Bedrohung von innen und außen
Am Ende der PolarnachtDas Ehepaar Eivor und Finn verschlägt es 1957 mit seinen beiden kleinen Töchtern von Oslo nach Longyearbyen auf Spitzbergen, wo Finn die Arztpraxis übernimmt. Hier am Polarkreis, im nördlichsten Ort der ...
Das Ehepaar Eivor und Finn verschlägt es 1957 mit seinen beiden kleinen Töchtern von Oslo nach Longyearbyen auf Spitzbergen, wo Finn die Arztpraxis übernimmt. Hier am Polarkreis, im nördlichsten Ort der Welt, erfüllt sich damit ein lang gehegter Traum für Finn, seine Aufgabe erfüllt ihn, zu Hause ist er ein liebevoller Vater und Ehemann. Doch die junge Eivor kann sich nur schwer einleben und bleibt lieber für sich, die Tage liegen lang und untätig vor ihr, durchbrochen nur durch lange Spaziergänge mit Huskyhündin Jossa, die ihr Schutz in der Wildnis bieten soll und bald zur treuen Gefährtin wird. Denn im Winter ist Spitzbergen über Monate abgeschnitten vom Festland und sich selbst überlassen, der Fjord ist zugefroren und nicht passierbar, die Uhren Ticken langsamer. Diese fast greifbare Isolation sowie die anhaltende Dunkelheit bilden einen Ausnahmezustand, der an die Substanz geht, die Seele wird brüchiger, die Nerven liegen blank, der Bewegungsradius schrumpft. Heiberg, ein Bekannter des Paares, beginnt sich zunehmend merkwürdig zu verhalten, immer irrationalere Gedanken zu spinnen, Ängste bezüglich der politischen Lage zwischen Russland und Norwegen auf Spitzbergen brechen sich Bahn. Obwohl Finn sich die größte Mühe gibt, seinem Freund und Patienten zu helfen, spürt Eivor früh eine subtile Gefahr von diesem Menschen ausgehen und mit wachsender Psychose Heibergs wird es auch zwischen den Eheleuten immer schwieriger, die Fronten verhärten, Loyalitäten verschieben sich.
Ein starkes Debüt hat Heidi Sævareid hier vorgelegt, mit einer Sogwirkung, die sich kaum erklären lässt, passiert doch im Grunde die meiste Zeit kaum etwas. Doch eine leichte Bedrohung liegt von Anfang an in der Luft, die sich nicht greifen, nicht orten lässt, die von überall kommen kann in einer Natur von solcher Gewalt und Unberechenbarkeit wie dieser. Eivors Einsamkeit, ihr Ringen mit der Rolle als Mutter und angepasste Ehefrau, die angespannte Atmosphäre ist mit den Händen greifbar. Große Leseempfehlung! Aus dem Norwegischen von Karoline Hippe.