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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.04.2024

Eine tolle, umfassende Ausgabe für eine intensive Kafka-Lektüre

Der Process
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»Jemand musste Josef K. verläumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.«

Mit diesem weltberühmten ersten Satz, welcher den Leser gleich zu Beginn mitten ...

»Jemand musste Josef K. verläumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.«

Mit diesem weltberühmten ersten Satz, welcher den Leser gleich zu Beginn mitten ins Geschehen katapultiert, beginnt „Der Process“ von Franz Kafka. Josef K., Prokurist einer Bank, wird, ohne über die Hintergründe informiert zu werden, am Morgen seines 30. Geburtstages verhaftet. Doch diese Verhaftung ist keine im gewöhnlichen Sinn, denn „[d]as Verfahren ist nämlich im allgemeinen nicht nur vor der Öffentlichkeit geheim, sondern auch vor dem Angeklagten.“
K. sucht, da die Verhaftung seinem bisherigen Leben grundsätzlich nicht im Wege steht, Hilfe, um herauszufinden, weswegen er angeklagt wurde und gerät in die Fänge der Bürokratie. Mysteriöse Zwischenfälle streifen K. und sein Verfahren scheint ein Eigenleben entwickelt zu haben, welches allgegenwärtig über ihn schwebt.
Doch zu viel soll über den Inhalt gar nicht verraten werden; man muss den Roman selbst gelesen haben, um in dessen faszinierenden Kuriosum regelrecht zu versinken.

Diese tolle, vom bedeutendsten Kafka-Forscher Reiner Stach, kommentierte Ausgabe bietet neben dem ausführlichen Kommentar, welcher ein intensives close reading ermöglicht, zusätzlich noch Informationen zur Entstehung, Überlieferung und Rezeption. Mit dieser Ausgabe ist eine eingehende Beschäftigung mit einem immer noch aktuellen Klassiker gewährleistet! 

Ganz egal, ob man Kafkas Roman zum ersten oder wiederholten Male liest, diese Ausgabe gewährt einen nützlichen Gesamtüberblick, um sich den Text verständlicher erschließen zu können.

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Veröffentlicht am 10.04.2024

„Ich bin daran beteiligt, Nuri. Und weil ich mitmache, weil alle immer mitmachen, ändert sich nichts.»

Und alle so still
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„Ich bin daran beteiligt, Nuri. Und weil ich mitmache, weil alle immer mitmachen, ändert sich nichts.»

Eine bis dahin unbekannte Protestform etabliert sich. Das besondere dabei, es werden keine Forderungen ...

„Ich bin daran beteiligt, Nuri. Und weil ich mitmache, weil alle immer mitmachen, ändert sich nichts.»

Eine bis dahin unbekannte Protestform etabliert sich. Das besondere dabei, es werden keine Forderungen gestellt, keine Schilder gebastelt und es wird nichts geschrien. Einzig bemerkbar sind Frauen, die auf der Straße liegen und sogleich sämtliche Arbeit und Pflichten ruhen lassen sowie Männer, die nichts mehr verstehen und ab jetzt auf sich allein gestellt sind. Und alle so still …

Wir begleiten Elin, eine junge Frau – Influencerin, Ruth, deren bisher unbekannte im Krankenhaus arbeitende Tante und Nuri, einen sich in verschiedenen Jobs verausgabenden jungen Mann, geprägt von Selbstzweifeln.
Dabei gelingt es Mareike Fallwickl, jedes erzählte Schicksal für sich alleine stehen zu lassen und zugleich mit den anderen zu verweben.

Der Roman erstreckt sich über acht Tage und wird aus den Sichtweisen der drei Protagonisten erzählt. Doch neben diesen gibt es noch drei weitere Perspektiven, die den Leser zuerst ratlos zurücklassen: Die Pistole, die Berichterstattung und die Gebärmutter. Aufgrund der unterschiedlichen Blickrichtungen erlebt der Leser die geschilderten Erlebnisse möglichst intensiv. Es ist manchmal nicht leicht, einfach weiterzulesen, sondern man stockt, hält inne, denkt über bestimmte Schilderungen nach und ist entsetzt. Doch das Schlimmste daran ist, man realisiert, dass dieses Buch zwar eine fiktionale Geschichte erzählt, viele der Begebenheiten es jedoch keinesfalls sind, sondern jedem bekannt, aber oft nicht bewusst sind.

