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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.04.2024

Ein schweigsamer Protest

Und alle so still
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Was wäre, wenn Frauen kollektiv streiken würden? Wenn Care-Arbeit einfach einmal nicht verrichtet werden würde? Das passiert an einem Sonntag im Juni, als Frauen reglos auf der Straße liegen. Dabei kreuzen ...

Was wäre, wenn Frauen kollektiv streiken würden? Wenn Care-Arbeit einfach einmal nicht verrichtet werden würde? Das passiert an einem Sonntag im Juni, als Frauen reglos auf der Straße liegen. Dabei kreuzen sich die Wege von Elin (Anfang 20), Nuri (19) und Ruth (Mitte 50)…

„Und alle so still“ ist ein Roman von Mareike Fallwickl.

Meine Meinung:
Erzählt wird im Präsens aus den Perspektiven von Elin, Nuri und Ruth, jeweils in eigenen Kapiteln. Zudem ist der Roman durch die genannten Wochentage strukturiert. Die kreativen Zwischenkapitel haben mir ebenfalls gefallen.

In sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman beeindruckt. Er ist sehr bildhaft, stellenweise fast poetisch, und eindrücklich. Dennoch wirkt die Sprache nicht gekünstelt, sondern nah am Zeitgeist und authentisch.

Die interessanten Charaktere werden realitätsnah und mit psychologischer Tiefe dargestellt. Zwar sind sie nicht durchweg sympathisch. Ich mochte es jedoch, dass die Figuren über Ecken und Kanten verfügen.

Aus inhaltlicher Sicht halte ich den Roman für einen wichtigen Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Debatte. Es geht um feministische Anliegen, vor allem die Bedeutung und Geringschätzung von Care-Arbeit. Das Gedankenexperiment des Generalstreiks der Frauen ist eine reizvolle und provokante Romanidee, und dabei nicht völlig abwegig. Die Umsetzung mag zum Teil etwas plakativ und überzogen sein. Darüber sehe ich aber gerne hinweg, denn die Geschichte hat mich sowohl bewegt als auch zum Nachdenken angeregt.

Auf rund 360 Seiten hat die Geschichte zudem weitere Aspekte zu bieten, die für Spannung, Überraschungen und Schockmomente sorgen. Beim Lesen kommt daher keine Langeweile auf.

Das grafische, moderne Cover spricht mich zwar nicht besonders an. Den Titel empfinde ich hingegen als besonders gut gewählt.

Mein Fazit:
Mit „Und alle so still“ ist Mareike Fallwickl erneut ein Roman gelungen, der nicht nur unterhält, sondern auch Aufmerksamkeit für ein bedeutsames Thema schafft. Eine Lektüre mit feministischen Impulsen, die mich auf sprachlicher Ebene ebenfalls überzeugen konnte und ich daher wärmstens empfehlen kann.

Veröffentlicht am 14.02.2024

Ein ungeschönter Blick auf Appalachia

Demon Copperhead
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In den Bergen der südlichen Appalachen im US-Bundesstaat Virginia: In einem Trailer wird Demon Copperhead, eigentlich Damon Fields, geboren. Sein Vater ist bei seiner Geburt schon tot, seine Mutter zu ...

In den Bergen der südlichen Appalachen im US-Bundesstaat Virginia: In einem Trailer wird Demon Copperhead, eigentlich Damon Fields, geboren. Sein Vater ist bei seiner Geburt schon tot, seine Mutter zu diesem Zeitpunkt erst 18 Jahre alt und auf Entzug. Armut, Sucht und Verluste werden auch das weitere Leben von Demon prägen…

„Demon Copperhead“ ist ein Roman von Barbara Kingsolver, der mit dem Pulitzer-Preis für Literatur im Jahr 2023 ausgezeichnet worden ist.

Meine Meinung:
Der Roman setzt sich aus 64 Kapiteln zusammen. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Demon, überwiegend chronologisch. Die Handlung deckt eine breite Zeitspanne ab: die komplette Kindheit und Jugend des Protagonisten bis ins Erwachsenenalter.

