2010 Berlin. Julie muss einen schrecklichen Schicksalsschlag verkraften, denn sie hat ihren Ehemann Jannick und ihre Zwillinge bei einem Unfall verloren. Doch neben der ganzen Trauer um ihre Lieben stirbt auch noch ihr Vater, was sie notgedrungen zu einer Reise in ihre bayrische Heimat Dinzing veranlasst, in die sie seit 11 Jahren nicht mehr zurückgekehrt ist. Als wäre das nicht genug, erbt sie neben der familieneigenen Kaffeemanufaktur auch noch die Verantwortung für alle dort beschäftigten Mitarbeiter. Julie ist mit allem völlig überfordert, muss sich sehr zusammenreißen, um nicht zusammenzubrechen. Zusätzlich muss sie sich mit ihrer unbarmherzigen Großmutter Klara einen ständigen Kampf liefern, denn der alten Dame kann sie es nie recht machen. Doch je länger Julie sich in ihrer alten Heimat aufhält, umso mehr erfährt sie von der Vergangenheit ihres Vaters und dessen Familie, auch über Klara…
Hanni Münzer hat mit „Solange es Liebe gibt“ einen anrührenden Roman vorgelegt, der sich über zwei Zeitebenen erstreckt und den Leser mit gutgehüteten Familiengeheimnissen sowie menschlichen Schicksalsschlägen zu fesseln weiß. Der flüssige und gefühlvolle Erzählstil transportiert den Leser sofort mitten hinein in Julies Leben, an dem er regen Anteil nimmt. Empathisch und behutsam schildert die Autorin Julies Verfassung nach den furchtbaren Schicksalsschlägen, so dass der Leser diese hautnah miterlebt und nachvollziehen kann. Julie hat alles verloren und fällt ins Bodenlose, sämtliche Kraft ist aus ihr entwichen, so atmet und existiert sie nur noch, kaum in der Lage, für sich selbst zu sorgen. Die Lage ist beklemmend und herzzerreißend, so dass der Leser sich in einer wahren Achterbahn der Gefühle wiederfindet und sich fragt, wie Julie jemals wieder aus diesem Loch herauskommen soll. Geschickt fädelt Münzer einen zweiten Handlungsstrang ein, der in die 1930er Jahre führt und das Leben von Julies Großmutter Klara wiederspiegelt, die als junge Frau ein hartes und einsames Leben fristete, bis sie ihr Herz an den reichen Erben Friedrich verlor. Die wechselnden Perspektiven gewähren einen tollen Lesefluss und schaffen gleichzeitig die benötigten Verschnaufpausen. Während man sich immer mehr von Julie und Klara vereinnahmen lässt und die Probleme in der Kaffeemanufaktur zu lösen versucht, deckt man gemeinsam mit Julie immer mehr von der Familienvergangenheit auf, die so allerlei Geheimnisvolles und Unerwartetes beinhaltet. Der Spannungsbogen hält sich auf einem guten Niveau und hält den Leser konstant in Atem.
Die Charaktere sind mit viel Liebe zum Detail zum Leben erweckt worden und überzeugen mit ihren glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften, die sie dem Leser ans Herz wachsen und ihn mitfiebern lassen. Julie war bis zum Tag X eine offene, lebenslustige und rundum glückliche Frau. Doch das Schicksal hat ihr fast die Luft zum Atmen genommen, verzweifelt, kraftlos und lebensmüde vegetiert sie vor sich hin. Es dauert, bis sie wieder zu Kräften kommt, Stärke und Mut entwickeln und sich wieder auf andere Menschen einlassen kann. Klara ist eine beinharte Frau, die ebenfalls schon einiges erleben musste. Doch sie ist eine Kämpfernatur, hat Entscheidungen getroffen, die vielleicht nicht immer richtig waren. Aber eigentlich ist sie sich treu geblieben und auch ihre Handlungsweisen sind nachvollziehbar. Ebenso wichtig für die Geschichte sind Jannick, Niki, Richard Lanz und Hündchen Charòu, die Licht und Strahlen in die teils doch recht traurige, emotionsgeladene Geschichte bringen.
„Solange es Liebe gibt“ ist eine Achterbahn der Gefühle über Liebe, Verlust, Familie und alte Geheimnisse, aber auch über neue Chancen und Lebensrichtungen. Empathisch und packend erzählt, wobei die Geschichte auch zum Nachdenken anregt. Absolute Leseempfehlung!