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Veröffentlicht am 16.07.2024

Spin-Off von "Eine Frage der Höflichkeit"

Eve
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Der Kurzroman "Eve" ist die etwas verspätete Printausgabe einer schon 2013 als E-Book veröffentlichten Geschichte über Evelyn Ross, bekannt bereits aus "Eine Frage der Höflichkeit". Die Figur war dem Autor ...

Der Kurzroman "Eve" ist die etwas verspätete Printausgabe einer schon 2013 als E-Book veröffentlichten Geschichte über Evelyn Ross, bekannt bereits aus "Eine Frage der Höflichkeit". Die Figur war dem Autor wohl so ans Herz gewachsen, dass er ihre Geschichte weiterführen wollte.
Evelyn sitzt nach dem Bruch mit ihrem New Yorker Freund im Zug nach Chicago, um in ihre Heimat zurückzukehren, beschließt dann aber spontan, im Zug zu bleiben und nach Los Angeles weiterzufahren.
Berichtet wird uns das von Charlie, einem pensionierten Cop, der auf der Rückreise von einem Familienbesuch in New York im selben Zug sitzt. Und darin besteht auch ein interessanter Kunstgriff des Autors, dass Evelyns Geschichte aus der Perspektive von unterschiedlichen Menschen erzählt wird, die sie im Laufe der Geschichte kennenlernt, nur hin und wieder auch aus ihrer eigenen.
Sie bezieht Quartier im berühmten Beverly Hills Hotel und ist so gleich mittendrin in der Hollywood Szene. Durch das Versetzen eines wertvollen Schmuckstücks bessert sie ihre Kasse und ihre Garderobe auf. "Typisch für eine Frau auf der Jagd nach einem reichen Ehemann", denkt Finnegan, der Hoteldetektiv. Falsch! Sie lernt Prentice kennen, einen abgehalfterten Star, der zu dick geworden ist, und auch die berühmte Schauspielerin Olivia de Havilland. Diese hat gerade die Rolle der Melanie in "Vom Winde verweht" ergattert, steht aber völlig unter der Knute der Studiobosse. Eve hilft ihr dabei, sich ein paar kleine Freiheiten zu erkämpfen. Dann wird "Dehavvy", wie sie von den Papparazzi genannt wird, mit auf fragwürdige Weise entstandenen Nacktfotos erpresst und Eve kommt ihr mit Unterstützung von Charlie und Prentice zu Hilfe. Auch die Studiobosse haben erkannt, dass Eve über besondere Fähigkeiten verfügt, und bieten ihr einen Job als Problemlöserin für Olivia an.
Wie immer besticht Towles' Schreibstil durch seine elegante Sprache, seine eindrücklichen Charakterisierungen der handelnden Personen, seine atmosphärischen Ortsbeschreibungen und seinen Humor. Durch den Kniff, sie von anderen beschreiben zu lassen, erfahren wir viel über Eve, aber vieles bleibt auch rätselhaft. Auf jeden Fall entspricht sie nicht dem damaligen Frauenbild, sie ist selbstbewusst, unabhängig und intelligent. Sie findet eine Nische für sich im männerbeherrschten Hollywood und verändert das Leben all derer, mit denen sie zusammentrifft. Eine sympathische Hauptfigur, von der man gern noch mehr erfahren würde. Eine Gesellschaftsbeschreibung des Hollywoods der späten 30er Jahre, die sich allmählich zu einem Krimi entwickelt.
Amos Towles hat es wie immer geschafft, mich mit seiner Erzählung in seinen Bann zu ziehen, mich mit seinem Schreibstil zu begeistern und mich bestens zu unterhalten. Nur etwas länger hätte die Geschichte sein dürfen!

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Veröffentlicht am 30.05.2024

Augenzwinkerndes Krimivergnügen mit viel Spannung

Mord stand nicht im Drehbuch
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Anthony Horowitz spinnt die Serie um sein fiktives Selbst weiter, in der er quasi den Doctor Watson für Hawthornes Sherlock Holmes spielt. Dabei beginnt die Geschichte mit einer klaren Absage an Hawthorne: ...