Der Schreibstil ist sehr anschaulich und leichtfüßig. Die saloppe, direkte Erzählstimme mit ihrer bisweilen recht vulgären Sprache wirkt authentisch. Sie sorgt dafür, dass die Atmosphäre trotz der sehr ernsten Themen nicht zu düster wird.

Es handelt sich um eine Neuerzählung von „David Copperfield“ aus der Feder von Charles Dickens, die jedoch auch ohne Vorkenntnisse des Klassikers funktioniert. Dabei steht der titelgebende Demon klar im Vordergrund der Geschichte. Sein Innenleben ist sehr gut nachvollziehbar. Auch die übrigen Figuren sind interessant ausgestaltet, wenn auch manche etwas schablonenhaft erscheinen.

Inhaltlich gibt es mehrere Hauptthemen: die Opioidepidemie, institutionelle Armut und Perspektivlosigkeit im ländlichen Herzen der USA. Leid und Gewalt in unterschiedlichen Formen tauchen immer wieder auf. Wie die literarische Vorlage von Dickens übt der Roman Gesellschaftskritik und regt zum Nachdenken an.

Mit seinen mehr als 800 Seiten ist der Roman keineswegs eine kurze Lektüre. Dennoch beinhaltet die unterhaltsame, mitreißende Geschichte erstaunlich wenige Längen und hat trotz des großen Umfangs mein Leseinteresse aufrechterhalten können.

Das deutsche Cover ist leider recht nichtssagend und unspektakulär. Der knappe, aber treffende Titel wurde erfreulicherweise wortgetreu aus dem amerikanischen Original übernommen.

Mein Fazit:
Mit „Demon Copperhead“ ist Barbara Kingsolver ein Roman gelungen, der verdientermaßen viel Anerkennung bekommen hat. Eine definitiv empfehlenswerte Lektüre.

Veröffentlicht am 20.01.2024

Das Summen zwischen den Atomen

Himmelwärts
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Tonis Mutter ist seit etwa drei Monaten tot. Die Zehnjährige vermisst sie sehr. Deshalb fasst Toni zusammen mit ihrer besten Freundin YumYum den Plan, der Verstorbenen mit einem selbstgebastelten ...


Tonis Mutter ist seit etwa drei Monaten tot. Die Zehnjährige vermisst sie sehr. Deshalb fasst Toni zusammen mit ihrer besten Freundin YumYum den Plan, der Verstorbenen mit einem selbstgebastelten kosmischen Radio eine Nachricht zukommen zu lassen. In einer sternenklaren Sommernacht wollen die beiden Mädchen ihr Vorhaben heimlich umsetzen…

„Himmelwärts“ von Karen Köhler ist ein Buch für Kinder ab zehn Jahren.

Meine Meinung:
Das Buch besteht aus kurzen Kapiteln, die rückwärts nummeriert sind und mit ihren Überschriften eine Art Countdown darstellen sollen. Erzählt wird im Präsens und in chronologischer Reihenfolge in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Toni.

Der freche, flotte Schreibstil passt sehr gut zur jungen Zielgruppe. Die Kombination aus Wortneuschöpfungen, Lautmalereien und spritzigen Dialogen ist unterhaltsam und wirkt dennoch authentisch. Stilistisch ist das Buch ebenfalls abwechslungsreich. Zwischen den Kapiteln gibt es Einschübe aus Tonis Notizbuch und dem Freundschaftsbuch.

Die modernen, farbintensiven Illustrationen von Bea Davies empfinde ich ebenfalls größtenteils als gelungen. Sie greifen Aspekte der Geschichte auf kreative Weise auf.

Die zwei Protagonistinnen sind interessante und klischeefreie Charaktere. Während sich Toni für Fußball begeistern kann, ist YumYum technisch und mathematisch begabt. Damit sind beide tolle Vorbilder dafür, dass auch Mädchen auf diesen Gebieten gut sein können.

