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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.02.2019

Vielversprechender Buchbeginn, schwache Charaktere

Deine letzte Lüge
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In Clare Mackintoshs „Deine letzte Lüge“ hat die Mittzwanzigerin Anna bereits zu Beginn der Geschichte eine furchtbare Zeit hinter sich: Innerhalb von sieben Monaten hat sie beide Elternteile verloren. ...

In Clare Mackintoshs „Deine letzte Lüge“ hat die Mittzwanzigerin Anna bereits zu Beginn der Geschichte eine furchtbare Zeit hinter sich: Innerhalb von sieben Monaten hat sie beide Elternteile verloren. Unfassbar: Beide sind offenbar freiwillig aus dem Leben geschieden und haben sich vom Beachy Head, dem höchsten Kreidefelsen Großbritanniens, in den Tod gestürzt. Oder? Am ersten Todestag ihrer Mutter erhält Anna eine geschmacklose Klappkarte, die nur drei Wörter enthält: „Selbstmord? Von wegen.“ Für sie der ultimative Beweis, dass sich zumindest ihre Mutter nicht umgebracht hat. Und an dieser Stelle war ich dann auch schon zum ersten Mal leicht irritiert – da trauert jemand seit 19 Monaten und lässt sich dann von einer anonymen Postsendung in nullkommanix überzeugen, dass alles ganz anders war?
Natürlich muss Protagonistin Anna anfangen, Nachforschungen zu stellen, sonst wäre dieses Buch schon zuende gewesen, bevor es richtig angefangen hätte. Aber ihr Denken und Handeln erschien mir dabei längst nicht immer schlüssig dargestellt und das bleibt meiner Meinung nach eine sich durch das Buch ziehende Schwäche. Viele Charaktere verhalten sich – im Nachhinein meist grundlos – seltsam oder bleiben durchgängig sehr blass, als hätte die Autorin sie bewusst vernachlässigt, um sich mehr Optionen für die weitere Handlungsgestaltung offen zu halten. Eine Ausnahme bildet Murray, ein Polizist im Ruhestand, der als Zivilangestellter weiterhin auf einer Polizeiwache arbeitet und für den Annas Geschichte eine willkommene Ablenkung von der Sorge um seine Ehefrau ist, die unter einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leidet. Murray und auch seine Frau hat Mackintosh etwas achtsamer gestaltet, ihr Schicksal berührt, während mir Anna bald vor allem auf die Nerven ging.

Was mich an „Deine letzte Lüge“ zusätzlich gestört hat: Die Autorin versucht mehrmals, ihre Leser auf die falsche Fährte zu locken. Vollkommen legitim bei einem Thriller, könnte man einwenden, aber hier kam mir das Ganze sehr überkonstruiert vor. Zum Teil war die falsche Fährte so nachvollziehbar geschildert, dass die richtige Lösung kaum mithalten konnte. Auch die Auflösung überzeugte mich nicht komplett. Das Buch hat ein paar kaum vorhersehbare Twists, auf das Ende wäre ich von alleine sicher nicht gekommen. Aber über das öfters irritierende Verhalten der Figuren konnte mich das kaum hinwegtrösten. Die Grundidee des Psychothrillers versprach weitaus mehr, als die Autorin dann einlösen konnte. Rückblickend ist die Geschichte dann auch mehr Drama als Thriller und hat mich doch eher unzufrieden zurückgelassen
.
Ich habe dieses E-Book als Rezensionsexemplar bekommen und sage an dieser Stelle nochmal danke an die Lesejury, dass ich mitlesen dürfte!

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  • Cover
  • Spannung
  • Erzählstil
  • Figuren
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 25.07.2018

Zu kompliziert am Anfang und zu einfach am Ende

Nichts ist verziehen
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Dies ist schon der dritte „Schwedenkrimi“ um die Journalistin Magdalena Hansson. Ich habe die beiden Vorgänger nicht gelesen und konnte mir vermutlich deswegen auf manches keinen Reim machen. Die Hauptfigur ...

Dies ist schon der dritte „Schwedenkrimi“ um die Journalistin Magdalena Hansson. Ich habe die beiden Vorgänger nicht gelesen und konnte mir vermutlich deswegen auf manches keinen Reim machen. Die Hauptfigur blieb mir in ihrem Denken und Handeln zum Teil fremd, wenn ich sie aus früheren Büchern besser gekannt hätte, wäre dies vielleicht nicht der Fall gewesen.

