Seelenschmeichler
Das Haus verlassenSeit mehreren Jahren wohnt die Erzählerin einem alten Feldsteinhaus und fühlt sich darin wohl. Aber das Leben auf dem Land und in dem alten Gemäuer ist nicht ganz so einfach. vielmehr ist es so, dass sich ...
Seit mehreren Jahren wohnt die Erzählerin einem alten Feldsteinhaus und fühlt sich darin wohl. Aber das Leben auf dem Land und in dem alten Gemäuer ist nicht ganz so einfach. vielmehr ist es so, dass sich die Frau dazu entschlossen hat, das Haus wieder freizugeben um mehr Raum für sich selbst zu schaffen. Die Arbeiten am Haus und im Garten sind zeitaufwendig, ja fast schon Zeitfresser und genau aus diesem Grund soll jetzt ein Schlussstrich gezogen werden. Mit der Veröffentlichung der Verkaufsannonce im Netz und den ersten Besichtigungsterminen mit möglichen Käufer:innen geschieht etwas: das Haus wehrt sich und zeigt seiner aktuellen Besitzerin, dass das Leben in alten Gemäuern mit ganz viel Herz und Seele verbunden ist...
Um ehrlich zu sein, hätte ich dieses Buch beinahe verpasst, wenn mich nicht die begeisterten Worte einer lieben Freundin darauf aufmerksam gemacht hätten. Und genau wie ihre überschäumenden Worte zum Buch meine Neugier entfacht haben, findet das Buch seinen Weg in mein Herz.
Auf nicht einmal 100 Seiten weiß die Autorin die dunklen und unschönen Ecken des Hauses zugänglich zu machen, die abgestoßenen Kanten und Kerben an Türen und Möbel zu zeigen und dem alten Gemäuer Leben einzuhauchen. Jeder Stein, jeder Balken und jeder Dachziegel atmet plötzlich den Geist der letzten 140 Jahre aus und zeigt, dass ein Haus eben mehr ist als das bloße Zusammenfügen von Steinen, Mörtel und Holz.
Die Mauern geben den Duft von frischem Gebackenen wieder frei, die Wärme des Kamins breitet sich aus und umhüllt die Leser:innen wie eine liebevolle Umarmung. Auch die Zeichen des Unmuts, die Haus und Besitzerin mit den Besichtigungsterminen verbinden, werden deutlich spürbar und so erzählt das Haus nach und nach nicht nur seine Geschichte, sondern auch die der Besitzerin. Sie merkt plötzlich, dass dieses alte Gemäuer so viel mehr ist als nur ein Dach über dem Kopf, Wohnraum und Bleibe - es ist ein Zuhause.
Die Figuren sind sehr treffend beschrieben, ihre Eigenarten in Metaphern verpackt und so entsteht ein sehr genaues Bild von den der jeweiligen Besichtigungssituation, den einen oder anderen Schmunzler inklusive. Die wunderschönen Illustrationen sind ein fest für die Sinne und geben dem Buch einen ganz besonderen Schliff.
Den Kurzroman kann man nicht wirklich mit Worten beschreiben, sondern er muss gelesen werden, um ihn als den Seelenschmeichler zu verstehen, der er ist.