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Veröffentlicht am 03.04.2023

Parallelwelt

Wolfskinder
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Am Ende eines Gletschertals gibt es zwei Dörfer: Almenen und ziemlich unzugänglich weiter oben durch einen Wald hindurch Jakobsleiter. Almenen gehört noch zur Zivilisation, in Jakobsleiter hat man das ...

Am Ende eines Gletschertals gibt es zwei Dörfer: Almenen und ziemlich unzugänglich weiter oben durch einen Wald hindurch Jakobsleiter. Almenen gehört noch zur Zivilisation, in Jakobsleiter hat man das Gefühl, ist die Zeit stehengeblieben. Auch dort leben Menschen, aber sie hausen in höhlenähnlichen Verschlägen und leben von dem, was die Natur ihnen gibt und das ist nicht viel.
Drei Kinder wachsen dort auf: Jesse, Rebekka und Edith und aus ihrer Sicht wird die Handlung erzählt. Dazu kommt noch die Erzählperspektive von Smilla, die vor 10 Jahren ihre Freundin in dieser Gegend verlor und von Laura, die als Lehrerin nach Almenen versetzt wurde und die den Kindern die Chance auf eine andere Zukunft verschaffen will.
Während Smilla seit vielen Jahren nach ihrer verschwundenen Freundin Juli sucht und auch der Polizei gegenüber schon Beweise für weitere verschwundene Frauen geliefert hat, verschwindet auch Rebekka. Sie ist eines der Kinder aus der Siedlung und sie hatte mit dem Gedanken gespielt, Jakobsleiter den Rücken zu kehren. Lange ist nicht klar, ob ihr das gelungen ist, aber dann kommt sie selbst zu Wort und schildert eindrucksvoll ihre Situation.
Im Buch herrschen dunkle Farben vor, ich kann mich kaum an einen einzigen Sonnentag mit bunten Blumen erinnern. Sehr eindrücklich werden die Höhlengänge in unterschiedlichen Schwarz-Schattierungen im Bergmassiv, Wetterkapriolen mit Regen und Sturm und Lawinenabgängen und dunkle Behausungen beschrieben und schöne und seltene Blumen tauchen lediglich auf, wenn von Pflanzenbewuchs auf Aas berichtet wird. Dennoch sind die Kinder zu Beginn durchaus vertrauensvoll, mögen sich untereinander, hängen an ihren Eltern und haben sogar einen Wolf dressiert.
Die Stimmung ändert sich schleichend im Laufe des Buches, auch wenn die Sympathie untereinander immer noch da ist. Die Kinder sind es auch, die man am ehesten als unvoreingenommen bezeichnen könnte. Auf sie hat der selbsternannte Priester des Ortes noch keinen Einfluss gewinnen können. Manchmal schien es mir so, als ob sie das, was die Erwachsenen ihnen täglich predigen, einem Realitätstest unterziehen. Sind alle Dörfler gut und alle Städter schlecht? Kann man das so verallgemeinern?
Die Autorin versteht es sehr gut, Fährten zu legen, die später gedanklich in die Irre führen. Mir passierte es mehrere Male, dass ich einen Verdacht zu haben glaubte, der sich später als falsch herausgestellt hat.
Während das Buch am Anfang noch ein paar Längen hatte, so zog es mich doch immer mehr in seinen Bann und die letzte Lesestunde endete erst nach Mitternacht.
Der Titel „Wolfskinder“ passt in zweierlei Hinsicht: tatsächlich haben die Kinder einen Wolf aus einem Wurf retten können, dessen Mutter abgeschossen wurde und sie haben ihn domestiziert und an sich gewöhnt.
Andererseits werden Kinder als Wolfskinder bezeichnet, die weitgehend ohne Zutun der Erwachsenen aufwachsen und sich schon in sehr jungem Alter allein durchschlagen. Kaspar Hauser ist das berühmteste Beispiel dafür. Im Buch kann wohl am ehesten Edith als Wolfskind bezeichnet werden.
Das Titelbild eines im Schatten liegenden Bergmassivs mit kargem Pflanzenbewuchs und darüber kreisenden Vögeln passt wunderbar zur dunklen Stimmung und unterstreicht noch einmal die Unzugänglichkeit der Gegend und die schwierigen Wegeverhältnisse.

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Veröffentlicht am 23.07.2024

Sieben Wochen Einsamkeit

Solito
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Javier ist neun Jahre alt und lebt bei seinen Großeltern in El Salvador. Seine Eltern sind schon vor Jahren in die USA geflüchtet, der Vater aus politischen Gründen, die aber nicht näher erläutert werden, ...

