Profilbild von IlonaThoem

IlonaThoem

aktives Lesejury-Mitglied
offline

IlonaThoem ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit IlonaThoem über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.10.2024

süß, klebrig, Gem_einsamkeit?

Die Honeys (Erstauflage mit gestaltetem Farbschnitt): Ein queerer Mystery-Thriller für Fans von Pretty Little Liars
0

„Die Honeys“ sprengt für mich alle Buch-relevanten Kategorien die ich kenne. Es ist ein Sommer(-camp) Roman, eine Horror Geschichte, ein Thriller, eine Liebeserklärung, ein zu-sich-selber-finden und ein ...

„Die Honeys“ sprengt für mich alle Buch-relevanten Kategorien die ich kenne. Es ist ein Sommer(-camp) Roman, eine Horror Geschichte, ein Thriller, eine Liebeserklärung, ein zu-sich-selber-finden und ein sich-verlieren. Es ist ein Buch über Trauer und über Queerness, eins über Gemeinschaft und Verschwörungen und Rebellion. Schlicht, ich könnte den Inhalt nicht zusammenfassen und wenn ich es wollte…

Die Sprache des Buches hat sehr dazu beigetragen mich in seinen Bann zu ziehen, ich habe selten ein Buch so intensiv erlebt, auch in den Phasen in denen ich nicht aktiv gelesen habe. Ryan La Sala setzt eine Sprache ein, die eine einzige Metapher erschafft, ein so dicht gewobenes Netz über Netz, dass alles darin hängen bleibt. Die Beschreibungen sind vielmals sehr sensorisch, haben meine Sinne quasi aus dem Buch heraus berührt. Klebrig, süß, träge, überwältigend – die Beschreibungen spiegeln von Anfang an den Inhalt, orientieren sich an den Honeys, den Bienen, dem Honig. Manche sprachlichen Anspielungen auf die queere Szene, zt auch Slang, waren zwar nicht so treffend übersetzt, aber das fiel für mich nur am Anfang kurz ins Gewicht.

Sprachlich wie auch inhaltlich konkurrieren die verschiedenen Ebenen von Gefahr mit denen der Sehnsucht und Gem_einsamkeit. Das Setting im high-society natur Sommercamp Aspen passt perfekt. Und Mars war als Hauptcharakter eine sehr positive Erfahrung. Mars ist neugierig, selbstsicher, mutig und Mars’s Genderfluidität, je nach Kontext, sowohl etwas störendes, als auch etwas schönes, befreiendes, etwas festes in flüssigem Zustand. Als Leser kann ich Mars bewundern, genauso wie Angst um xier haben. Mars hat mich berührt, ohne Umwege zu gehen. Auch die anderen Charaktere werden sehr lebendig in der Art wie sie beschrieben werden. Zwischen ihnen und insbesondere zwischen ihnen und Mars findet ein ständiges Austarieren von Nähe und Distanz statt, was auf Dauer anstrengend, aber über den Verlauf der Erzählung hinweg auch hübsch wie ein Tanz ist.

Zwischenzeitlich kam mir dieses Buch unendlich vor, hatte es mich so eingewoben, dass ich es nicht weiterlesen wollte, um den Moment nicht verlassen zu müssen und dann wieder um nicht zurück in diese Geschichte hinein gezogen zu werden. Ich habe mir Zeit genommen und das hat meinem Lesen gut getan.
„Die Honeys“ war für mich ein ganz besonderes Leseerlebnis, das mich bereichert hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.10.2024

Vom untergehen – und Luft zum Atmen finden

A Study in Drowning
0

Dieses Buch ist ein kleines Kunstwerk. Die gestalterischen Entscheidungen von Ava Reid greifen nahtlos ineinander, schaffen zusammen etwas, was größer ist als die Summe seiner Teile.

Da wären die Charaktere. ...

Dieses Buch ist ein kleines Kunstwerk. Die gestalterischen Entscheidungen von Ava Reid greifen nahtlos ineinander, schaffen zusammen etwas, was größer ist als die Summe seiner Teile.

