder im Kontext des aktuellen Zeitgeschehens, nicht um ein erneutes Aufleben der Band oder der Musikleidenschaft. Mir hat diese Gesellschaftskritik insgesamt zwar gut gefallen, dank des Klappentextes fiel es mir jedoch nicht unbedingt leicht, mich sofort komplett auf diese Kritik und ihren Hintergrund einzulassen. Vielen in der gemeinsamen Leserunde zu diesem Buch ging es ähnlich und das ist auch der schwerwiegendste Grund für meine eher mittelmäßige Bewertung von 3,5 Sternen..
Mit Protagonist Alain bin ich auch nicht richtig warm geworden und bis zum Schluss blieb er für mich etwas blass. Allerdings habe ich andere Bandmitglieder richtig lieb gewonnen, besonders der Selfmade-Millionär und Informatiker Jean-Bernard hat mich überzeugt. Nicht richtig rund erschien mir, dass den Musikern unterschiedlich viel Zeit gewidmet wurde. Während der eine gefühlt die Hälfte des Buches einnimmt, wird ein anderer in wenigen Zeilen abgehandelt.
Wie oben bereits erwähnt, sind die Musiker für Laurain nur Mittel zum Zweck. Er greift aktuelle politische Themen auf und kritisiert, wie vor allem das Internet Rechtspopulismus eine Bühne gibt. Auch der technische Fortschritt und die Folgen für die Menschen spielt eine große Rolle, ebenso wie die klassischen Probleme der Kommunikation, die vor allem in Liebesbeziehungen existieren. Sobald ich mich darauf eingestellt und von meinen eigentlichen Erwartungen gelöst hatte, haben mir die gesammelten Anspielungen richtig gut gefallen.
Fazit:
Der neuste Roman von Antoine Laurain verzaubert wieder einmal dadurch, dass die Charaktere nicht zu ernst genommen werden und die Sprache klar und ohne viele Schnörkel auskommt. Der Klappentext ist leider sehr irreführend, denn anstatt einer lockeren oder gar romantischen Wiedervereinigung einer Band taucht der/die LeserIn immer weiter in eine brandaktuelle Gesellschaftskritik ab, die mir durchaus gut gefallen hat. Für mich gab es jedoch ein paar Ecken und Kanten im Aufbau des Buches und in den einzelnen Schicksalen der Personen zu viel, sodass ich insgesamt gute 3,5 Sterne vergebe.