Anthony Horowitz spinnt die Serie um sein fiktives Selbst weiter, in der er quasi den Doctor Watson für Hawthornes Sherlock Holmes spielt. Dabei beginnt die Geschichte mit einer klaren Absage an Hawthorne: Horowitz hat seinen drei Hawthorne-Bücher umfassenden Vertrag erfüllt und will die Serie nicht mehr fortsetzen.
Dumm nur, dass es im Zusammenhang mit der Londoner Premiere seiner Krimikomödie Mindgames einen Mord gibt und Horowitz binnen kurzem als Hauptverdächtiger dasteht! Da kann ihm nur einer helfen, nämlich sein Partner Daniel Hawthorne, der Privatdetektiv und Ex-Cop.
Die Aufklärung dieses Mordfalls im Theater-Milieu gestaltet sich sehr spannend und unterhaltsam, denn die Verdächtigen sind alle mehr oder minder exzentrische Theatermenschen, bei der Ermordeten handelt es sich um eine boshafte bis bösartige Theaterkritikerin, der niemand eine Träne nachweint und die mit ihrem gadenlosen Verriss von Horowitz' Theaterstück zur baldigen Absetzung des Stückes beiträgt.
Gekonnt verbindet Horowitz hier wieder Realität und Fiktion, in dem er ein fiktives Selbst erschafft, dass jedoch so weit wie möglich seinem realen Selbst nachempfunden ist. Chapeau! Die Schauspieler, der Impresario samt Assistentin und Buchhalter und die Familie der Kritikerin haben alle ihre Geheimnisse und die Ermittlungen offenbaren immer wieder neue, unerwartete Wendungen, die schließlich zu einem Showdown führen, den Hawthorne meisterhaft in Agatha-Christie-Manier als Versammlung aller Beteiligten inszeniert hat. Ich habe den Täter nicht erraten können, war gespannt bis zum Schluß und habe mich dabei bestens amüsiert!

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Veröffentlicht am 27.04.2024

Geheimbündler am Gardasee

Was der See birgt
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Das Cover ist schön, aber für mich mit dräuendem Gewitter etwas zu düster für diesen Krimi. Erinnert stark an die Covergestaltung von Koppelstätters Südtirol-Reihe, wobei diese neue Reihe doch etwas heiterer ...

Das Cover ist schön, aber für mich mit dräuendem Gewitter etwas zu düster für diesen Krimi. Erinnert stark an die Covergestaltung von Koppelstätters Südtirol-Reihe, wobei diese neue Reihe doch etwas heiterer und leichter wirkt.
Gianna Pitti ist Polizei-Reporterin des Messaggero di Riva und jüngster Spross einer verarmten, aber alteingesessenen Adelsfamilie. Ihr Onkel ist Francesco Marchese Pitti-Sanbaldi, ein weitgereister Privatier und Lebenskünstler. Dessen Bruder Arnaldo, Giannas Vater und ein angesehener Journalist, ist vor ca. einem Jahr spurlos verschwunden. Dann gibt es noch Elvira Sondrini, Chefredakteurin des Messaggero, Giannas Chefin und eine Freundin der Familie Pitti-Sanbaldi.
Die Handlung wird aus dem jeweiligen Blickwinkel dieser drei Hauptfiguren geschildert.
Gianna hatte Filippo, einen jungen Journalisten aus Mailand, vor einem Jahr bei einem Seminar kennen gelernt. Nun hatte er am Gardasee zu tun und hatte sich bei ihr gemeldet. Bei einem Date am Vorabend waren sie sich etwas näher gekommen, Gianna ist ein wenig verliebt! Doch dann muss sie entdecken, dass es sich bei der am Ufer angespülten Leiche um eben diesen Filippo handelt ...
Zusammen mit Chefin und Onkel beginnt sie zu ermitteln. Es zeigt sich, dass es um die Machenschaften einer Freimaurerloge geht, deren innerer Zirkel nochmal einen Geheimbund bildet, der immensen Einfluss auf Politik und Wirtschaft der Region ausübt und skrupellos seine Interessen durchsetzt. Mitglieder dieses Geheimbundes finden sich in allen Bereichen und Gremien der lokalen Gesellschaft, und man weiß nicht, wem man noch trauen kann. Außerdem zeichnet sich ab, dass ein Zusammenhang mit dem Verschwinden von Giannas Vater besteht.
Ein fulminanter Start in eine neue Krimireihe, die nicht aus der Sicht der Polizei beschrieben wird. Drei sympathische Protagonisten, von denen besonders Onkel Francesco eine sehr schillernde Persönlichkeit ist. Der Fall liest sich hochspannend, je mehr es dem Ende zuging, konnte ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen. Es gibt viel Lokalkolorit, augenzwinkernde Beschreibungen der Touristenmassen, die den Gardasee heimsuchen und schurkische Lokalpolitiker, die eher iher ihren eigenen Profit als das Allgemeinwohl im Auge haben.
Beim Finale bleiben noch einige Fragen offen, aber auf deren Beantwortung im nächsten Band kann man sich dann schon mal freuen. Ein vergleichsweise schmaler Band, was ich auch ganz angenehm finde, denn so ein schnelles Lesetempo länger durchzuhalten ist schwierig. Also ein spannender, origineller Regionalkrimi, der sich flüssig liest, gut unterhält, einem die Region näher bringt und vor allem sehr spannend ist!

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Veröffentlicht am 22.04.2024

Die wunderbare Wiederauferstehung der Freya Lockwood

Der falsche Vogel
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So ein richtig gemütlicher britischer Krimi, der in einem idyllischen englischen Dorf und auf einem etwas heruntergekommenen Landgut spielt! Die Protagonistin ist Freya, geschiedene Mutter einer inzwischen ...

So ein richtig gemütlicher britischer Krimi, der in einem idyllischen englischen Dorf und auf einem etwas heruntergekommenen Landgut spielt! Die Protagonistin ist Freya, geschiedene Mutter einer inzwischen erwachsenen Tochter. Nach dem Tod ihrer Eltern ist sie bei ihrer etwas exzentrischen Tante Carole aufgewachsen und hat bei deren Lebensgefährten Arthur in seinem Antiquitätenladen gelernt und mit ihm zusammen als Kunst- und Antiquitätendetektivin gearbeitet, bis eines Tages in Kairo etwas Furchtbares passiert ist. Was das war, wird im Laufe der Handlung peu à peu erklärt. Seitdem hatte Freya den Kontakt zu Arthur und auch zu ihrer Tante komplett abgebrochen, war nach London gezogen und hatte geheiratet. Nun ist Arthur tot, und wir als Leser wissen, dass er ermordet wurde - auch Tante Carole hat einen diesbezüglichen Verdacht. Und Arthur hatte in weiser Voraussicht auch schon alles vorausgeplant, denn Freya soll seinen Tod aufklären. Und außerdem zu ihrer wahren Berufung als Antiquitätenfahnderin zurückfinden, denn darin ist sie richtig gut - ihre Phase als Hausfrau und Mutter hat sie nicht wirklich befriedigt. Zunächst läßt Freya sich nur widerwillig darauf ein, blüht aber förmlich auf während der Ermittlungen auf dem Gut des verstorbenen Kunstsammlers Lord Metcalf, der möglicherweise in dubiose Geschäfte verstrickt war, und in Anwesenheit einer suspekten Gruppe von dessen Verwandtschaft, Personal und Anwalt. Zu ihrer Freude entdeckt sie, dass sie immer noch über ihre früher erlernten Fähigkeiten verfügt.
Humorvoll, unterhaltsam und spannend, genau das, was das Herz des Cosy-Fans begehrt. In gut lesbarem, flüssigen Schreibstil wird die Handlung aus je unterschiedlicher Perspektive einzelner Protagonisten geschildert und kommt dann zu einem überraschenden und befriedigenden Ende. Und läßt den Leser in der Hoffnung auf baldige Fortsetzung zurück. Für Fans des Genres eine klare Empfehlung!

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Veröffentlicht am 16.04.2024

Literarische Erinnerungen an die Pandemie

Die Verletzlichen
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Sigrid Nunez' flüssiger Schreibstil hat mich von Anfang an wieder in seinen Bann gezogen, aber ich war zuerst doch etwas irritiert: ein richtiger Roman ist das eigentlich nicht, denn es gibt auch keine ...

Sigrid Nunez' flüssiger Schreibstil hat mich von Anfang an wieder in seinen Bann gezogen, aber ich war zuerst doch etwas irritiert: ein richtiger Roman ist das eigentlich nicht, denn es gibt auch keine richtige Geschichte, es ist eher eine Reflexion über die Zeit der Pandemie, eine Erinnerung daran. Ich habe öfter mal den Begriff "Stream of Consciousness" aus der Literaturwissenschaft gehört, und dieser Begriff kam mir beim Lesen in den Sinn. Vielleicht habe ich da etwas falsch verstanden, aber hier schien mir diese Bezeichnung sehr zutreffend, Sigrid Nunez' Text wirkt wie die Niederschrift von Gedankengängen, bei denen man vom Hundertsten ins Tausendste kommt, sozusagen vom Hölzchen aufs Stöckchen. Nachdem ich mich darauf eingestellt hatte, bin ich ihr bei ihren Gedankengängen sehr gern gefolgt. Die Autorin ist eine brillante Schriftstellerin, die mit Worten umzugehen weiß, und natürlich ist das nicht einfach so vor sich hin gedacht, sondern genau geplant und gespickt mit kurzen literarischen Zitaten von unterschiedlichsten Schriftstellern zum Thema "Schreiben", denn auch mit diesem Thema beschäftigt sich die Autorin.
Wie auch "Eine Feder auf dem Atem Gottes" ist dieses Buch eindeutig biographisch, die Ich-Erzählerin ist Sigrid Nunez. Ob die zentrale kleine Geschichte über das Hüten des Papageis in der Wohnung einer Freundin und das Zusammentreffen mit dem auch dort wohnenden Studenten sich tatsächlich genauso zugetragen hat oder nicht, jedenfalls ist es auch eine typische Geschichte aus der Zeit der Pandemie. Da wir alle die Pandemie erlebt haben, wird jeder ein paar Begebenheiten finden,die ihn an sein eigenes Erleben erinnern.
Ich fand das Buch sehr gut lesbar, klug und amüsant und bedaure nur, dass ich mir so wenig davon merken kann, denn es quillt über vor interessanten Denkanstößen. Wenn man sich auf diese Art Buch einlassen kann, ist es eine sehr lohnende und unterhaltsame Lektüre.

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