Die Krimihandlung ist schnell angerissen: Besagte Magdalena geht lustlos zu ihrem 25-jährigen Abitreffen, das als Wiederholung eines legendären Übernachtungswochenendes während der Schulzeit in der Hütte eines ehemaligen Lehrers stattfindet, abgeschieden im Wald, in der Nähe eines Sees. Es sind ungefähr 15 der ehemaligen Mitschüler gekommen und nach der ersten Wiedersehensfreude zeigt sich, dass sich durchaus nicht alle sympathisch sind und es einige ungute Erinnerungen an die gemeinsame Schulzeit gibt. Der Abend schreitet fort, und schließlich wird eine Leiche gefunden. Und das ist erst der Anfang …

Autorin Ninni Schulman führt zu Beginn des Buches viele Figuren auf wenigen Seiten ein. Ein Klassentreffen mit 15 Leuten kam mir zunächst überschaubar vor, wenn aber erst mal alle Beteiligten mehr oder weniger ausführlich vorgestellt werden, ist es das nicht mehr. Tatsächlich wäre eine dem Krimi vorangestellte Übersicht der Protagonisten wohl hilfreich gewesen. Denn es hört nicht etwas bei den ehemaligen Klassenkameraden auf – auch Magdalenas Privatleben sowie das der im Mordfall ermittelnden Polizeibeamten spielt eine größere Rolle und so kommen neben ihnen noch deren Lebenspartner, Kinder, Kollegen etc. vor. Das hat das Ganze für mich doch sehr überladen – musste der unerfüllte Kinderwunsch der Frau des Polizeibeamten, dessen Schwester zufällig an dem Klassentreffen teilnahm, tatsächlich eine größere Rolle spielen? Und war dieser Zufall überhaupt nötig? Ich denke, dass der Verzicht auf einige Nebenschauplätze dem Krimi gutgetan und ihn etwas gestrafft hätte.

„Nichts ist verziehen“ ist stellenweise durchaus spannend. Allerdings steht und fällt ein Krimi für mich auch mit der Auflösung, und von dieser war ich dann doch enttäuscht. So kompliziert das Personengefüge aufgebaut wurde, so einfach hat es sich die Autorin meinem Empfinden nach am Ende gemacht. Und so werde ich die anderen Fälle um Journalistin Magdalena wohl nicht mehr lesen, auch wenn mich dieser zwischenzeitlich durchaus gefesselt hat.

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Veröffentlicht am 22.09.2017

Komplexes Seelenpanorama

Niemand verschwindet einfach so
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Das Cover dieses Buches hat mich auf Anhieb angesprochen. Ich finde es außergewöhnlich schön und auch die Haptik des Schutzumschlags ist ganz besonders. Aber: Never judge a book by its cover … wobei das ...

Das Cover dieses Buches hat mich auf Anhieb angesprochen. Ich finde es außergewöhnlich schön und auch die Haptik des Schutzumschlags ist ganz besonders. Aber: Never judge a book by its cover … wobei das Cover gar keine falschen Erwartungen weckt. Es zeigt eine Frau, die erst noch entspannt im Wasser zu liegen scheint und dann langsam, sang- und klanglos untergeht.

Und eine Art Untergang hat auch die 28-jährige Hauptfigur Elyria bereits hinter sich. Sie hat sich irgendwie verloren, findet keinen Anschluss mehr an ihr Leben und verlässt still und heimlich ihren Ehemann, in dem sie sich ohne irgendeine Art von Abschied davonstiehlt. Mit kleinem Gepäck und nur wenig Geld reist sie von New York nach Neuseeland, wo ihr eine Zufallsbekanntschaft ein Gästezimmer angeboten hat, falls sie mal in der Nähe sein sollte. Elyria will weg von ihrem alten Leben, in dem sie viele unschöne Erfahrungen gemacht hat, als Tochter einer alkoholkranken, egomanen Mutter und Schwester der adoptierten und hochbegabten Ruby, die sich im Alter von 22 Jahren umgebracht hat.