Ein Buch, das bewegt, schockiert und dadurch viel zum Nachdenken anregt – ein äußerst wichtiger Roman, den es zu lesen lohnt und der noch lange nachhallen wird!

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Veröffentlicht am 10.04.2024

Es gibt keine Heimat!

Solange es eine Heimat gibt. Erika Mann
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»Die Deutschen zeigen nicht die Spur einer Empfindung von Verantwortung, geschweige denn ein Gefühl von Schuld. […] Es gibt keine Heimkehr!«

Wir schreiben den 21. Mai 1949. Der Tag, an dem Klaus Mann, ...

»Die Deutschen zeigen nicht die Spur einer Empfindung von Verantwortung, geschweige denn ein Gefühl von Schuld. […] Es gibt keine Heimkehr!«

Wir schreiben den 21. Mai 1949. Der Tag, an dem Klaus Mann, ältester Sohn von Thomas Mann, eine Überdosis Schlaftabletten schluckte und somit sein Leben freiwillig dem Tod übergab. Ausgehend von diesem Ereignis und immer wieder darauf zurückkehrend erzählt die Autorin Unda Hörner, beginnend mit der Jugend, prägende Facetten aus dem Leben von Erika Mann. Oft spielt dabei ihr geliebter Zwillingsbruder eine wichtige Rolle, dessen Todessehnsucht ihn schon früh plagte und für dessen nun vollzogenen Selbstmord sie sich selbst verantwortlich fühlt. Schließlich war sie nicht bei ihm, hat ihn allein gelassen in Cannes und war stattdessen mit den Eltern auf einer Vortragsreise in Stockholm unterwegs.

Das Buch beinhaltet eine wilde Reise durch das spannende und mehr als vielfältige Leben von Erika Mann.
In dessen Mitte stehen leitmotivisch der Vater Thomas Mann, Erikas Drang nach Freiheit, Veränderung sowie ihre scharfe Kritik am NS-Regime, welche sie besonders durch prägnante Essays und durch ihr politisches Kabarett „Die Pfeffermühle“ äußerte, aber auch der Umgang mit dem Exil, dem damit einhergehenden Verlust von Heimat und dem Leben in der Schwebe.
Eindrücklich wird auch das Ende des Buches in Erinnerung bleiben, welches sich mit den Nürnberger Prozessen sowie der Auseinandersetzung mit der Schuld-Frage beschäftigt und das Aufeinandertreffen von NS-Größen mit der ihnen wohl bekannten und verhassten Gegnerin schildert.

Unda Hörner gelingt es, dass Leben von Erika Mann spannend und auf eine annähernd reale Weise darzubieten, indem sie ihrem Buch epische Elemente zugrunde legt und dem Leser erlaubt, quasi direkt – als außenstehender Beobachter – an den Geschehnissen beteiligt zu sein.

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Veröffentlicht am 29.03.2024

"Nie hat ein dramatisches Product bey irgend einer Nation ein allgemeineres Glück gemacht als Mozarts unsterbliches Werk, die Zauberflöte“

Die Zauberflöte
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„Nie hat ein dramatisches Product bey irgend einer Nation ein allgemeineres Glück gemacht als Mozarts unsterbliches Werk, die Zauberflöte“, so Friedrich Justin Bertuch. Recht soll er behalten. Bis heute ...

„Nie hat ein dramatisches Product bey irgend einer Nation ein allgemeineres Glück gemacht als Mozarts unsterbliches Werk, die Zauberflöte“, so Friedrich Justin Bertuch. Recht soll er behalten. Bis heute ist die „Zauberflöte“ immer noch eine der am häufigsten aufgeführten Opern im deutschsprachigen Raum.

Die „Zauberflöte“, von Mozart selbst als „große Oper“ bezeichnet, wurde 1791 kurz vor dessen Tod im Theater im Freihaus auf der Wieden uraufgeführt und bereits damals überwiegend positiv aufgefasst.
Die modern anmutende Musik komponierte Mozart, während der in einem eher archaischem Stil verfasste Text von Emanuel Schikaneder stammt. Jedoch weisen viele ausreichend belegbare Indizien darauf hin, dass Mozart auch maßgeblich am Prozess des Textschreibens beteiligt war.

Weiterhin etablierte sich schon kurz nach der Uraufführung die Annahme, dass dieser Oper ein Geheimnis zugrunde liege und so rätselte das Publikum intensiv über mögliche Deutungsansätze und zog dabei besonders die Französische Revolution oder gar die Freimaurerei in Betracht, schließlich waren Mozart und Schikaneder dieser Gruppierung zugehörig.

Und was hat Goethe mit der Zauberflöte zu tun?
Ja, Goethe selbst inszenierte 1794 in Weimar die Aufführung der Zauberflöte, basierend auf einer Bearbeitung des Textes von seinem Schwager Christian August Vulpius.

Was der Autor Laurenz Lütteken, Professor für Musikwissenschaft, mit diesem Buch geschaffen hat, ist nicht nur eine epochengeschichtliche Einordnung, vielmehr gibt er einen Gesamtüberblick über diese Oper, deren Entstehungs- sowie Wirkungsgeschichte und analysiert anschließend auch noch prägnante Details innerhalb des Werkes. So wird beispielsweise, um nur eine von zahlreichen schlüssigen Analysen zu nennen, die anthropologische Darstellung von Mensch und Tier, besonders auffällig bei der Betrachtung von Papageno, hinsichtlich dessen Auftretens und dem ihm gegebenen Namen, geschildert.

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Veröffentlicht am 28.03.2024

Ein wirklich tolles Buch

"Einige Herren sagten etwas dazu"
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Günter Grass, Heinrich Böll, Siegfried Lenz …
Sagen dir die Namen was? Ja?
… Ingeborg Bachmann, Ilse Aichinger …
Diese auch noch?
… und was ist mit Ruth Rehmann, Ingrid Bachér, Ilse Schneider-Lengyel oder ...

Günter Grass, Heinrich Böll, Siegfried Lenz …
Sagen dir die Namen was? Ja?
… Ingeborg Bachmann, Ilse Aichinger …
Diese auch noch?
… und was ist mit Ruth Rehmann, Ingrid Bachér, Ilse Schneider-Lengyel oder Ingeborg Drewitz, um nur um einige zu nennen?
Nein? Wirklich? Noch nie gehört?

Genau so erging es mir, als ich die letztgenannten Namen und noch viele weitere von anderen Autorinnen gelesen habe – ich hatte sie davor noch nie gehört.

Nicole Seifert gibt mit ihrem Buch einen Gesamtüberblick über die Gruppe 47 bezüglich deren Entstehung, die konkreten Abläufe der Treffen sowie deren Teilnehmer. Dabei wird deutlich, dass überwiegend Männer und nur wenige Frauen dazu eingeladen waren. Und selbst diese Teilnehmerinnen bekamen, im Vergleich zu vielen männlichen Schriftstellern, kaum Aufmerksamkeit und sind heute so gut wie in Vergessenheit geraten. Die Gründe dafür sind vielfältig und werden von Nicole Seifert in ihrer Studie vielschichtig und eindrucksvoll herausgearbeitet.
So wurden bspw. in Texten des Feuilletons sowie u.a. in privaten Aufzeichnungen anderer Teilnehmer die Autorinnen zuerst bezüglich ihres Aussehens beschrieben, beurteilt und teils ausschließlich darauf reduziert. „Den Autorinnenkörper außen vor zu lassen, nur den Text zu betrachten, scheint unmöglich“, so folgert Seifert sinngemäß.

Nebstdem entwirft das Buch zudem Potraits der an den Tagungen teilnehmenden Autorinnen und gibt zugleich Einblicke in deren Werk, sodass man beim Lesen regelrecht Lust bekommt, diese für sich selbst zu entdecken. Immerhin konnten fast ausschließlich Männer bedeutenden und primär lang anhaltenden Ruhm für sich gewinnen.

Ich hoffe, dass dies erst der Beginn der Aufarbeitung ist und in Zukunft noch viele weitere Werke über diese und ähnliche Thematiken folgen werden. Weiterhin bleibt zu wünschen, dass viele darin besprochene Schriftstellerinnen wieder aufgelegt und von einem breiten Publikum beachtet und vor allem gelesen werden!

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