Javier ist neun Jahre alt und lebt bei seinen Großeltern in El Salvador. Seine Eltern sind schon vor Jahren in die USA geflüchtet, der Vater aus politischen Gründen, die aber nicht näher erläutert werden, die Mutter, weil sie irgendwann bei ihrem Mann sein wollte. Nun soll auch Javier sich auf die lange Reise machen, das Geld für die Schlepper ist endlich beisammen und der Junge scheint alt genug, den Weg allein anzutreten.

Das Buch ist auch Sicht Javiers geschrieben. Es beginnt mit der Schilderung seines Lebens in Mittelamerika, der Geborgenheit bei den Großeltern und seiner Tante, seiner Erfolge in der Schule, dem Umgang mit seinen Freunden und seinen Tieren. Aber die Sehnsucht nach seinen Eltern wird durch wöchentliche Telefonate wachgehalten, seine Eltern schicken Pakete mit Spielzeug und Javier malt sich das Leben in den USA in den tollsten Farben aus.

Irgendwann ist es soweit. Niemand darf etwas wissen, von seinen Freunden und seinen Lehrern darf er sich nicht verabschieden, das könnte die Ausreise noch gefährden. Sein Großvater begleitet ihn noch bis Guatemala, ab dort reist er allein. Javier schließt sich einer Mutter mit Tochter an und später werden die gefälschten Papiere ihn auch als Sohn dieser Frau ausgeben, insgesamt ist es eine Gruppe von 6 Personen, die die Flucht gemeinsam unternimmt.

Für die Schlepper ist es ein Geschäft, der Mensch ist eine Ware, die auf irgendeine Weise von A nach B transportiert wird. Schon die ersten Pläne platzen und ganz oft muss die Reise umgeplant werden. Irgendwann reißt jeglicher Kontakt zu seiner Familie ab, er darf auch nicht mehr telefonieren. Zusätzlich verdienen auch immer die Grenzbeamten an jedem Ausreisewilligen. Sobald jemand als Flüchtling identifiziert wird, drücken sie nur gegen zusätzliches Geld alle Augen zu.

Das Buch ist sehr eindrücklich geschrieben. Die langen Zeiten des Nichtstuns, des Wartens, das Eingesperrtsein in Wohnungen, die langen Wege im Bus und später zu Fuß - das wird sehr plastisch beschrieben. In der Wüste habe ich mit gedurstet, in der Enge der Zelle mitgelitten und jeden Fehlversuch über die mexikanische Grenze zutiefst bedauert.

Ich habe aber nicht nur Schlechtes auf dieser Reise kennengelernt sondern auch Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit. Pati hat sich wie selbstverständlich des Jungen angenommen, die Nonnen an der Grenze haben den Flüchtlingen eine Unterkunft und Essen geboten und Chino war für mich ein wahrer Held.

Javier Zamora arbeitet mit diesem Buch seine Flucht auf, selbst nach so langer Zeit leidet er noch unter den Erfahrungen und Entbehrungen, die er damals erlebt hat. Ich frage mich, ob die Eltern nicht besser ausführlicher mit ihm darüber geredet hätten. Sie haben es einfach totgeschwiegen, er war endlich angekommen und damit war dieses Kapitel für sie beendet.

Ich wünsche ihm, dass er mit diesem Buch seine Reisegefährten von damals wiederfinden kann, auf jeden Fall ist das Buch eine Hommage an alle, die ihm damals hilfreich zur Seite standen.

Drei Kritikpunkte, die schon mehrfach genannt wurden, schränken den sehr positiven Eindruck zum Buch etwas ein:

eine Karte mit den Fluchtpunkten wäre hilfreich gewesen
die zahlreichen spanischen Ausdrücke und Sätze, die auch noch von Land zu Land unterschiedlich sein können, erschweren den Lesefluss
zusätzliche Information zu den politischen Hintergründen in El Salvador hätte ich mir ebenfalls gewünscht

Trotzdem, das Buch ist eine Bereicherung und wird hoffentlich viele begeisterte Leser finden.

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Veröffentlicht am 26.05.2024

Ein Buch wie ein Puzzle

Der Trommelwächter
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Das Buch ist der dritte Teil einer Serie über mehrere Familien und ihre Geschichte, die Generationen und Kontinente überspannt.

Im ersten Buch „Das Hochzeitszimmer“ begleitet der Leser die Londoner Journalistin ...

Das Buch ist der dritte Teil einer Serie über mehrere Familien und ihre Geschichte, die Generationen und Kontinente überspannt.

