Platzhalter für Profilbild

lustaufbuch

Lesejury Profi
offline

lustaufbuch ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit lustaufbuch über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.05.2024

Eine großartige Biographie, die Grass gerecht wird!

Günter Grass
0

»Günter Grass hat die Nachkriegsgeschichte Deutschlands mit seinem künstlerischen sowie seinem gesellschaftlichen und politischen Engagement wie nur wenige begleitet und geprägt.« ~ Angela Merkel

Der ...

»Günter Grass hat die Nachkriegsgeschichte Deutschlands mit seinem künstlerischen sowie seinem gesellschaftlichen und politischen Engagement wie nur wenige begleitet und geprägt.« ~ Angela Merkel

Der Autor Harro Zimmermann öffnet dem Leser, beginnend mit den ersten Seiten, die Tore, um in das vielfältige Leben von Günter Grass eintauchen zu können. Schließlich war er nicht ausschließlich Schriftsteller, sondern so viel mehr!

Was der Autor mit seinem umfangreichen Buch über Günter Grass vorgelegt hat, ist keineswegs eine bloße Biografie. Es ist zugleich eine Werkschau, jeweils gekonnt verknüpft mit Analyse, Interpretationsansätzen, Entstehungsgeschichte sowie Rezeption. Doch auch die künstlerischen Aktivitäten des Nobelpreisträgers von 1999 kommen zur Geltung, gleichfalls Grass‘ brennendes politisches Engagement, besonders für Brandt, Schmidt und Schröder, welches die deutsche Politik der Nachkriegszeit nachhaltig geprägt hat. Sein Sinn und Wunsch nach Gerechtigkeit, seine Vorstellung einer deutschen Einheit, ganz anders als sie sich vollzog, die Wut über den aufkommenden Fremdenhass während der 90er Jahre und die Kraft niemals aufzugeben, sind bewundernswert.
Darüberhinaus mutmaßt Zimmermann des Öfteren über die heutige – nicht nur literarische – Bedeutung des gebürtigen Danzigers.
Was bleibt von Günter Grass?
Seine Literatur, seine künstlerischen Werke, seine politische Tätigkeit sowie seine Provokationen werden ganz sicher noch lange nachhallen und hoffentlich nie vergessen werden.

Alle, die sich mit dem Leben und/oder Werk von Günter Grass beschäftigt haben oder diese Auseinandersetzung gegenwärtig, bzw. zukünftig anstreben – ich empfehle es euch von Herzen –, denen ist diese Biografie sehr zu empfehlen – es gibt (bisher) keine Bessere!
Trotz der knapp 850 Textseiten, liest sich dieses umfassende Buch kurzweilig und die enthalten Bilder tragen zur Anschaulichkeit bei.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.05.2024

Eine großartige Fortsetzung!

Windstärke 17
0

Nach Caroline Wahls Debütroman war ich gespannt, ob ihr neues Buch, in gewisser Weise eine Fortsetzung, mithalten kann.

Diesmal begleiten wir nicht mehr Tilda – mittlerweile Mutter geworden –, sondern ...

Nach Caroline Wahls Debütroman war ich gespannt, ob ihr neues Buch, in gewisser Weise eine Fortsetzung, mithalten kann.

Diesmal begleiten wir nicht mehr Tilda – mittlerweile Mutter geworden –, sondern ihre kleine Schwester Ida, welcher nach dem Tod der Mutter alles zu viel wird. Sie muss raus, fort von ihrer Heimatstadt, einfach möglichst weit weg und landet schließlich eher zufällig auf Rügen. Dort sucht sie Ruhe und Zeit, um mit all dem abzuschließen und sich bewusst zu werden, was sie in Zukunft möchte.
Als sie unbeabsichtigt auf den sympathischen Kneipenbesitzer Knut trifft, im späteren Verlauf bei ihm und seiner Frau Marianne einzieht, verändert sich ihr Leben komplett. Geborgenheit und Fürsorge, Akzeptanz und Leichtigkeit bestimmen ihr gemeinsames Miteinander. Als Ida überdies noch Leif kennenlernt, scheint ihr Leben erträglicher zu sein.
Doch wie das Leben nun mal so spielt, gibt es einige Wendungen und tragische Erlebnisse. Idas Schicksal scheint es doch nicht längerfristig gut zu meinen und wirft ihr Leben erneut um …