Elyria ist auf ihrer Reise sehr in ihre eigene Seele versunken. Sie lässt sich treiben und nimmt die Wünsche und Bedürfnisse anderer kaum noch wahr. Die Kommunikation mit ihren Mitmenschen fällt ihr schwer, ihre Gedanken kreisen weniger um Konkretes, als um Alltagsbeobachtungen, die sie abdriften lassen. Man muss die Protagonistin wohl als depressiv bezeichnen und die sporadischen Enthüllungen aus ihrer Vergangenheit tragen dazu bei, dass sich dieses Bild verfestigt. Dennoch muss Elyria im Laufe ihres Roadtrips erkennen, dass sich die Vergangenheit nicht abschütteln lässt. Diese Erkenntnis hilft ihr jedoch nicht, sich ihrem alten Leben zu stellen.

Elyrias Gedankengänge sind unkonkret, aber poetisch. Sprachlich ist „Niemand verschwindet einfach so“ sehr gelungen – wenn einem der karge Inhalt nichts ausmacht. Mir ist allerdings zu wenig passiert. Die Erlebnisse der Protagonistin rauschen nicht nur an ihr, sondern auch am Leser größtenteils spurenlos vorbei; sie haben keine Bedeutung. Das Buch besteht in erster Linie aus inneren Monologen, doch dieses Stilmittel wird nicht dazu genutzt, um eine Entwicklung der Figur aufzuzeigen. Und so las sich das Ganze für mich zunehmend zäh. Ich blieb unzufrieden zurück. Unzufrieden macht es mich nun auch, diesem Buch nur drei Sterne geben zu können, denn Sprache und Gedankengänge der Autorin Catherine Lacey sind durchaus kunstvoll. Ich hatte das Gefühl, mich einfach nicht genug auf den Roman einlassen zu können; mir blieben Elyria und ihr Handeln zu fremd. Dadurch haben mich ihre Gedankengänge wohl einfach kalt gelassen und meine Lust, ihren tristen Beobachtungen weiter zu folgen, hielt sich immer mehr in Grenzen. Ich kann verstehen, was man an diesem Buch mögen kann, aber in meinem Fall passten Buch und Leserin einfach nicht zusammen.

Veröffentlicht am 27.07.2017

Drama, Baby!

Kopf aus, Herz an
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Die Ich-Erzählerin dieses Romans ist die 24-jährige Lilly, und ihr vorzuwerfen, dass sie eine Dramaqueen ist, scheint auf den ersten Blick ziemlich unfair. Schließlich hat Lilly jeden Grund, komplett durchzudrehen: ...

Die Ich-Erzählerin dieses Romans ist die 24-jährige Lilly, und ihr vorzuwerfen, dass sie eine Dramaqueen ist, scheint auf den ersten Blick ziemlich unfair. Schließlich hat Lilly jeden Grund, komplett durchzudrehen: Das Buch beginnt damit, dass sie an ihrem Hochzeitstag von ihrem Bräutigam sitzengelassen wird. Komplett neben sich stehend, beschließt sie, die Flitterwochen in Thailand alleine anzutreten. Und macht bereits im Flugzeug die Bekanntschaft des etwas abgewrackt aussehenden, tätowierten Damien, woran ihr Outfit (grellpinker Schlafanzug und Stofftier-Pantoffeln) sicher nicht unschuldig ist. Die Gute hat nämlich vergessen, sich an diesem Morgen anzuziehen …
Die abgeblasene Hochzeit, Thailand und nicht zuletzt ihre Fähigkeit, in jedes sich ihr bietende Fettnäpfchen zu stolpern, bringen Lilly immer wieder an ihre Grenzen. Als Leser folgt man ihren ungefilterten Gedanken und stellt dabei ziemlich schnell fest, dass sie ständig überfordert ist, weil sie gerne alles in schwarz und weiß einteilt und plötzlich ganz viel passiert, was nicht in ihr Weltbild passt. Vor dem Hintergrund ist ihre permanente Aufregung zwar irgendwie verständlich, aber auch etwas ermüdend – genau wie der permanente Wortwitz, der doch ziemlich gewollt erscheint: „Gerade jetzt brauchte ich Brot wie der Junkie seinen Morgenschuss“ oder „Miese Typen zogen sie an wie Batikshirts und Weltfrieden den Hippie“ sind typische Sätze in diesem Buch und diesen übertrieben flapsigen, pseudo-lustigen Stil empfand ich als sehr aufgesetzt. Allerdings sollte er vielleicht auch nur das Innenleben von Lilly wiederspiegeln, das mir ebenfalls etwas viel war. Zwar macht sie im Verlauf des Buches eine gewisse Wandlung durch, aber so richtig nachvollziehbar war das für mich alles nicht und endete für meinen Geschmack dann auch zu abrupt. Als leichte Sommerlektüre war das Buch durchaus okay, mehr aber auch nicht. Thailand-Urlaubern würde ich es eventuell sogar empfehlen, denn die Beschreibungen von Shopping in Phuket und verlassenen kleinen Inseln machen durchaus Lust auf das Land. Unterhaltungsromane mit Liebesgeschichten gibt es aber weitaus Bessere.

Veröffentlicht am 27.04.2024

Falsches Format für diesen Klassiker

Agatha Christie Classics: Die Tote in der Bibliothek
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„Die Tote in der Bibliothek“ ist ein Klassiker der Queen of Crime – Agatha Christies 31. Krimi, 1942 im englischen Original und 1943 auf Deutsch erschienen. Er wurde verfilmt und als Hörspiel und Hörbuch ...

„Die Tote in der Bibliothek“ ist ein Klassiker der Queen of Crime – Agatha Christies 31. Krimi, 1942 im englischen Original und 1943 auf Deutsch erschienen. Er wurde verfilmt und als Hörspiel und Hörbuch vertont. Jetzt ist er außerdem bei Carlsen als Graphic Novel erschienen, was mich doch neugierig gemacht hat. Das Cover fand ich modern und vielversprechend. Doch wie klappt die bildliche Umsetzung eines kompletten Krimis auf 64 Seiten?

Kurz zum Inhalt: „Die Tote in der Bibliothek“ wird bereits zu Beginn gefunden, im Haus des ehrwürdigen, älteren Colonel Bantry und seiner Frau. Sie liegt morgens vor den Bücherregalen – blond, jung, leicht bekleidet und mausetot. Das Ehepaar hat die Frau noch nie gesehen, doch dass sie in ihrem Haus gefunden wird, macht natürlich keinen guten Eindruck. Außer der Polizei ruft Mrs. Bantry deswegen auch gleich ihre Freundin Jane Marple, die sich – zunächst zum Ärger der Ermittler Chief Constable Melchett und Inspektor Flem – selbst umhört. Bald stellt sich heraus, dass die Tote als Tänzerin in einem Hotel gearbeitet hat und ein älterer Gast ihr so zugetan war, dass er sie in seinem Testament berücksichtigen wollte. Doch seine sonstigen Erben haben wasserdichte Alibis und der Fall wird immer undurchsichtiger …

„Die Tote in der Bibliothek“ ist eine raffinierte Geschichte – wer sie noch nicht kennt, tappt vermutlich lange im Dunkeln. Wenn ich Krimis lese, rätsel ich immer gerne mit; nehme aber an, dass man beim Lesen der Graphic Novel gar nicht dazu kommt. Hier geht alles Schlag auf Schlag, man lernt die Charaktere gar nicht richtig kennen und hat keine Möglichkeit, auf Zwischentöne oder Anspielungen zu achten. Generell geht leider vieles verloren, was die Krimis von Agatha Christie ausmacht. Darüber hinaus wirkt Miss Marple wie eine nervige Besserwisserin, die ständig aus dem Nichts auftaucht und sich einmischt – und sie sieht kein bisschen aus wie Margaret Rutherford! Fair enough, aber die sehe ich einfach vor mir, wenn ich einen Miss-Marple-Krimi lese. Doch auch das Gesamtbild war für mich nicht stimmig. Die Geschichte kann sich nicht so aufbauen wie im Roman, Emotionen bleiben auf der Strecke (außer bei Inspektor Flem, der Ärger und Ungeduld stets freien Lauf lässt – das allerdings in einem Ton, der nicht zu Agatha Christies Krimis passt). Wer „Die Tote in der Bibliothek“ nicht kennt, ist vermutlich nicht so kritisch mit der Graphic Novel und auch mir haben die Illustrationen an sich eigentlich gefallen. Trotzdem tat es mir leid um die Geschichte. Für sie ist es einfach nicht das richtige Format.

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