Jeder trägt eine Wildnis in sich...
Lucy Clarke hat schon oft bewiesen, dass sie spannende Plots mit mehreren Protagonistinnen schreiben kann. Auch in ihrem neuesten Roman geht es um die Spannung, die von Spannungen erzeugt wird.
Denn ...
Lucy Clarke hat schon oft bewiesen, dass sie spannende Plots mit mehreren Protagonistinnen schreiben kann. Auch in ihrem neuesten Roman geht es um die Spannung, die von Spannungen erzeugt wird.
Denn zwischen den vier Freundinnen Liz, Helena, Maggie und Joni ist bei weitem nicht alles ausgesprochen, was sie bewegt und ihre Gefühle füreinander beeinflusst. Bei der einsamen Bergtour in der Wildnis Norgwegens brechen dann alte Konflikte auf und gleichzeitig müssen aktuelle Schwierigkeiten der anspruchsvollen Wanderung gemeistert werden.
Während Liz sich seit langem auf die Wanderung freut und sie diese trotz schlechter Wettervorhersage auf jeden Fall durchziehen will, hat Helena ganz andere Sorgen, denn sie hat kurz vor Aufbruch einen Schwangerschaftstest gemacht... Maggie tut sich unheimlich schwer, ihre kleine Tochter für einige Tage allein zu lassen und ist konditionell absolut nicht vorbereitet auf das, was sie bei einer Bergtour erwartet. Sängerin Joni stößt kurzfristig zu den drei anderen Frauen - wie immer mit dem Kopf in den Wolken und einer auf den letzten Drücker in einem Outdoorladen zusammengewürfelten Ausrüstung. Schon die Ausgangssituation birgt also einiges an Konfliktpotential zwischen den Frauen.
Es hat mich in diesem Buch etwas gewundert, dass es doch recht lange dauerte, bis die eigentliche Wanderung startet. Die Autorin verwendet viele Seiten, um die Ausgangssituation zu kreieren und so waren schon mehr als 1/3 des Buches vorbei, als die Damen die ersten Schritte Richtung Blafjell machten...
Das hat der Spannung am Anfang etwas Abbruch getan, auch wenn die danach folgenden Eregnisse dafür wieder entschädigt haben. Das Buch ist ja kein Thriller, sondern wird richtigerweise vom Verlag als „Roman“ bezeichnet - allerdings hat er viele und gute Spannungselemente, so dass ich ihn auch Thrillerfans durchaus empfehlen kann, wenn sie nicht Gänsehaut sofort ab Seite 1 brauchen :)
Noch ein kurzes Wort zum Cover: ich denke, dass damit ein Gleichklang zu „One of the girls“ aus dem letzten Jahr hergestellt werden soll, was mit der Farbwahl weiß-blau auch gelingt. Aber ich finde das Cover trotzdem absolut unpassend... auf den ersten Blick denkt man bei blau-weiß definitiv nicht an Norwegen und um das Bild vom Fjord zu erfassen, muss man schon genauer hinschauen. Das Originalcover der englischen Ausgabe war um so viel gelungener! Dort spürt man schon auf den ersten Blick den düsteren, dichten Wald und die Stimmung des Romans kommt viel besser rüber. Wenn ich mir also etwas wünschen dürfte, dann wäre es, dass in weiteren Auflagen ein passenderes Cover verwendet wird!
Davon abgesehen hat mich Lucy Clarke auch mit diesem Roman wieder gut unterhalten, auch wenn ich zugeben muss, dass er für mich weder an „One of the girls“ noch an mein absolutes Highlight „Der Ozean unserer Erinnerung“ (neu aufgelegt als „The Castaways“) herankommt. Aber er hat Spannung, gute Wendungen und viele Emotionen, die zwischen den Protagonistinnen schwingen. Ein empfehlenswerter Spannungsroman, nicht nur für Wanderfreunde.