Caroline Wahl hat erneut bewiesen, dass sie erzählen kann und das auf eine ganz eigene, besonders feinsinnige Art, welche den Leser direkt in den Bann zieht. So konnte ich nicht anders, als das Buch schnellstmöglich zu verschlingen!
So manchem Leser werden Schnittstellen aufgefallen sein, die ihrem ersten Roman ähneln. Diese schaden dem Buch jedoch keineswegs, schließlich sind sie keine erneute Nacherzählung, sondern Fundament einer ganz neuen Handlung.

Schlussendlich bleibt nur zu sagen: Die Autorin enttäuscht mit dem Buch keinesfalls, sondern hat einen großartigen zweiten Roman geschrieben, dessen einziger Nachteil ist, dass er zu schnell vorbei war. Nun bleibt nichts anderes übrig, als schon jetzt mit sehnsüchtiger Vorfreude auf ihr nächstes Buch zu warten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.04.2024

Eine tolle, umfassende Ausgabe für eine intensive Kafka-Lektüre

Der Process
0

»Jemand musste Josef K. verläumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.«

Mit diesem weltberühmten ersten Satz, welcher den Leser gleich zu Beginn mitten ...

»Jemand musste Josef K. verläumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.«

Mit diesem weltberühmten ersten Satz, welcher den Leser gleich zu Beginn mitten ins Geschehen katapultiert, beginnt „Der Process“ von Franz Kafka. Josef K., Prokurist einer Bank, wird, ohne über die Hintergründe informiert zu werden, am Morgen seines 30. Geburtstages verhaftet. Doch diese Verhaftung ist keine im gewöhnlichen Sinn, denn „[d]as Verfahren ist nämlich im allgemeinen nicht nur vor der Öffentlichkeit geheim, sondern auch vor dem Angeklagten.“
K. sucht, da die Verhaftung seinem bisherigen Leben grundsätzlich nicht im Wege steht, Hilfe, um herauszufinden, weswegen er angeklagt wurde und gerät in die Fänge der Bürokratie. Mysteriöse Zwischenfälle streifen K. und sein Verfahren scheint ein Eigenleben entwickelt zu haben, welches allgegenwärtig über ihn schwebt.
Doch zu viel soll über den Inhalt gar nicht verraten werden; man muss den Roman selbst gelesen haben, um in dessen faszinierenden Kuriosum regelrecht zu versinken.

Diese tolle, vom bedeutendsten Kafka-Forscher Reiner Stach, kommentierte Ausgabe bietet neben dem ausführlichen Kommentar, welcher ein intensives close reading ermöglicht, zusätzlich noch Informationen zur Entstehung, Überlieferung und Rezeption. Mit dieser Ausgabe ist eine eingehende Beschäftigung mit einem immer noch aktuellen Klassiker gewährleistet! 

Ganz egal, ob man Kafkas Roman zum ersten oder wiederholten Male liest, diese Ausgabe gewährt einen nützlichen Gesamtüberblick, um sich den Text verständlicher erschließen zu können.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.04.2024

„Ich bin daran beteiligt, Nuri. Und weil ich mitmache, weil alle immer mitmachen, ändert sich nichts.»

Und alle so still
0

„Ich bin daran beteiligt, Nuri. Und weil ich mitmache, weil alle immer mitmachen, ändert sich nichts.»

Eine bis dahin unbekannte Protestform etabliert sich. Das besondere dabei, es werden keine Forderungen ...

„Ich bin daran beteiligt, Nuri. Und weil ich mitmache, weil alle immer mitmachen, ändert sich nichts.»

