Wenn die Zukunft so ganz anders als erwartet ist...
Im nächsten Leben wird alles besserStellen Sie sich vor, Sie erwachen eines Morgens und befinden sich 25 Jahre in der Zukunft. Ihre Erinnerungen an diese Zeit sind jedoch nicht vorhanden. Wie denn auch, Sie sind ja gestern erst noch im ...
Stellen Sie sich vor, Sie erwachen eines Morgens und befinden sich 25 Jahre in der Zukunft. Ihre Erinnerungen an diese Zeit sind jedoch nicht vorhanden. Wie denn auch, Sie sind ja gestern erst noch im Jahr 2020 gewesen! So ergeht es auch Arnold Kahl, der nach einem Streit mit seiner Frau Kathrin am Vorabend plötzlich im Jahr 2045 die Augen aufschlägt und von einem „synthetischen Charakter“ – das Wort ‚Roboter‘ verwendet man in der Zukunft nicht! – namens Gustav in einer „Residenz für Leute im besten Alter“ – denn auch Seniorenheim sagt man nicht mehr! – versorgt wird. Arnold versucht mit Hilfe von Gustav die letzten Jahre zu rekonstruieren und erfährt dabei Erschreckendes über sein zukünftiges Ich – oder vergangenes Ich? Irgendwie muss Arnold zurück ins Jahr 2020 und das Ruder noch herumreißen. Allerdings hat der Leiter der Altersresidenz ganz andere Pläne mit dem renitenten Amnesie-Patienten... Denn wer der Gesellschaft und den Krankenkassen zur Last fällt, wird in das digitale Programm „Times Beach“ hochgeladen. Wird Arnold dem servergestützten ewigen Paradies noch entkommen können?
Hans Rath ist es wieder einmal gelungen, mich mit seiner Geschichte zu fesseln und absolut zu begeistern. Er schafft es einfach immer wieder, die perfekte Mischung zwischen Humor und Tiefsinnigkeit zu finden, mich zum Lachen, Weinen und Nachdenken zu bringen. Am Ende musste ich mir selbst an die eigene Nase fassen und so manch angesprochenes Thema erstmal sacken lassen. Gibt es einen freien Willen? Würden wir ihn, so er denn existiert, auch den Künstlichen Intelligenzen zugestehen? Und würden sie dann nicht auch Gefühle wie Freundschaft empfinden können? Aber sind sie dann nicht vielleicht am Ende sogar die besseren Menschen, so wie der loyale Gustav, oder haben wir möglicherweise genau davor Angst? Oder ist es mehr eine generelle Furcht vor der Zukunft, von der wir glauben, dass sie unveränderlich ist, wenn man erst einmal eine bestimmte Richtung eingeschlagen hat? Also finden wir uns tatsächlich lieber mit unserem Alltagstrott ab und verlieren die Lebensfreude, werden verbittert und miesepetrig, so wie Arnold? Und geben dabei die Bindung zu unserer Familie auf, weil es selbstverständlich ist, dass sie immer da ist, weil man eben blutsbedingt zusammengehört? Wenn uns diese neue Geschichte von Hans Rath etwas lehrt, dann, dass wir jeden Tag so leben sollten, als wäre es unser letzter. Und dass wir abends beruhigt und ohne Vorwürfe und Zweifel ins Bett gehen sollten, weil wir keine ungeklärten Streitigkeiten vom Tag zurückgelassen haben. Danke für diese Erinnerung, Herr Rath!
Die schrulligen und sehr eigensinnigen Figuren dieser Geschichte muss man einfach lieben, obwohl ich Arnold gern das ein oder andere Mal am Kragen gepackt hätte... Den halben Stern Abzug gibt es für die Auflösung um die Person von Gustav. Das erschien mir einfach zu weit hergeholt und passte für mich so gar nicht. Ich hätte allerdings nichts gegen einen Freund wie Gustav einzuwenden, solch eine Loyalität (und Sinn für Humor) findet man nicht alle Tage!
Passend zum Thema kann ich nur wärmstens die Serie „Upload“ empfehlen, die sich ebenfalls mit der Idee des digitalen Weiterlebens nach dem ‚fleischlichen‘ Tod befasst. Zwar auf recht skurrile Art und Weise, aber das ist ja hier bei Arnold und Gustav nicht unbedingt anders.