Wie ein Sommerurlaub in Italien
Der namenlose Journalist hatte seinen Job in der Schweiz gekündigt und ein extrem günstiges kleines Steinhaus in Piemont gekauft. Hierhin zog er sich zurück, um sein erstes Buch zu schreiben. Das Häuschen ...
Der namenlose Journalist hatte seinen Job in der Schweiz gekündigt und ein extrem günstiges kleines Steinhaus in Piemont gekauft. Hierhin zog er sich zurück, um sein erstes Buch zu schreiben. Das Häuschen stand am Fuß eines Hangs, das nächste Dorf war in Sichtweite, aber doch einen Kilometer entfernt, die Menschen mehr erahnbar als sichtbar. Seine Freundin studierte, verbrachte jedoch die Semesterferien bei ihm in der Stille. Auch Freunde kamen zu Besuch, schlugen ihre Zelte auf der hinteren Wiese auf oder schliefen im Schlafsack im Ziegenstall. An den Abenden rauchten sie, tranken und sangen. Sobald sich das neue Semester ankündigte, verschwanden alle und er blieb allein.
Wenn ihm nichts einfiel, was er schreiben konnte, werkelte er am Haus oder am Stall. Er sorgte sich nicht um seine Ideen, die Furcht vor dem weißen Blatt kannte er nicht. Einmal die Woche musste er unter die Leute. Er ging über die Felder, überquerte den Fluss, der im Sommer wenig Wasser trug, bog nicht links ins Dorf ab, sondern nahm den rechten Weg, ins drei Kilometer entfernte Städtchen. Auf der Piazza Garibaldi kehrte er in die Bar Da Pierluigi ein und traf Giuseppe, Mauro, Sergio und Roberto zum Rauchen, Weintrinken und für kleine Unterhaltungen.
Ich suche nie nach literarischem Stoff; nicht in der Kneipe und auch sonst nirgendwo. Ich bin froh, wenn der Stoff mich in Ruhe lässt. S. 38
Beim Schreiben ist ihm Plausibilität wichtig. Er selbst hat ja im Laufe seines Lebens fünf Söhne großgezogen, aber die Realität taugt nicht für einen Roman. Der Leser würde bei einer Geschichte mit fünf Söhnen die Stirn runzeln und diese Stirnrunzler verderben alles, sie stecken andere an.
Fazit: Alex Capus hat eine Idylle entstehen lassen. Seine Geschichte liest sich, wie ein Sommerurlaub in Italien. Er schreibt über das, was er wahrnimmt, beschenkt meine Sinne mit Landschaftsbeschreibungen, Klängen und Gerüchen, kommt vom Hölzchen aufs Stöckchen. Es scheint, als teilte er ein Stück seines Lebensweges mit mir. Und er erzählt übers Schreiben, zeigt mir, wie er seine Figuren formt, worauf es ihm ankommt und wie er eigene Erfahrungen aus Erlebnissen einfließen lässt.
Und genauso, wie ich als Autor nur schreiben kann, was ich in mir vorfinde, vermag sich auch den Leserinnen und Lesern nur zu erschließen, was in ihrer Seele schon geschrieben steht. S. 91
Eine Erkenntnis, die ich teile. Eine wirklich ganz und gar charmante Erzählung wie eine Gutenachtgeschichte. Schön.