Viel mehr Schmerz als erwartet
Der silberne ElefantLynn, Vera und Emily - drei Frauen, drei sehr unterschiedliche Lebenswege doch sie alle verbindet ein ähnliches Gefühl; nicht glücklich zu sein, falsche Entscheidungen getroffen zu haben oder einfach ...
Lynn, Vera und Emily - drei Frauen, drei sehr unterschiedliche Lebenswege doch sie alle verbindet ein ähnliches Gefühl; nicht glücklich zu sein, falsche Entscheidungen getroffen zu haben oder einfach vom Leben gezeichnet zu sein. Eher zufällig kreuzen sich die Wege dieser drei sehr unterschiedlichen Frauen und während wir Stück für Stück die Geschichten der Protagonistinnen erfahren, nähern diese sich an, beginnen sich gegenseitig Kraft und neue Hoffnung zu geben.
„Der silberne Elefant“ von Jemma Wayne hat ein traumhaft schönes Cover, dass mich sofort angesprochen hat und auch der Titel sagt irgendwie „hey, ich bin ein richtig nettes Buch!“. Der Klappentext lässt dann schon erahnen, dass die Lebenswege der drei Frauen mit Schmerz und Traumata zu tun haben aber ich war definitiv nicht auf dieses Buch vorbereitet und es fällt mir immer noch schwer, meine Gedanken darüber in Worte zu fassen; vieles passte für mich nicht ganz zusammen, blieb offen oder mir einfach unverständlich. Sprachlich gefiel mir der Roman sehr gut - ich bin schnell in einen angenehmen Lesefluss gekommen und mochte das Bildhafte, Lebendige in der Sprache. Wie es mir bei Romanen mit unterschiedlichen Erzählsträngen oft geht, haben mich allerdings auch hier nicht alle drei Geschichten gleich abholen können. Emiliennes Schicksal ist schrecklich und vermutlich so nah an der Realität, dass es unmöglich ist, nicht arg betroffen zu sein. Die Schilderungen der ihr zugestoßenen Gräueltaten, oder deren Zeugin sie geworden war, bedürfen meiner Meinung nach jedoch einer dringenden Triggerwarnung für explizite und sexuelle Gewalt und hier stellt sich mir auch die Frage - muss ich diese Dinge so explizit grauenhaft geschildert bekommen, wenn es sich um eine fiktive Geschichte handelt? Und wie authentisch kann eine weiße, westliche Autorin den Inhalt des Genozids in Ruanda eigentlich vermitteln?
Leider blieben mir sowohl Lynn als auch Vera weitestgehend fremd; es fiel mir trotz der vielen inneren Monologe schwer, Zugang zu deren Gedanken zu bekommen, mich in sie hinein zu versetzen, geschweige denn mit deren Verhalten zu identifizieren. Überhaupt hatte ich große Mühe, mit irgendeiner Figur zu sympathisieren; im Fall von Luke hat sich im Gegenteil eher eine richtiggehende Abneigung bei mir entwickelt. Auch der starke religiöse Aspekt in Veras und Lukes Beziehung war mir insgesamt zu viel des Guten. Ich habe allerdings selten so viel mit anderen Menschen über ein Buch gesprochen und diskutiert, mir selber Gedanken darüber gemacht was Literatur darf oder soll und mich auch gefragt, was ich von einem guten Buch erwarte. Das empfinde ich als sehr positiv und nehme ich definitiv aus dieser Lektüre mit.