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Veröffentlicht am 16.05.2024

Von Pilgern und Eroberern

Unterwegs ins Morgenland
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Sehnsuchtsort Jerusalem? Das gilt nicht nur für die Haggada beim Pessachfest ("nächstes Jahr in Jerusalem") - die Stadt, die einer der heiligsten Orte überhaupt für Christen, Juden und Muslime ist, hat ...

Sehnsuchtsort Jerusalem? Das gilt nicht nur für die Haggada beim Pessachfest ("nächstes Jahr in Jerusalem") - die Stadt, die einer der heiligsten Orte überhaupt für Christen, Juden und Muslime ist, hat über die Jahrhunderte Pilger und Eroberer angezogen, war und ist Streitball der Mächte und eines der ungelösten Probleme des Nahostkonflikts. In seinem sowohl lehrreichen wie auch unterhaltsamen und gut zu lesenden Buch "Unterwegs ins Morgenland" beschreibt Bernd Brunner, was die teils frommen, teils sehr weltlichen Reisenden sowohl erwarteten als auch erlebten, wenn sie sich auf die oft beschwerliche und mitunter jahrelange Reise ins "Heilige Land" machten.

Ein Schwerpunkt liegt bei den christlichen Pilgern und den Kirchen, die in Jerusalem teils erbittert und buchstäblich handgreiflich um die pole position und Kontrolle der heiligen Stätten konkurrierten. Geburtskirche in Bethlehem und Grabeskirche in Jerusalem weckten da ganz besondere Begehrlichkeiten. Brunner schildert die frühen Auswüchse jener religiösen Ausnahmezustände, die mittlerweile als Jerusalem-Syndrom Eingang in die Symptome psychischer Auffälligkeiten gefunden haben, zitiert aus Reiseberichten, die teils erbaulich klingen, teils einen deutlichen Abenteurergeist zeigen.

Aber auch das Verhältnis der Pilger zu den Einheimischen, das Zusammenleben von Juden, Muslimen und Christen und den Umgang der jeweiligen Herrschenden mit den Reisenden werden aufgezeigt. Brunner zeigt, wie sich die Zusammensetzung der Bevölkerung im Laufe der Jahrhunderte änderte, wie das Heilige Land schon früh auch zum Spielball politischer Interessen wurde und wie mit der Entwicklung des Zionismus, aber auch der Flucht vor Pogromen die erste Aliya im 19. Jahrhundert die Region zu verändern begann.

Die zahlreichen historischen Quellen machen das Buch lesenswert. Brunner erklärt und ordnet ein, ohne oberlehrerlastig zu sein und schafft es die Jahrhunderte kompakt zusammenzubringen.

Veröffentlicht am 05.05.2024

Aberwitzige Kochshow-Parodie

Schnitzel Surprise
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Mit "Schnitzel Suprise" hat Markus Heitz die Welt der Koch- und Backshows aufs Korn genommen und beschreibt mit schrägem Humor und überdrehtem Plot die Abenteuer von Thom, der es fast mal zu einem Michelin-Stern ...

Mit "Schnitzel Suprise" hat Markus Heitz die Welt der Koch- und Backshows aufs Korn genommen und beschreibt mit schrägem Humor und überdrehtem Plot die Abenteuer von Thom, der es fast mal zu einem Michelin-Stern geschafft hat, nun aber doch nur der Wirt des Schnitzel-Ecks ist, einer Kneipe, die irgendwie in den 80-er Jahren stehengeblieben ist und in der die Pleite stets nur um die Ecke zu sein scheint.

Also so gar kein telegener Szenewirt - bis ihm der hippe TV-Produzent Max ein Angebot macht, dass Thom nicht abschlagen kann: Er stellt Thom in den Mittelpunkt von Koch-Formaten aller Art. Dafür will der Sender Thoms Schulden übernehmen. Das wird dem Schnitzelwirt zwar schon bald zu viel, aber er kommt da nicht mehr raus. Statt dessen gibt es Ärger mit der Lebensmittelaufsicht, mit der Ex und die Sorge um den 60-jährigen Azubi Boris, der an Allergien und Unverträglichkeiten alles aufzuweisen hat, was da so existiert.

Der Generationen- und Kulturclash zwischen Mittvierziger Thom und seinen Stammkunden Halbglatzen-Martin und Schnurrbart-Stefan einerseits und der hippen unter-30-Fernsehmeute andererseits bietet schon reichlich Stoff für Krisen, Missverständnisse und Frust. Manches, was Thom beim Brainstormen vorschlägt, weil er es für völlig irre hält, wird begeistert aufgenommen.

In den immer abstruseren Koch- und Backformate,, die zunächst als Internet-Testballons laufen, muss Thom jetzt irgendwie eine gute Figur machen. Und dann sind da noch all die durchgeknallten Schnitzelvarianten. Nicht zu vergessen der Einsatz Thoms in einer Kindergartengruppe, wo nach gemeinsamem Schnitzelbraten sensible Kinderseelen plötzlich feststellen, dass das Fleisch mal gelebt hat.

Dennoch: als "Desaster-Chef" hat Thom plötzlich eine große Fangemeinde und wird zum Gastro-Influencer wider willen. Kurz, es gibt jede Menge Situationskomik, vielleicht nicht allzu subtil, aber ein Lesespaß, der Entspannung schafft und die Lachmuskeln attackiert.

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Veröffentlicht am 28.04.2024

Armut im reichen Amerika

Armut
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In seinem Buch "Armut" analysiert der Soziologe und Pulitzer-Preisträger Mathew Desmond die Strukturen, die verhindern, warum die Ärmsten der US-Gesellschaft vom Wohlstand des Landes ausgeschlossen bleiben ...

In seinem Buch "Armut" analysiert der Soziologe und Pulitzer-Preisträger Mathew Desmond die Strukturen, die verhindern, warum die Ärmsten der US-Gesellschaft vom Wohlstand des Landes ausgeschlossen bleiben und trotz aller Mühen nur selten den Weg aus der Armut heraus finden. Desmond ist selbst in prekären Verhältnissen aufgewachsen und trotz des wissenschaftlich-analytischen Ansatzes ist die Wut über Missstände gerade dann beim Lesen spürbar, wenn er von individuellen Schicksalen berichtet.

Armut in einer reichen Gesellschaft ist natürlich kein Sonderstellungsmerkmal der USA, auch in Deutschland ist der Reichtum höchst ungleich verteilt und die soziale Schere klafft zunehmend auseinander. Aber, und das ist der große Unterschied zwischen den USA und Europa, die Idee des Wohlfahrtsstaates hat in Amerika nie richtig Fuß gefasst. Dass eine Krankenversicherung oder eine Sozial- und Rentenversicherung in einer der reichsten Industrienationen der Welt nicht selbstverständlich sind, habe ich noch nie verstanden.

Desmond zeigt strukturelle Benachteiligungen auf, die vor allem Arme und dann besonders arme Schwarze und Latinos treffen - sei es beim Thema Wohnen, Zugang zur Bildung, aber auch buchstäblicher Ausgrenzung etwa durch Flächennutzungspläne. Die Rechenbeispiele, die er vorlegt, machen betroffen und wütend: Dass die Aufwendungen armer Amerikaner für Mieten und Lebenshaltungskosten kaum niedriger sind als die der Mittelklasse, dafür aber für ungleich miesere Verhältnisse, dem Slumlord sei Dank. Dass Vernachlässigung ganzer Stadtteile letztlich auch die Gesundheit der Bewohner gefährdet. Die Steuerabschreibungen und Zuschüsse, die bereits Wohlhabenden ein noch besseres Leben verschaffen, während zur Verringerung von Armut zu wenig getan wird.

Ja, dass es Klientel-Parteien gibt, die die Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Reichen so weit wie möglich abwenden wollen, das kennen wir auch aus Deutschland. Vom angespannten Wohnungsmarkt und der Miete, die gerade in den Großstädten das Gehalt auffrisst, ganz zu schweigen. Und Unternehmerkinder, die als Studenten Papas Firmenwagen fahren und in der abschreibungsfähigen Eigentumswohnung leben, während Kommilitonen zwischen Praktika und Jobben irgendwie das Studium schaffen müssen. Alles nicht fair und gerecht, aber so haarsträubend wie in den USA dann doch (noch?) nicht.

Insofern ist "Armut" auch eine Warnung, amerikanischen Verhältnissen in Europa die Tür zu öffnen. Denn die Verhältnisse sind so, dass die einen von der Armut der anderen profitieren und Ausbeutung zulassen. Und da muss man dann wiederum gar nicht erst nach Amerika blicken, sondern die Bedingungen der Scheinselbständigen auch in Deutschland genauer betrachten. Beim Lesen von "Armut" wird gleichzeitig klar, wie wichtig starke Gewerkschaften und Betriebsräte sind, um die Interessen gerade der im Niedriglohnbereich Beschäftigten durchzusetzen. Dass der Organisation der Arbeitnehmer in den USA auch im 21. Jahrhundert noch erhebliche Steine in den Weg gesetzt werden - und die Gewerkschaften selbst eine traurige rassistische Vergangenheit haben - zeigt, dass die klassische Tellerwäscherkarriere im angeblichen Land der unbegrenzten Möglichkeiten letztlich nur ein Mythos ist. In der Welt, die Desmond beschreibt, sind die Möglichkeiten sehr, sehr begrenzt.

Veröffentlicht am 28.04.2024

Ganzheitlich für mehr Gesundheit

Die Bewegungs-Docs – Unser Programm für mehr Gesundheit und Leichtigkeit
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Bewegung, Ernährung, Achtsamkeit - mit einem ganzheitlichen Konzept gehen die "Bewegungs-Docs" Melanie Hümmelgen, Helge Riepenhof und Christian Sturm ihren Ratgeber an. Die drei Mediziner kommen aus verschiedenen ...

Bewegung, Ernährung, Achtsamkeit - mit einem ganzheitlichen Konzept gehen die "Bewegungs-Docs" Melanie Hümmelgen, Helge Riepenhof und Christian Sturm ihren Ratgeber an. Die drei Mediziner kommen aus verschiedenen Disziplinen - Kardiologie, Internistik, Orthopädie und haben also nicht nur Herz und Kreislauf, sondern auch Stoffwechsel, Muskulatur und Gelenke im Blick.

Der Ratgeber gibt zahlreiche Erläuterungen, wie etwa Muskulatur oder ausreichend Schlaf und Stressvermeidung ganz konkrete Auswirkungen auf die organische Gesundheit, das Wohlempfinden und nicht zuletzt die Lebenserwartung haben. Er unterstützt zugleich beim Reboot, um wieder mobil und fit zu werden, erklärt die Unterschiede von Kraft- und Ausdauertraining und welche Auswirkungen sie jeweils für den Organismus haben.

Ein drei-Wochen-Programm bietet mit kurzen und machbaren Übungen den Übergang in ein beweglicheres, gesünderes Leben: Von der Basis-Fitness über eine Feel-Good-Woche, in der Achtsamkeit, Atmen, Stretching größere Bedeutung zukommt und der Turbo-Fitness. Daneben gibt es kurze Übungsprogramme für bestimmte Krankheitsbilder, etwa Bluthochdruck, Diabetes, aber auch Knieschmerzen oder Hüftarthrose. Auch ein Selbsthilfeprogramm gegen Kopfschmerzen ist dabei. Klar stellen die Bewegungsdocs aber auch: wer eine schwerere Vorerkrankung hat, sollte vor der Aufnahme eines Trainings auf jeden Fall erst mal mit Arzt oder Ärztin reden.

Damit auch beim Thema Ernährung auf leichte und gesunde Kost gesetzt wird, gibt es auch einen kurzen Rezeptteil. Der Schwerpunkt des Ratgebers mit zahlreichen erläuternden Grafiken liegt aber eindeutig beim Thema Bewegung. Dabei sind die Autoren motivierend und zeigen anschaulich, wie unabhängig vom Lebensalter es nie zu spät ist, vom Sofa hochzukommen und die Muskeln wieder zu üben. Für überzeugte Fitnessaktive sicher zu niedrigschwellig, aber Couch Potatoes mit dem willen zur Veränderung finden hier einen sanften Einstieg, um wieder aktiv zu werden.

Veröffentlicht am 26.04.2024

Zerbrechlicher Beziehungsreigen

Das glückliche Paar
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Der Waterford-Schwan, den die Pianistin Celine in Naoise Dolans Roman "Das glückliche Paar" an ihrem Hochzeitstag beim Klavierspiel zerbricht, ist schon ziemlich symbolisch. Denn Schwäne haben üblicherweise ...

Der Waterford-Schwan, den die Pianistin Celine in Naoise Dolans Roman "Das glückliche Paar" an ihrem Hochzeitstag beim Klavierspiel zerbricht, ist schon ziemlich symbolisch. Denn Schwäne haben üblicherweise zu ihrem Partner eine lebenslange Bindung. Celines Verlobter Luke hingegen war schon auf der eigenen Verlobungsfeier plötzlich verschwunden. Trotzdem halten die beiden ein Jahr an ihren Hochzeitsplänen fest.

Freunde und Ex-Partner*innen, was mitunter auf dasselbe hinauskommt, sind wie ein Chor in der griechischen Tragödie mit ihren Kommentaren, ob und warum nicht Celine und Luke heiraten sollten. Reicht Liebe für ein ganzes Leben? Vor allem, wenn der eine eigentlich kein Mensch für Beziehungen ist und die andere alles ihrem Klavierspiel unterordnet?

Dass nicht nur Braut und Bräutigam, sondern auch die Mehrheit des Freundeskreises queer sind und die mögliche Partnerwahl sich dabei noch mal multipliziert, macht es nicht einfacher. Es ist ein zerbrechlicher und gleichzeitig dynamischer Beziehungsreigen, der sich nicht nur aus der Sicht von von Luke und Celine, sondern auch aus der Perspektive von Celines Schwester sowie Lukes Mitbewohnerin und Mitbewohner aus Uni-Zeiten (mit beiden hatte er etwas) in dem Buch entfaltet. Während der Countdown für die Hochzeit läuft, wächst die Nervosität. Glücklich bin ans Ende ihrer Tage, oder ist alles ein Riesenfehler?

Sollen, ja können Celine und Luke heiraten? Was wird überhaupt von Ehe und Beziehung erwartet, und welche Ansprüche stellen Liebende aneinander? Bedeutet eine Beziehung Erfüllung oder Beschneidung von Freiheit? Kann man sich überhaupt für einen einzigen Menschen entscheiden? In der Verlagsankündigung wird Dolans Roman als Sittengemälde ihrer Generation bezeichnet, als Porträt moderner Beziehungen. Dabei geht es doch letztlich um Fragen, Zweifel und Gefühle, die nicht auf die Gen Z beschränkt sind (auch wenn die das vielleicht glaubt).

"Das glückliche Paar" seziert den Gefühlswirrwarr genau beobachtend und mit humorvoller Anteilnahme. Auch die konventionelleren Nebenfiguren wie Celines Onkel und Tante sind liebevoll gezeichnet.

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