Im ersten Buch „Das Hochzeitszimmer“ begleitet der Leser die Londoner Journalistin Sally Wheeler auf der Suche nach den Geheimnissen ihrer Familiengeschichte. Ausgehend vom Ende des 19. Jh. gelangt sie über das damalige Deutsch Südwestafrika an die Wurzeln der deutsch-holländischen Familien von Odenfeldt und van der Meer, die durch eine internationale Hotelkette sowie eine Diamantenmine miteinander verstrickt sind. Sie gelangt aber auch an die Geschichte ihrer Bediensteten, die als rechtlose Arbeiter ausgebeutet wurden.

Das zweite Buch „Die Aisbergh-Akte“ scheint für den Verlauf des dritten Teils der Serie nicht diese Bedeutung zu haben.

Im dritten Teil „Der Trommelwächter“ wird nun die Geschichte zusammengeführt. Zwischen all diesen bereits vorgestellten Personen und Familien gab es Verbindungen.

160 Jahre nachdem Randy Armsteads afrikanische Vorfahren mit dem letzten Sklavenschiff nach Amerika kamen, begibt sich dieser mit Sally Wheeler auf seine familiären Spuren. Und findet heraus, dass eine Djembe-Trommel Schlüssel zur Auflösung seiner Familiengeschichte ist.

Natürlich ist es faszinierend, einer solchen Familiengeschichte zu folgen, bei der sich immer neue Spuren ergeben und sich der Großfamilienkreis immer mehr erweitert.

Die Großfamilie mit all ihren Verzweigungen war in viele politische Entwicklungen der letzten beiden Jahrhunderte involviert oder diese hatten ihre Auswirkungen auf sie. Das Autorenehepaar hat hier gut recherchiert und öffnet uns den Blickwinkel von der Seite derer, die von diesen Entscheidungen direkt betroffen waren, sei es als Nutznießer oder als Leidtragender.

Mir persönlich hat das Buch gut gefallen, auch wenn ich die Vorgängerbände noch nicht kannte. Band 1 habe ich mir mittlerweile bestellt. Es wird doch oft darauf Bezug genommen und hier fehlt mir einiges an Wissen. Danach werde ich auch Band 3 noch einmal lesen und die Geschichte wahrscheinlich erst dann in Gänze verstehen.

Wie so oft bei im Eigenverlag erschienenen Büchern gibt es einiges an Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehlern und gewisse Ungenauigkeiten in den Daten. Nur ein Beispiel: Bei der Nennung der Hauptpersonen auf Seite 5 stirbt Adisa einmal 1931 und wenige Zeilen später 1911. Hier hätte man sich ein weiteres Lektorat gewünscht. Stilistisch tat ich mich mit manchen "Halbsätzen" schwer. Der Handlung an sich tut das aber keinen Abbruch.

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Veröffentlicht am 25.04.2024

Rätselhafter Leichenfund in Corniglia

Azzurro mortale
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Azzurro Mortale ist mein zweiter Krimi von Andrea Bonetto und ich fand es zunächst einmal sehr schön, wieder zurück in Ligurien zu sein, auch wenn einen die vielen Stufen hoch und runter schon beim Lesen ...

Azzurro Mortale ist mein zweiter Krimi von Andrea Bonetto und ich fand es zunächst einmal sehr schön, wieder zurück in Ligurien zu sein, auch wenn einen die vielen Stufen hoch und runter schon beim Lesen ins Schwitzen bringen.

Vito Grassi ist seit einigen Monaten an der ligurischen Küste, wo er das Haus seines verstorbenen Vaters mitsamt einer jungen Frau geerbt hat. Toni hatte damals mit seinem Vater zusammengelebt und pflegt Garten und Olivenhain. Außerdem ist sie eine gute Köchin und war ihm im ersten Band eine Brücke zu seinem Vater, mit dem er zu Lebzeiten wenig Kontakt pflegte.

Gerade sind Vitos Frau und Sohn zu Besuch und die drei erkunden die malerischen Dörfer entlang der Küste. Ein Anruf beendet diesen Anruf abrupt, vor Corniglia wurde eine Leiche im Wasser treibend gefunden.

Chiara weiß zwar von Tonis Existenz, hatte aber keine Ahnung, dass die beiden sich das Haus immer noch teilen. Verschnupft reist sie kurzentschlossen ab, als sie Toni in der Nähe des Fundorts der Leiche kennengelernt hat.

Somit kann Vito sich ganz auf den neuen Fall konzentrieren und der gibt Rätsel auf. Weder die Identität des jungen Mannes, noch die Todesursache lassen sich zunächst einfach bestimmen. Erst eine Einladung zu einem Rechtsanwalt nach Genua bringt erstes Licht in das Dunkel. Und diesem Licht folgen Grassi und seine Kollegin Ricci nun konsequent. Es führt sie zu Drogengeschäften, korrupten Baukonzernen und sogar der Mafia und die Ermittlungen sind alles andere als ungefährlich.

Gut fand ich, dass der Krimi auf realen Begebenheiten aufbaut, im Nachwort gibt der Autor dem Leser noch Informationen zu den zugrundeliegenden tatsächlichen Geschehnissen, die Ermittlungen Grassis und Riccis sind natürlich Fiktion.

Ricci und Grassi sind mittlerweile gut aufeinander eingespielt, beharken sich zwar noch hin und wieder ein wenig, aber das ist eher nett gemeint. Schön ist die Szene mit Anton, dem Drogenhund, hier blitzt der Humor des Autors durch, als Anton auch noch die Drogensorte benennen soll.:)

Typisch italienisch scheint mir die Liebe zu schönen Autos zu sein, nur sollte man sie vielleicht nicht gerade Grassi anvertrauen.

Wie in einem Cozy Crime üblich, spielen familiäre Beziehungen mit in die Handlung hinein. Die Zukunft von Vitos und Chiaras Ehe steht auf dem Spiel, Vito wünscht sich, seine platonische Freundin Toni in seiner Nähe zu haben, aber das muss zwischen ihm und Chiara geklärt werden. Vielleicht im nächsten Fall?!

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Veröffentlicht am 15.04.2024

Gegen die Liebe ist kein Kraut gewachsen

Gärten, Gift und große Liebe
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In der Nähe von Oberdistelbrunn hat ein Wellness-Resort eröffnet und die Seniorenrunde um Pauline und Berta begibt sich zum Basenfasten dorthin. Von Anfang an scheint es allerdings mehr Paulines Idee gewesen ...

In der Nähe von Oberdistelbrunn hat ein Wellness-Resort eröffnet und die Seniorenrunde um Pauline und Berta begibt sich zum Basenfasten dorthin. Von Anfang an scheint es allerdings mehr Paulines Idee gewesen zu sein, Berta bekommen weder vegane Süppchen noch Austernseitlingpüree mit Pastinaken und ihre Laune wird immer schlechter. Bis es zum ersten Mord kommt, dem wenig später der zweite folgt.

Dank Pauline werden die beiden Toten überhaupt als Mordopfer identifiziert, sie riecht das verabreichte Gift und kennt die Symptome verschiedener Giftpflanzen, ihr kann man nichts vormachen. Eine ebenfalls anwesende Ärztin hätte es als bedauerlichen normalen Sterbefall durchgewunken.

Im Resort häufen sich die Vergiftungsversuche und selbst zuhause im Dorf nach abgebrochener Fastenwoche findet man vergifteten Joghurt, vergiftete Nusshörnchen etc.

Der vollkommen orientierungslose Kommissar Hartmann und sein Untergebener Kapplhuber tappen völlig im Dunkeln und schießen sich lieber auf Pauline und ihren etwas außergewöhnlichen Neffen ein, auch wenn ein Motiv weit und breit nicht zu erkennen ist und die beiden wasserdichte Alibis haben.

Und so bleibt die Ermittlungsarbeit wieder einmal an Pauline und Berta, aber auch an Bobo und Elsbeth hängen, die dank ihrer Neugier und geheuchelter gut nachbarschaftlicher Bemühungen langsam Licht ins Dunkel bringen.

Klaudia Blasl versteht es, die Lachmuskeln des Lesers in Schwingungen zu versetzen. Ihre Protagonistinnen sind schlagfertig und spontan, bei ihren Kommentaren bleibt kein Auge trocken. Bobo ist so direkt und mit schwarzem Humor gesegnet, dass selbst Pauline manchmal schluckt, Elsbeth kommt mehr aus dem Hinterhalt, ihr traut man es gar nicht zu, dazu wirkt sie zu verpeilt. Umso schlagkräftiger ist sie dann.

Ohne zu viel vom Inhalt schon verraten zu wollen, mir gefielen vor allem:

. der Wortwitz, die Doppeldeutigkeiten und Redewendungen, die man sich merken sollte (und das auf fast jeder Seite)
. Klaudia Blasls enorme Kenntnis zu Pflanzen, auch solchen die giftig sind

Motiv und Lösung des Falles drängen sich ein wenig auf den letzten Seiten, da tat ich mich beim ersten Lesen noch schwer, beim zweiten Lesen hatte ich es dann auch begriffen.

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