Inhaltlich dominieren zwei Themenkomplexe: Trauer und Astronomie. Tonis Verlust wird behutsam, kindgerecht und sehr berührend geschildert. Gut gefallen hat mir, dass Technik und Astronomie verständlich erklärt werden und die junge Leserschaft nebenbei noch etwas in diesen Bereichen lernen kann.

Auf rund 190 Seiten wird die Geschichte in einer unaufgeregten Art und ohne Effekthascherei ausgebreitet. Dennoch kommt dank einer Wendung und interessanten Einfällen beim Lesen keine Langeweile auf.

Cover und Titel des Kinderbuches sind ansprechend. Sie passen hervorragend zum Inhalt.

Mein Fazit:
Auch mit ihrem Kinderbuch hat mich Karen Köhler überzeugt. Für mich ist „Himmelwärts“ eine ebenso unterhaltsame wie bewegende Lektüre mit begrüßenswerten Botschaften, die sich angenehm aus der Masse hervorhebt.

Veröffentlicht am 16.11.2023

Wenn sich Rassismus vererbt

Die Bäume
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Die Kleinstadt Money im US-Bundesstaat Mississippi im Jahr 2018: Innerhalb kurzer Zeit werden mehrere weiße Hinterwäldler auf brutalste Weise ermordet. Das Bizarre daran ist, dass an den Tatorten jeweils ...

Die Kleinstadt Money im US-Bundesstaat Mississippi im Jahr 2018: Innerhalb kurzer Zeit werden mehrere weiße Hinterwäldler auf brutalste Weise ermordet. Das Bizarre daran ist, dass an den Tatorten jeweils eine zweite, ebenfalls übel zugerichtete Leiche aufgefunden wird, und zwar die eines Schwarzen. Die provinziellen Ermittler sind schnell überfordert, zumal sich die Mordserie bald ausweitet…

„Die Bäume“ ist ein Roman von Percival Everett.

Meine Meinung:
Der Roman ist in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich. Das zeigt sich bereits bei dessen Struktur. 108 kurze Kapitel sind auf den rund 350 Seiten aneinandergereiht. Örtlichkeiten und Personen wechseln also in schneller Reihenfolge ab. Erzählt wird aus einer auktorialen Perspektive.

Der Erzählstil ist dialoglastig und von einer recht einfachen Syntax geprägt. In Kombination mit den kurzen Szenen erinnert der Roman dadurch an ein Drehbuch. Dennoch ist der Schreibstil auf den zweiten Blick alles andere als banal. Besonders gut hat mir der Sprachwitz gefallen, der sich durchs ganze Buch zieht. Der Autor spielt beispielsweise auf sehr amüsante Weise mit Namen und Begriffen.

Die Übersetzung von Nikolaus Stingl habe ich trotz ihrer Schwächen insgesamt als noch akzeptabel empfunden. Nach der Lektüre könnte ich mir jedoch vorstellen, dass es sich - sprachlich gesehen - lohnen könnte, den Roman im Original zu lesen.

Das Personal ist sehr umfangreich. Vor allem zu Beginn ist es mir nicht leicht gefallen, die vielen Haupt- und noch zahlreicheren Nebenfiguren zu sortieren. Die Verwirrung hielt aber nur kurz an. Die Charaktere sind zum Teil sehr überzeichnet. Das hat mein Lesevergnügen allerdings noch gesteigert.

Bei dem Roman handelt es sich um einen Genremix. Die Geschichte enthält Krimi-, Horror- und Mysteryelemente und ist zugleich eine Gesellschaftssatire.

Inhaltlich geht es vor allem um den Rassismus und seine Folgen. Der Schwerpunkt liegt auf den Lynchmorden in den Südstaaten der USA. Die menschlichen Abgründe, die in diesem Zusammenhang geschildert werden, machen nachdenklich und betroffen. Obwohl einige Hintergründe ihren Ursprung in der Vergangenheit haben, hat das Thema nichts von seiner Aktualität eingebüßt, wie die „Black lives matter“-Bewegung und deren Motive deutlich werden lassen. Zudem lässt der Roman Raum für eigene Interpretationen.