Da wären die Charaktere. Natürlich, die Hauptperson, Effy. Eine junge Frau, Architekturstudentin, obwohl ihr nichts mehr bedeutet als das Hauptwerk ihres Lieblingsautors, Myrddin, erfüllt von Sehnsucht danach dieses in Literatur studieren zu dürfen. Effy, die in ihrem Leben gelernt hat sich selber zu misstrauen und sich trotzdem versucht zu weigern genau das zu tun. Als sie eingeladen wird, den Bauplan für das Haus des Nachlasses ihres Lieblingsautors zu erstellen trifft sie Preston, unsere zweite Hauptperson, einen Literaturstudenten, der seine ganz eigene Vermutung über Myrddin untersuchen will. Die Zahl der Charaktere ist insgesamt sehr aufs Wesentliche reduziert, der Fokus liegt auf der Qualität, nicht der Quantität, denn diese Charaktere haben Tiefe und Vielschichtigkeit und eine ungewöhnliche Realität. Der Gedanke sie als Archetypen zu lesen verbietet sich an ihrer Menschlichkeit, die wiederum die ultimative Einladung ist sich selber in ihnen zu finden.
Wie eine Einladung, oder eher, eine neckende Herausforderung, lasen sich für mich manche der Stilistischen Mittel. Ein Buch über ein Buch. Mit der Zeit verschwammen für mich das eine Buch und das andere, verwob sich die Welt um mich herum mit der in „a study in drowning“, spiegelte mein Leseerlebnis den Rechercheprozess von Effy und Preston. Die wortgewaltigen, poetischen Beschreibungen des Meers imitieren in ihrer Funktion das Meer selber und tragen diese Erzählung. Die magisch-mythischen Elemente und das Ringen um Wahrheit haben für mich einen großen Reiz an diesem Buch ausgemacht. In der dritten Person, aber dennoch aus Effys Sicht, lernen wir diese Welt kennen. Werden mit dem konfrontiert, was für sie wichtig ist und dem, was sich an Gewohnheit in ihr Leben geschlichen hat und vielleicht jetzt erst wichtig für sie wird.

Es ist ein feministisches Buch, ja. Es ist ein Buch über unsere Natur, über Naturgewalt. Es ist ein Buch über Verrücktheit. Es ist ein Buch, in dem es auf allen Ebenen und in allen nur möglichen Arten ums „Ertrinken“ geht, der Titel ist wunderbar treffend. Es ist aber gleichzeitig nicht ein Buch nur über etwas. Es ist ein Buch, dass Nuancen mitnimmt und, bei aller Aussagenstärke, offen bleibt für jede einzelne lesende Person. Ein Buch das uns mitnimmt, mitunter wohl auch mitreißt. Ein Buch, dass alles in seiner Macht stehende tut um uns zu helfen am Ende auch wieder aufzutauchen. Es ist nicht so, dass Preston mit Effys Wunden alles richtig macht, immer das Richtige sagt. Er sagt mitunter genau die Sätze, die sicherlich auch für viele Lesende Wunden sind. Aber Ava Reid schafft es, dass es am Ende doch Balsam ist, dass all das schmerzhafte der Heilung dient. Vielleicht sind manche Szenen gerade in dieser Unperfektion zu Perfekt, die Reflexionsfähigkeit von Effy und Preston und ihr Umgang miteinander unglaubwürdig schön. Aber es ist eben schön und warm, in einem Buch, was sich nicht scheut bis in die dunkelsten und kältesten Winkel dessen zu gehen, was nunmal, nunja, nicht schön ist, wie soll ich diesem Buch das also vorhalten?

Ich werde dieses Buch, glaube ich, noch öfter lesen. Ich habe ein Stück von mir darin gefunden und auch ein Stück von mir darin verloren. Bücher wie dieses bleiben lange lebendig.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.07.2024

beklemmende Gegenwartsliteratur

Das Lied des Propheten
0

Ein durch und durch politisches und zeitgeschichtliches Werk von atemberaubender Stärke. Paul Lynch zeigt deutlich, was Literatur für unsere Gesellschaft leisten kann. Es ist gar nicht so einfach etwas ...

