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Veröffentlicht am 18.04.2024

Ein bisschen schnell gestrickt

Und Großvater atmete mit den Wellen
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Dieses Buch zeigt einen eher unbekannten Aspekt des Zweiten Weltkriegs. Während die Nazis in Russland einfallen, nehmen Japaner die Insel Java ein und internieren alle potenziellen Feinde. Das trifft die ...

Dieses Buch zeigt einen eher unbekannten Aspekt des Zweiten Weltkriegs. Während die Nazis in Russland einfallen, nehmen Japaner die Insel Java ein und internieren alle potenziellen Feinde. Das trifft die junge Sigrid, die als Norwegerin dort aufgewachsen ist. Ihre ganze Familie landet in einem Straflager, wo schlimme Zustände herrschen.

Auch Konrad, der titelgebende Großvater und Seemann, wird gefangengenommen, nachdem sein Schiff zerstört wurde. Im Lazarett lernt er die Krankenschwester Sigrid kennen.

Wir bekommen hier eine bedrückende Geschichte voller Kriegsgräuel, mit Hunger, Brutalität, Folter und allem Drum und Dran. Das ist natürlich schrecklich, es ist aber auch eine wirklich schreckliche Lektüre. Man steht hier knietief im Leid. Da nimmt sich die Triggerwarnung am Ende des Buches aus wie ein Witz.

Ich fand das Thema des Buches grundsätzlich sehr interessant, aber das Geschehen konzentriert sich sehr auf das entbehrungsreiche Lagerleben. Zum politischen Rahmen bekommt man allenfalls Häppchen gereicht. Wir sind auf Java, aber Javaner scheint es da gar nicht zu geben.

Geradezu lächerlich nimmt sich die Rahmenhandlung aus, die aus einem kurzen Vorwort besteht, das sagt, dass ihr Großvater der jungen Juni das Folgende erzählt hat. Danach bekommt Juni keinen Auftritt mehr und jeder, der nicht mit Großmutter im Regen tanzte, wundert sich. Das ist ein wirklich müder Versuch, den Bezug zum ersten Teil herzustellen.

Insgesamt ist das Buch schön erzählt, es wirkt nur leider mehr wie eine schnell gestrickte Fortsetzung eines Erfolgstitels. Schade. Konrads Geschichte wäre es wert gewesen, mit mehr Fürsorge behandelt zu werden.

Das Hörbuch liest Yara Blümel sehr schön, es dauert 8 Stunden und 11 Minuten.

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Veröffentlicht am 18.04.2024

Interessantes Thema, sehr blumig präsentiert

Das unsichtbare Band
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Am Anfang fand ich dieses Buch durchaus fesselnd. Die 15jährige Amal wird verheiratet, dabei möchte sie eigentlich nur zur Schule gehen und später studieren und kennt ihren Bräutigam gar nicht. Sie ist ...

Am Anfang fand ich dieses Buch durchaus fesselnd. Die 15jährige Amal wird verheiratet, dabei möchte sie eigentlich nur zur Schule gehen und später studieren und kennt ihren Bräutigam gar nicht. Sie ist Drusin, ein Mädchen aus einem libanesischem Dorf, das gelernt hat, dass Männer das Sagen haben.

Hier lernt man einiges über diese Religionsgemeinschaft, die selbst für muslimische Maßstäbe streng ist und durch ein irrwitziges Gerüst funktioniert, das Ängste schürt und in dem Frauen das letzte Glied sind.

Amal schafft es mit der Zeit, sich zu lösen, fängt an, ihre Situation zu hinterfragen, auch wenn da immer ein unsichtbares Band ist, dass sie mit ihrem alten Leben verbindet. Die tief verinnerlichten Gedankenstrukturen, lassen sich nur schwer ablegen.

Das ist der Kern des Themas, der interessant sein könnte. Leider verfällt Amal in eine schlimme Depression und vermittelt uns in erster Linie das. Der Großteil des Textes ist ein mehr oder weniger philosophisches Ringen, Hadern und Verzweifeln in äußerst blumiger Sprache. Amal hat natürlich jeden Grund dazu und studiert auch noch Literatur, nur ist es wirklich anstrengend, das zu lesen, wenn man keinen Sinn für eine Art Poesie hat, die nüchterne Gemüter Kitsch nennen würden.

Das Hörbuch liest Alexandra Sagurna schön und mit angemessener Betroffenheit. Es dauert 9 Stunden und 53 Minuten.

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Veröffentlicht am 26.03.2024

Leider langweilig

Eine Fingerkuppe Freiheit
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Wie mag es Lois Brailles gelungen sein, etwas so kompliziertes wie die Braille-Schrift zu erfinden? Das ist eigentlich unvorstellbar. Ein spannendes Thema, dem sich dieses Buch gewidmet hat.

Es beginnt ...

Wie mag es Lois Brailles gelungen sein, etwas so kompliziertes wie die Braille-Schrift zu erfinden? Das ist eigentlich unvorstellbar. Ein spannendes Thema, dem sich dieses Buch gewidmet hat.

Es beginnt sehr hübsch mit Lois Kindheit anfangs den 19. Jahrhunderts. Er ist schon im Alter von drei Jahren erblindet, fiel aber schon früh durch seine Intelligenz auf. Als er älter wurde, schickten ihn seine Eltern nach Paris auf eine Blindenschule, wo er dann ganz allmählich seine Idee zu einer Blindenschrift entwickelte.

Das könnte ein tolle Geschichte sein, wenn es gelungen wäre, den Figuren Leben einzuhauchen. Leider ergeht sich der Text aber lieber in blumigen Beschreibungen des Ambientes. Während Lois Mutter ausgiebig und mit Elan den Brioche-Teig knetet erfahren wir allerlei über ihre außergewöhnlichen Backkünste, die Küchenausstattung und die Zubereitung. Von Louis selbst wissen wir selbst am Ende des Buchs nicht viel mehr, als dass er klug und ein netter Mensch war.

Ich hätte mich eventuell sogar mit dem recht bildhaften Erzählstil anfreunden können, wenn mich das Geschehen an irgendeiner Stelle gepackt hätte. Leider bleiben aber die Figuren allesamt ausgesprochen blass. Die Geschichte wirkt wie ein illustrierter Wikipedia-Eintrag: Transportiert fantasielos die Eckdaten und bemüht sich nicht, zu interpretieren.

Das Hörbuch liest Josef Vossenkuhl sehr schön, kann aber auch nichts an der braven Textvorlage ändern. Es dauert 5 Stunden und 53 Minuten.

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Veröffentlicht am 25.03.2024

Merkwürdig schwülstiges Allerlei

Leuchtfeuer
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Eigentlich war ich sicher, dass dieses Buch genau meins ist. Es fängt auch vielversprechend an.

Da haben Teenager einen Autounfall und ein Mädchen stirbt. Eine Tragödie, die Sarah und Theo, die überlebenden ...

Eigentlich war ich sicher, dass dieses Buch genau meins ist. Es fängt auch vielversprechend an.

Da haben Teenager einen Autounfall und ein Mädchen stirbt. Eine Tragödie, die Sarah und Theo, die überlebenden Teens, auf ewig traumatisiert. Aber auch Ben, ihr Vater, ein Arzt, der vor Ort war und nicht helfen konnte, kommt nicht darüber hinweg.

Das alles wird spannend und einfühlsam erzählt. Man hat das Gefühl, man ist dabei, spürt die Trauer, Reue und die Verlorenheit der Figuren.

Dem jungen Paar nebenan konnte Ben helfen, als ihr Sohn Waldo unerwartet plötzlich auf die Welt kommen wollte. Waldo ist ein besonderer Junge und irgendwas verbindet die beiden auch später noch, wenn Ben alt und Waldo ein junger Mann ist.

In vielen Zeitsprüngen, vor, zurück und hin und her, wird das Leben dieser Figuren erzählt, die immer wieder Berührungspunkte haben. Nur, so schön das ist, ist deren Leben nicht sonderlich ereignisreich. Der wirklich starke Anfang des Buches verpufft schnell und dann leben alle vor sich hin und leiden anschaulich.

Der grundsätzlich schöne Erzählstil verläuft sich auch immer wieder, ufert aus und treibt oft reichlich kitschige Blüten.

Meine anfängliche Begeisterung für dieses Buch hat schnell nachgelassen. Ich habe immer noch auf einen besonderen Plot gewartet, aber im Grunde dreht sich das Geschehen nur immer im Kreis, um uns zu zeigen, dass alles miteinander verbunden ist. Was wie ein psychologisch interessantes Drama beginnt, endet als merkwürdig schwülstiges Allerlei mit esoterischen Anklängen und peinlichem Geisterzauber.

Jammerschade.

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Veröffentlicht am 15.03.2024

Hoch poetisch

Zitronen
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Eigentlich war ich mir sicher, dass ich dieses Buch lieben würde. Das Cover ist einfach zu genial und die Beschreibung verspricht eine sehr besondere Geschichte, dramatisch und anrührend. Genau meins. ...

Eigentlich war ich mir sicher, dass ich dieses Buch lieben würde. Das Cover ist einfach zu genial und die Beschreibung verspricht eine sehr besondere Geschichte, dramatisch und anrührend. Genau meins. Noch dazu ist der Erzählstil zum Niederknien.

Es erzählt die tragische Geschichte von August Drach, der eine wirklich schlimme Kindheit durchleben musste. Ein gewalttätiger Vater, eine Mutter, die darin aufgeht, ihren kranken Sohn zu pflegen und deshalb dafür sorgt, dass es ihm nicht gut geht. So etwas hinterlässt Spuren.

Als er älter ist, versucht er sich ein eigenes Leben aufzubauen, weit ab von seinem Heimatdorf. Nur lässt ihn seine Kindheit einfach nicht los.

Im Grunde sollte man das Buch direkt mit einem Textmarker lesen. Da tummeln sich die schönen Sätze, die zitiert werden möchten. Sie sind wohlgesetzt, geschliffen, fein, atmosphärisch und berühren zutiefst. Man leidet sehr mit August, obwohl uns blutige Details erspart bleiben. Leicht zu lesen ist das allerdings nicht. Diesen Text muss man sich langsam erschließen.

Später verliert sich die Geschichte leider ein wenig. August treibt dahin und das Geschehen auch. Kleine Schlenker, mal pittoresk, mal makaber, mal fabulierend, verwässern das Thema. Der Stil ist noch immer grandios, aber nicht mehr so zielgenau wie am Anfang. Ein wenig verschwindet da das Drama im Ambiente.

Meine anfängliche Begeisterung für das Buch hat nach etwa der Hälfte stark nachgelassen. Zum Ende hin verpufft die Tragödie mit einem eher müden Knall. Schade.

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