Die Geschichte überrascht mit einigen Wendungen. Obwohl sie viel Tiefgang besitzt, bleibt das Tempo hoch. Ganz zum Schluss hat mich der Roman mit der außergewöhnlichen Auflösung ein bisschen verloren. Das schmälert den Lesegenuss aber nur wenig.

Der deutsche Titel ist wortgetreu aus dem englischsprachigen Original („The Trees“) übersetzt. Er ist zwar durchaus passend, erschließt sich aber nicht sofort. Das Cover gefällt mir dafür umso besser, weil es auf mehreren Ebenen sehr stimmig ist.

Mein Fazit:
Für seinen Roman „Die Bäume“ wurde Percival Everett völlig zurecht für den Booker-Prize 2022 nominiert. Sowohl in inhaltlicher als auch sprachlicher Hinsicht eine äußerst empfehlenswerte Lektüre, die mich nicht nur sehr gut unterhalten, sondern auch berührt hat. Ich kann mir für diese wichtige Geschichte eine Hollywood-Verfilmung prima vorstellen.

Veröffentlicht am 25.10.2023

Über die spannende Welt der Bücher

Büchermenschen
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Was muss alles passieren, bevor ein neues Buch erscheinen kann? Wie viele verschiedene Menschen sind an diesem Prozess beteiligt? Welche Dinge sind dabei zu beachten?

„Büchermenschen - Wie ein Buch entsteht“ ...

Was muss alles passieren, bevor ein neues Buch erscheinen kann? Wie viele verschiedene Menschen sind an diesem Prozess beteiligt? Welche Dinge sind dabei zu beachten?

„Büchermenschen - Wie ein Buch entsteht“ von Stéphanie Vernet ist ein Sachbuch für Kinder ab acht Jahren.

Meine Meinung:
Das Buch besteht aus zwölf Kapiteln. Eingeleitet wird es mit einem Vorwort der Autorin.

Die kurzen Texte sind über die Doppelseiten verteilt. Manche Fachbegriffe werden erklärt, andere nicht. Alles in allem sind die Beschreibungen jedoch leicht verständlich und damit für Grundschüler geeignet.

Die Illustrationen von Camille de Cussac erstrecken sich jeweils über Doppelseiten. Sie sind sehr farbenfroh und modern gestaltet. Die Zeichnungen bieten viele Details zum Entdecken.

Geboten wird ein umfassender Blick hinter die Kulissen der Verlagswelt. Geschildert wird auf rund 40 Seiten die Entstehung eines Buches vom Schreiben über den Druck bis zur Rezeption. Dabei werden die einzelnen Schritte Stück für Stück erklärt. Dargestellt wird dieser Prozess über die jeweiligen beteiligten Personen. Darunter fallen der Autor, die Lektorin, die Illustratorin, der Gestalter, die Vertreterin, die Druckerin, der Buchhändler, die Literaturkritikerin, der Bibliothekar sowie die Leserinnen und Leser. Zunächst werden diese Personen und ihre Aufgaben erklärt. Anschließend werden detailliertere Aspekte, unter anderem Anekdoten, Beispiele, Zahlen und Fakten, hierzu erläutert.

Bemerkenswert: Die französische Ausgabe wurde nicht nur übersetzt, sondern auch so bearbeitet, dass der Inhalt auf den deutschen Buchmarkt abgestimmt ist. Eine weitere Besonderheit ist, dass die ungewöhnliche Schweizer Bindung verwendet wurde, um diesen speziellen Einband zu veranschaulichen.

Das deutsche Cover entspricht dem französischen Original. Der ursprüngliche Titel („La grande aventure du livre“) ist meiner Ansicht nach allerdings ansprechender formuliert.

Mein Fazit:
„Büchermenschen - Wie ein Buch entsteht“ von Stéphanie Vernet ist ein empfehlenswertes Sachbuch, das sich durch Liebe zum Detail auszeichnet. Eine unterhaltsame Lektüre, bei der auch Erwachsene noch etwas lernen können.