Eindrucksvoller und bewegender Roman, der zum Nachdenken anregt!
Im Droemer Verlag erscheint "Das Flüstern des Lebens" von Katharina Fuchs.
Die Nachricht vom Tod Corinnas, einer 68-jährigen reichen Kaffeeplantagenbesitzerin in Tansania mit Villa in München, versetzt ...
Im Droemer Verlag erscheint "Das Flüstern des Lebens" von Katharina Fuchs.
Die Nachricht vom Tod Corinnas, einer 68-jährigen reichen Kaffeeplantagenbesitzerin in Tansania mit Villa in München, versetzt ihre Schwester Doris und deren erwachsene Kinder Isabelle und Moritz nicht nur in Trauer, sondern präsentiert ihnen unerwartet ein neues Familienmitglied. Das Geheimnis Tante Corinnas ist deren 14-jährige Tochter Hannah, von deren Existenz niemand in der Familie etwas wusste und die nun nach dem Tod Corinnas bei Doris in der Münchner Villa wohnen soll und im Schoß der Familie aufgenommen wird. Architektin Isabelle erbt die Kaffeeplantage und reist nach Tansania, um die Geschäfte zu regeln.
"Der Himmel über mir war wie ein samtiger Mantel, bestickt mit Diamanten, die in der Dunkelheit tanzten. Setzte man Eitelkeit, Macht und Egoismus einzelner Menschen, die wie im Fall von Corinna für so viel Leid sorgten, dazu in Relation, verschwanden sie in der Bedeutlungslosigkeit." Zitat Seite 344
Das Buch startet mit Corinnas Todesfall und dem unerwarteten Eintreffen Hannahs. Doch es wurde für mich erst richtig spannend, als Isabelle nach Tansania reist, um ihr Erbe zu inspizieren. Ich habe geahnt, wie sich Hannahs Geburt logisch erklären würde und fand es merkwürdig, dass Corinna ihren Verwandten ihre Tochter jahrelang unterschlagen hat. Willensstark wie sie war, hätte sie sich auch über diese Hürde ethnischer Bedenken in der Familie hinweg gesetzt. Es wurde mir schnell klar, dass Moritz sich seine Chance auf eine Anfechtung des Testaments vor Gericht nicht nehmen lassen wollte.
In "Das Flüstern des Lebens" war ich neben der Herkunft Hannahs auch gespannt auf die zahlreichen Personen und ihr Handeln, ich konnte aber nicht mit allen warm werden. Hannah empfand ich reifer als eine übliche 14-jährige, sie tat mir leid, so zwischen den Stühlen zu stehen und ohne vertraute Personen in einer neuen Familie leben zu müssen. Doch Doris wird für sie zur Vertrauensperson, die ihr mit großmütterlicher Güte und Liebe zur Seite steht. Mit Isabelle habe ich schnell Sympathie geschlossen und fand es dann etwas sehr heldenhaft, wie perfekt sie sich in die Leitung der Kaffeefarm einarbeitet, nachhaltigen Anbau plant und für humane Bedingungen gegen Kinderarbeit engagiert. Ihre Vorhaben lassen sich nicht mal eben umsetzen, doch sie beweist damit Herzblut für die Menschen und die Farm. Die lebendigen Schilderungen der Kaffeeverarbeitung, die Gespräche mit den Einheimischen und die Erlebnisse in der bildhaft beschriebenen Serengeti waren für mich das Highlight der Geschichte.
Tante Corinna war zu Beginn der Geschichte eine schillernde Figur, die alle bewundern, doch der sie umgebende Glanz und die Anerkennung in der Familie bröckelte, je mehr man über sie erfuhr. Egoistisch, eigenwillig und wie ein Relikt aus einem vergangenen Jahrhundert entpuppte sie sich als übriggebliebene Kolonialherrin, die sich auf Kosten anderer das vom Leben nahm, was sie wollte und ihren Willen durchsetzte.
Sehr detailliert wird die Testamentsanfechtung in allen Einzelheiten geschildert, als Juristin ist die Autorin in diesen Vorgängen versiert, es ist aber sicher nicht für jede Leserin fesselnd. Und die Romanze Isabelles war für mich etwas sehr nach dem berühmten Vorbild "Jenseits von Afrika" gestrickt.
Katharina Fuchs Romane sind für mich durch ihren Erzählstil immer ein Lesegenuss. Ich schätze ihre spürbare Recherche und mag die Geschichten, die von interessanten Schicksalen erzählen und aus dem Leben gegriffen sind. In diesem Buch vereint sie meiner Meinung nach recht viele Themen und Nebenhandlungen, die etwas von der Haupthandlung ablenken.
Das Buch ermöglicht interessante Einblicke in Kinderarbeit, fehlende Bildungschancen und die Traditionen der Massai und die poetisch Schilderung der landschaftlichen Schönheit Tansanias habe ich genossen. Aufschlussreich sind auch die Bedingungen auf der Kaffeefarm, die von Regenzeit, Überflutung, Hitzeperioden und Schädlingen abhängen und für diese Themen schätze ich den breit angelegten Familienroman.
Katharina Fuchs hat mal wieder ein Händchen für ansprechende Geschichte bewiesen, der den Blick auf unterschiedliche Kulturen öffnet und zeigt, dass unsere Vorstellungen in anderen Kulturen nicht immer kompatibel sind.
"Das Flüstern des Lebens" ist ein eindrucksvoller und bewegender Roman, der eine gewisse Dramatik entwickelt, zum Nachdenken anregt und mir Einblicke in eine Kaffeeplantage in Tansania geschenkt hat.