Ein durch und durch politisches und zeitgeschichtliches Werk von atemberaubender Stärke. Paul Lynch zeigt deutlich, was Literatur für unsere Gesellschaft leisten kann. Es ist gar nicht so einfach etwas Gewinnbringendes zu autoritären Regimen zu veröffentlichen, die Balance zwischen Geschichte, Zukunft und Gegenwart zu halten. Diesem Buch gelingt das.

Die sprachliche Ausgestaltung und der Inhalt greifen ineinander, die beklemmende Spannung weicht selten kurzen Momenten des Luftschnappens. Ich habe daher nach jedem Kapitel Lesepausen eingelegt, diese Intensität fand ich schwer zu ertragen. Die Erzählweise, insbesondere die fehlende Kennzeichnung von wörtlicher Rede, empfand ich zum Teil als verwirrend, auch einen Überblick über die anwesenden Personen zu bekommen fand ich immer wieder schwierig. Gleichzeitig entsteht gerade dadurch das ineinander von Außen und Innen und die sprachliche Darstellung der Verluste unter dem faschistischen Regime. Fast alles wird in diesem Buch zu (halben) Symbolen, steht für sich und gleichzeitig für so viel mehr. Das Regime beschrieben wie ein Raubtier, die Familie der Protagonistin Eilish die Beute. So sehr ich als Leser immer wieder geahnt habe wohin das alles führt, Eilish zurufen wollte doch bitte dies oder jenes zu tun oder zu lassen, der Autor hat es trotzdem immer wieder geschafft mich unvorbereitet zu erwischen, mich in die Ohnmacht die Eilish fühlt einzuweben.

Die Charaktere brauchten für mich eine lange Zeit um wirklich hervorzutreten und im Laufe der Erzählung haben sie unterschiedliche Fokuszeiten. Nicht einer ist für die Erzählung entbehrlich, ich finde es bemerkenswert wie Paul Lynch es geschafft hat diese massiv funktionalen Charaktere mit einem Gefühl von Individualität und Persönlichkeit auszustatten. Auch die, Anfangs verwirrende, Größe der Familie ist genau austariert, alle Rollen können vergeben werden. In den Familienbeziehungen spiegelt sich die Welt, an ihrem beispielhaften Schicksal zerbricht sie und mag sie wieder zusammengesetzt werden können.

Ein Buch von überwältigender Stärke und im deutschen mit einer sehr gelungenen Übersetzung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.06.2024

Richtig gut!

Cosy Secrets – Der kupferne Schlüssel
0

Klarer Fall von "drin was draufsteht". Es ist ein sehr unterhaltsamer, durchaus kurzweiliger Roman mit einer sanft beginnenden, aber richtig mitreißend spannend werdenden crime Geschichte. Mit Edderton ...

Klarer Fall von "drin was draufsteht". Es ist ein sehr unterhaltsamer, durchaus kurzweiliger Roman mit einer sanft beginnenden, aber richtig mitreißend spannend werdenden crime Geschichte. Mit Edderton gibt es ein malerisches wunderschönes Sehnsuchts-Setting. Da sind Charaktere mit Persönlichkeit die ich alle schnell ins Herz geschlossen habe. Mit Rae schenkt uns Franzi Kopka eine sympathische Hauptperson die ich bereits nach wenigen Kapiteln, fast schon unheimlich, relatable fand. Das "Gegenstück" Archer ist zum dahinschmelzen mit absolut integerem Charakter.
Sprachlich ließt sich "Cosy secrets" leicht und flockig, keine unnötigen Verkünstelungen an denen eins sich stoßen könnte. Es ist ein unverstelltes, natürliches Erzählen, fastals würde ich einer Freundin zuhören. "Cosy", also gemütlich, trifft es wirklich gut. Trotzdem gibt es immer wieder Sätze, für die ich mir Stift und Papier genommen habe um sie als Zitate rauszuschreiben, weil sie einfach so treffend, so gut waren.