Eine bis dahin unbekannte Protestform etabliert sich. Das besondere dabei, es werden keine Forderungen gestellt, keine Schilder gebastelt und es wird nichts geschrien. Einzig bemerkbar sind Frauen, die auf der Straße liegen und sogleich sämtliche Arbeit und Pflichten ruhen lassen sowie Männer, die nichts mehr verstehen und ab jetzt auf sich allein gestellt sind. Und alle so still …

Wir begleiten Elin, eine junge Frau – Influencerin, Ruth, deren bisher unbekannte im Krankenhaus arbeitende Tante und Nuri, einen sich in verschiedenen Jobs verausgabenden jungen Mann, geprägt von Selbstzweifeln.
Dabei gelingt es Mareike Fallwickl, jedes erzählte Schicksal für sich alleine stehen zu lassen und zugleich mit den anderen zu verweben.

Der Roman erstreckt sich über acht Tage und wird aus den Sichtweisen der drei Protagonisten erzählt. Doch neben diesen gibt es noch drei weitere Perspektiven, die den Leser zuerst ratlos zurücklassen: Die Pistole, die Berichterstattung und die Gebärmutter. Aufgrund der unterschiedlichen Blickrichtungen erlebt der Leser die geschilderten Erlebnisse möglichst intensiv. Es ist manchmal nicht leicht, einfach weiterzulesen, sondern man stockt, hält inne, denkt über bestimmte Schilderungen nach und ist entsetzt. Doch das Schlimmste daran ist, man realisiert, dass dieses Buch zwar eine fiktionale Geschichte erzählt, viele der Begebenheiten es jedoch keinesfalls sind, sondern jedem bekannt, aber oft nicht bewusst sind.

Ein Buch, das bewegt, schockiert und dadurch viel zum Nachdenken anregt – ein äußerst wichtiger Roman, den es zu lesen lohnt und der noch lange nachhallen wird!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.04.2024

Es gibt keine Heimat!

Solange es eine Heimat gibt. Erika Mann
0

»Die Deutschen zeigen nicht die Spur einer Empfindung von Verantwortung, geschweige denn ein Gefühl von Schuld. […] Es gibt keine Heimkehr!«

Wir schreiben den 21. Mai 1949. Der Tag, an dem Klaus Mann, ...

»Die Deutschen zeigen nicht die Spur einer Empfindung von Verantwortung, geschweige denn ein Gefühl von Schuld. […] Es gibt keine Heimkehr!«

Wir schreiben den 21. Mai 1949. Der Tag, an dem Klaus Mann, ältester Sohn von Thomas Mann, eine Überdosis Schlaftabletten schluckte und somit sein Leben freiwillig dem Tod übergab. Ausgehend von diesem Ereignis und immer wieder darauf zurückkehrend erzählt die Autorin Unda Hörner, beginnend mit der Jugend, prägende Facetten aus dem Leben von Erika Mann. Oft spielt dabei ihr geliebter Zwillingsbruder eine wichtige Rolle, dessen Todessehnsucht ihn schon früh plagte und für dessen nun vollzogenen Selbstmord sie sich selbst verantwortlich fühlt. Schließlich war sie nicht bei ihm, hat ihn allein gelassen in Cannes und war stattdessen mit den Eltern auf einer Vortragsreise in Stockholm unterwegs.

Das Buch beinhaltet eine wilde Reise durch das spannende und mehr als vielfältige Leben von Erika Mann.
In dessen Mitte stehen leitmotivisch der Vater Thomas Mann, Erikas Drang nach Freiheit, Veränderung sowie ihre scharfe Kritik am NS-Regime, welche sie besonders durch prägnante Essays und durch ihr politisches Kabarett „Die Pfeffermühle“ äußerte, aber auch der Umgang mit dem Exil, dem damit einhergehenden Verlust von Heimat und dem Leben in der Schwebe.
Eindrücklich wird auch das Ende des Buches in Erinnerung bleiben, welches sich mit den Nürnberger Prozessen sowie der Auseinandersetzung mit der Schuld-Frage beschäftigt und das Aufeinandertreffen von NS-Größen mit der ihnen wohl bekannten und verhassten Gegnerin schildert.

Unda Hörner gelingt es, dass Leben von Erika Mann spannend und auf eine annähernd reale Weise darzubieten, indem sie ihrem Buch epische Elemente zugrunde legt und dem Leser erlaubt, quasi direkt – als außenstehender Beobachter – an den Geschehnissen beteiligt zu sein.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere