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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.05.2024

Wieder ein Erlebnis

Hundert Millionen Jahre und ein Tag
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Eigentlich interessieren mich Bücher über Expeditionen in die Berge nicht besonders. Paläontologen auch nicht. Ich mache mir nichts aus Eis, Schnee und Gletschern. Trotzdem habe ich gespannt verfolgt, ...

Eigentlich interessieren mich Bücher über Expeditionen in die Berge nicht besonders. Paläontologen auch nicht. Ich mache mir nichts aus Eis, Schnee und Gletschern. Trotzdem habe ich gespannt verfolgt, wie der Paläontologe Stanislav Henry Armengol einem Traum hinterherjagt.

Tief in den Gletscherregionen der Pyrenäen muss es eine Höhle geben, in der ein Skelett liegt. Der alte Leucius, der diese Geschichte immer wieder erzählt hat, sagte, es wäre ein Drache. Aber das kann doch nur ein Dinosaurier sein, mit Glück sogar ein Brontosaurus. Stan muss einfach nachsehen und stellt eine kleine Gruppe zusammen, die ihn begleitet.

Seine Vergangenheit begleitet ihn auch. Seine Kindheit mit einem Vater, der allgemein „Kommandant“ genannt wurde, war auch eine Herausforderung.

Jean-Baptiste Andrea nimmt einem mit, egal wohin, mit viel Einfühlungsvermögen, Humor und wundervoller Sprache. Seine Bücher zu lesen ist ein intensives Erlebnis. Ich bin wieder einmal tief beeindruckt.

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Veröffentlicht am 14.05.2024

Atmosphärischer Thriller

Das Baumhaus
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Ein neues Buch von Vera Buck, ich bin dabei! Ich lese sie alle und bin immer wieder begeistert. Auch hier lehrt sie uns das Gruseln.

Eigentlich wollten Nora und Henrik einen relaxten Urlaub in Schweden ...

Ein neues Buch von Vera Buck, ich bin dabei! Ich lese sie alle und bin immer wieder begeistert. Auch hier lehrt sie uns das Gruseln.

Eigentlich wollten Nora und Henrik einen relaxten Urlaub in Schweden machen, das alte Ferienhaus von Henriks Großeltern neu beleben und im See baden. Aber sehr bald tauchen seltsame Gestalten auf und dann verschwindet auch noch ihr kleiner Sohn. Auf der Suche nach ihm findet Henrik das halb verfallene Baumhaus seiner Kindheit wieder und erinnert sich allmählich. Ein ganzer Haufen Ungereimtheiten verfolgt ihn.

Gleichzeitig erhält Rosa ganz unerwartet ein Jobangebot der Polizei. Sie untersucht schon länger den Einfluss von vergrabenen Kadavern auf Pflanzen. Das könnte doch ganz neue Impulse für forensische Ermittlungen bringen.

Hier entwickelt sich schnell eine sehr unheimliche Atmosphäre, mysteriös und etwas morbide. Es gibt Geheimnisse in der Gegenwart und in der Vergangenheit, die gelüftet werden müssen und alle drehen sich um Kinder, die Qualvolles erleiden mussten. Es gibt Hochspannung und maximale Verwirrung auf mehreren Zeitebenen.

Die Figuren sind knorrig und originell und werden alle gründlich eingeführt. Rosa, als menschenscheue unfreiwillige Ermittlerin mit einer Passion für Pflanzen und Verwesung hätte sogar Serienpotenzial. Ist das Teil 1 einer neuen, sagenhaften Reihe? Wer weiß!

Vielleicht wird hier das Thema „miserable Kindheit“ ein bisschen arg strapaziert. Irgendwie hat hier jeder sein Päckchen zu tragen über Generationen hinweg. Das stört aber nicht sehr, ist das Gesamtpaket doch umwerfend spannend.

Einen besonderen Mehrwert bietet das Hörbuch, das von unterschiedlichen Sprechern vorgetragen wird. Saskia Haisch, Leonie Landa, Laura Maire, Christiane Marx und Oliver Rohrbeck verkörpern die verschiedenen Hauptfiguren perfekt und geben dem Geschehen noch eine gute Extraportion Thrill ,11 Stunden und 42 Minuten lang.

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Veröffentlicht am 13.05.2024

Ist Religion noch zeitgemäß?

Die Hoffnung der Chani Kaufman
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Ist Religion die Erfüllung oder eine Fessel? Das ist hier das Thema, das von ganz unterschiedlichen Seiten beleuchtet wird. Chanis Geschichte geht nahtlos weiter. Wie pendeln hin und her zwischen London ...

Ist Religion die Erfüllung oder eine Fessel? Das ist hier das Thema, das von ganz unterschiedlichen Seiten beleuchtet wird. Chanis Geschichte geht nahtlos weiter. Wie pendeln hin und her zwischen London und Jerusalem, als wären es Nachbarstädte.

Chani ist frisch verheiratet, aber nach einem halben Jahr noch immer nicht schwanger, dabei liegen ihr alle in den Ohren. Ihre skeptische Schwiegermutter sucht schon mal vorsichtshalber eine neue Braut für das Söhnchen.

Rivka versucht sich in ein Leben ohne religiöse Vorschriften einzufinden, stellt aber fest, dass das weitere Kreise zieht, als sie dachte.

Und Avromi soll die Jeschiwa in Jerusalem besuchen, hat aber seine Probleme damit. Will er wirklich ein streng religiöses Leben?

Das Buch ist wahrhaft erhellend und geht tief. Es erklärt anschaulich, was alles zu einem Leben als streng gläubiger Jude gehört und wie es sich damit lebt. Es gibt Regeln und eine Gemeinschaft, die wie eine große Familie sein kann, die aber auch überwacht, kontrolliert und bestraft. Es braucht Mut und Überwindung, sich davon zu lösen wie Rivka und Avromi. Man bekommt hier alle Seiten nahegebracht und kann sie sogar verstehen.

Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen. Es erzählt unterhaltsam und berührend eine Familiengeschichte, die man nicht oft zu lesen bekommt und hat mir eine ganz andere Welt gezeigt. Es wagt auch tatsächlich, die ketzerische Frage zu stellen, ob Religion noch zeitgemäß ist.

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Veröffentlicht am 16.04.2024

Grandioses Finale

Astrids Vermächtnis
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Auf dieses Buch habe ich gut zwei Jahre lang gewartet und hatte ein bisschen Sorge, ob ich wohl wieder reinkomme, ohne die Vorgänger nochmal zu lesen. Tatsächlich ging das gut. Die ersten hundert Seiten ...

Auf dieses Buch habe ich gut zwei Jahre lang gewartet und hatte ein bisschen Sorge, ob ich wohl wieder reinkomme, ohne die Vorgänger nochmal zu lesen. Tatsächlich ging das gut. Die ersten hundert Seiten graben wir tief in der Vergangenheit und lernen sogar noch neue Aspekte der Geschichte der Hekne Schwestern kennen.

Dann ist Krieg in Butangen. Die Nazis landen in Norwegen, heucheln Freundschaft und nehmen sich, was sie wollen. Sie halten die norwegische Kultur für bewundernswert nordisch und möchten in der Stabkirche in Dresden auch noch die zweite der Schwesternglocken aufhängen. Auch der Hekne Teppich muss doch zu finden sein.

Pfarrer Kai Schweigaard ist inzwischen steinalt, aber noch immer im Dienst. Gemeinsam mit der jüngsten Astrid Hekne leistet er erbitterten Widerstand. Ganz nach dem Wahlspruch: Müssen mir, dann müssen mir.

Ist man erst einmal in diesem Buch angekommen, kann man es nicht mehr weglegen. Mich hat direkt wieder der Zauber gepackt: Ein Dorf voller knorriger Gestalten, die Eis und Schnee trotzen und alte Geschichten mit ihrem Leben verwoben haben, moderne Menschen, die gleichzeitig fest daran glauben, dass ihre uralte Kirchenglocke vor Gefahren warnt.

Wir bekommen mit diesem Buch ein Finale mit allem Drum und Dran, nervenzerfetzende Spannung und das traurigste Happyend, das man sich vorstellen kann. Gegen Ende zieht Lars Mytting alle Register. Da bleibt kein Auge trocken, trotzdem ist es irgendwie schön.

Ich bin wieder einmal sehr begeistert und auch sehr gerührt. Diese Saga ist besonders und wirklich mitreißend. Nur das Cover ist schwer verunglückt. Lieber Insel Verlag, dieses Cover hat das Buch nicht verdient. Das muss auch mal gesagt werden.

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Veröffentlicht am 04.04.2024

Dicke Empfehlung

James
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Bei jedem neuen Buch von Precival Everett staune ich, wie vielseitig er ist. Er scheint jedes Genre bedienen zu können und kommt auf unterschiedlichsten Wegen doch immer wieder zu seinem Hauptanliegen, ...

Bei jedem neuen Buch von Precival Everett staune ich, wie vielseitig er ist. Er scheint jedes Genre bedienen zu können und kommt auf unterschiedlichsten Wegen doch immer wieder zu seinem Hauptanliegen, Rassismus in Amerika anzuprangern.

Den „Huckleberry Finn“ umzuschreiben ist höchst innovativ und gleichzeitig so schlüssig umgesetzt, dass man sich fragt, warum das sonst noch keiner gemacht hat.

Es passiert alles, was im Original auch passiert. Huck und Jim fliehen aus unterschiedlichen Gründen aus ihrem Zuhause und tun sich zusammen, erleben allerlei Schreckliches auf einer abenteuerlichen Reise mit dem Floß den Mississippi entlang. Nur zeigt uns Jim dabei eine Sicht auf die Welt, auf die wir nicht im Traum gekommen wären.

Sklaven sind nicht die dummen Analphabeten, für die die weißen Massas sie halten. Jim kann lesen, schreiben und sich gewählt ausdrücken. Für Weiße spielt er den Trottel, der kaum reden kann, damit er ihrem Bild entspricht, bei dem Schwarze im Grunde Tiere sind, die nichts denken und nichts fühlen. Tatsächlich stellen sich alle Sklaven dumm, weil sie gelernt haben, dass es ihnen besser bekommt. In einer Welt, in der Weiße das Sagen haben, ist es nützlich nicht aufzufallen.

Hier ist man direkt dabei, erlebt in der ersten Reihe mit, wie es war, ein Sklave zu sein, Willkür, Borniertheit und Menschenverachtung in allen grausigen Spielarten. Es ist unglaublich, was Menschen alles Menschen antun können und doch glaubt man Jim jedes Wort.

Dieses Buch ist ganz viel gleichzeitig: Die spannende Neuerzählung eines Klassikers, die leidvolle Geschichte eines Sklaven, ein Abenteuer, ein Fanal gegen Rassismus und vor allem anderen ein Augenöffner, der verdeutlicht, was „Sklaverei“ wirklich bedeutet.

Dicke Empfehlung!

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