Besonders gefallen hat mir die Art wie Menschlichkeit in die Schreibweise und Geschichte einfließt, immer wieder justiert Rae ihre Interpretationen, Bewertungen und Überzeugungen ohne dabei ihre (alten) Gefühle und Erinnerungen abzuwerten. Fast beiläufig wird die Komplexität menschlichen Miteinanders anerkannt und Hoffnung darauf geweckt, dass es trotz bzw weil wir alle nicht perfekt sind funktionieren kann.

Wer, wie ich, in seinen Büchern kein großes Interesse an sexueller Körperlichkeit hat, sollte dieses Buch in der Hinsicht ausgewogen finden. Es ist definitiv nicht übermäßig viel "spice", wohl aber eine Menge (an)schmachten. Was ich wiederum ziemlich süß fand. Der Fokus liegt deutlich auf den Gefühlen.

Nach "honesty" ist dies mein zweiter Roman von Franzi Kopka und auch ein sehr anderes Genre. Und, was soll ich sagen, mit diesen beiden Büchern hat sie sich in meine Liste der Lieblingsautor*innen befördert. Insbesondere "Cosy secrets" hat mir sehr gut gefallen und war genau die Mischung aus Spannung, Liebe und leichter Unterhaltung, die ich gerade gebraucht habe.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.04.2024

mit Emmy trauern

Wohin das Licht entflieht
0

Schon das Cover mit der Metallic-Folie ist so wunderschön und fein gestaltet, es sollte nicht überraschen, dass dieses Buch mehr ein kleines Kunstwerk als irgendeine Story ist. Sara Barnard beschenkt uns ...

Schon das Cover mit der Metallic-Folie ist so wunderschön und fein gestaltet, es sollte nicht überraschen, dass dieses Buch mehr ein kleines Kunstwerk als irgendeine Story ist. Sara Barnard beschenkt uns Lesende mit einer authentischen Erzählung voller emotionaler Wucht zu einem Thema, bei dem sonst eher Distanz und erhobene Zeigefinger dominieren. Emmy, die Protagonistin, hat ihre Schwester durch Suizid verloren. „Wohin das Licht entflieht“ nimmt uns mit durch die Trauer und das Leben danach. Barnard spielt mit der Typographie, der Textart, dem Schreibstil um die Nuancen dessen, was hier passiert greifbar zu machen. Emmys Geschichte berührt unmittelbar und das liegt zum großen Teil an dieser Gestaltung. Das ganze Buch transportiert eine warme, ruhige Gelassenheit in der Begleitung von Emmys Weg, auf dieser Grundlage fällt es leicht sich auf die Gefühle und das Geschehen einzulassen. Alles darf sein, auch wenn nicht alles gut oder richtig ist. Die Liebe der Autorin zu ihrer Protagonistin ist tröstlich auch für mich als Leser.

Durch Emmys Perspektive lernen wir die anderen Protagonisten kennen, allen voran natürlich ihre verstorbene Schwester. Diese deutliche perspektivische Zentrierung fand ich im Endeffekt sehr hilfreich, auch wenn ich zwischendrin nur zu gerne die Gedanken und Gefühle anderer Charaktere unmittelbar wissen wollte. Wenn Zeitungsartikel oä gezeigt werden, waren sie immer so eingebunden, wie Emmy sie gesehen hat. Mit der Zeit verändert sich Emmys Blick und wir Lesende dürfen und müssen zusammen mit ihr langsam die Komplexität begreifen. Denn das sind Themen rund um Prominenz, Showbusiness, Suizid und Trauer und ich rechne es der Autorin hoch an, wie sie damit umgegangen ist. Am Ende ist es rund. Am Ende ist Emmys Schwester (natürlich) immer noch tot und da ist immer noch Trauer aber da ist auch Leben. Dieses Buch macht Mut, gerade indem es das nicht plakativ vor sich her trägt, nicht dem Anfang das Ende vornwegnimmt, sondern indem es aushält. Das sprachlich so ansprechend rüber zu bringen ist eine große Leistung.

Dieses Jugendbuch lohnt sich nicht für Jugendliche.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere