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Veröffentlicht am 08.04.2024

Großartige Bilanz über einen Lebensabschnitt

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
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Irgendwann kommt der Moment, wo sich im Leben vieles ändert. Die Kinder werden erwachsen, eine Beziehung zerbricht, die Wohnung ist plötzlich viel zu groß und was bleibt ist eigentlich nur der Hund. Der ...

Irgendwann kommt der Moment, wo sich im Leben vieles ändert. Die Kinder werden erwachsen, eine Beziehung zerbricht, die Wohnung ist plötzlich viel zu groß und was bleibt ist eigentlich nur der Hund. Der Hund und viele Erinnerungen und die Gelegenheit, einmal richtig Bilanz zu ziehen, darüber, was bisher geschah, was man erlebt und was man vielleicht auch schon wieder vergessen oder verdrängt hat. Und weil das Ende des einen Abschnitts auch immer gleich der Beginn eines neuen ist, dürfen wir dabei sein, wie eine Frau in ihren "besten Jahren" Bilanz zieht über sich selbst, ihren Beruf, Beziehungen und ihr Familienleben und sich gleichzeitig auf macht, in ihr neues Leben.

"Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe" von Doris Knecht ist ein großartiges Zeugnis über die Veränderungen im Leben, so wie sie fast jeder kennt. Auch wenn das Buch erst ein bisschen düster beginnt, weil man die Tatsache der Veränderungen erst noch ein bisschen besser akzeptieren muss, so sprüht es dennoch voll schöner Ideen und zauberhafter Erinnerungen und es wird positiver, je weiter der Schritt der Akzeptanz fortschreitet, so lange, bis man schließlich mit Freude den Neuerungen des eigenen Selbst entgegensieht.

Der Schreibstil von Doris Knecht ist gewohnt locker und wortgewandt, von Anfang an ist es eine Freude, sich in das Buch einzulesen. Ich habe selbst gerade ähnliche Veränderungen hinter mir, weshalb es mir besonders leicht gefallen ist, mich mit unserer Protagonistin zu identifizieren und Parallelen zu ziehen - selbst der Wohnbezirk überschneidet sich mit meinem, was ein besonderer Bonus für das Buch ist. Die Unterteilung in viele kurze Kapitel zeigt einerseits die Vielfältigkeit der Themen, mit denen man sich zu diesem Zeitpunkt beschäftigen muss, andererseits macht es den Fortschritt der Geschichte sehr überschaubar und animiert, "noch schnell ein Kapitel zu lesen".

Doris Knecht ist mit "Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe" ein großartiges Werk gelungen, das Menschen an einem Wendepunkt ermuntert einerseits ein bisschen Bilanz zu ziehen, sich zu erinnern, wie denn früher alles war, sich andererseits aber auch auf zu machen in einen neuen Lebensabschnitt und zu erkennen, dass auch neue Situationen "gut" sein können. Für mich ist das Buch ein ganz großes Lesehighlight, das ich gerne weiterempfehlen werde!

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Veröffentlicht am 31.03.2024

Gesellschaftstragödie mit Tiefgang

Mein Name ist Estela
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In ihrem Buch "Mein Name ist Estela" entführt uns Alia Trabucco Zerán nach Chile und lässt uns das Hausmädchen Estela während ihrer 7jährigen Tätigkeit in einem Haushalt in Santiago begleiten. Neben der ...

In ihrem Buch "Mein Name ist Estela" entführt uns Alia Trabucco Zerán nach Chile und lässt uns das Hausmädchen Estela während ihrer 7jährigen Tätigkeit in einem Haushalt in Santiago begleiten. Neben der Haushaltsführung zählt auch die Betreuung der kleinen Julia zu den Aufgaben von Estela. Eines Tages ist Julia jedoch tot und Estela wird ins Verhör genommen.

Alia Trabucco Zerán ist mit "Mein Name ist Estela" ein großartiges Bildnis zweier Gesellschaftsschichten gelungen. Obwohl sie auf engem Raum zusammen leben, könnte das Leben des Hausmädchens Estela nicht unterschiedlicher zu dem der Familie, für die sie arbeitet sein. Estela lebt im Verborgenen, wird kaum gehört, sie hat zu funktionieren und ihren Teil zu der perfekten Welt der Familie beizutragen. So wirklich Gehör kann sie sich erst im Rahmen des Verhörs anlässlich des Todes der kleinen Julia verschaffen. Nun hören wir sie alle, denn sie spricht nicht nur im Rahmen ihrer Einvernahme - sie spricht zu uns. Schritt für Schritt schildert sie uns ihr Leben, die Hürden, die sie auf sich nahm, die Einsamkeit, in der sie lebte.

Estela ist klug, sie beobachtet genau, was vor sich geht. Sie bemerkt die Isolation der kleinen Julia und den Druck, unter dem das Mädchen leidet und sie zieht Parallelen zu ihrem eigenen Leben. Trotz aller Sympathie gelingt es ihr nicht, so wirklich an Julia heranzukommen, zu unterschiedlich sind die Welten, in denen die beiden leben.

Von Anfang an fesselt einen das Buch. Sowohl die Geschichte, als auch der Schreibstil lassen kaum ein Abschweifen zu, man ist von Beginn an eingebunden und hat das Gefühl, mit Estela mitzuleiden. Man kennt den Ausgang des Buches, dennoch möchte man immerzu wissen, was passiert ist, man wartet geradezu darauf, Zeuge dieser Tragödie zu werden. Und auch nach dem Ende des Buches bleibt etwas zurück: Gedanken an Estela, an ihre Welt und die Frage, warum das Leben manchmal genau diesen Lauf nimmt.

"Mein Name ist Estela" war für mich ein großartiges Lesehighlight, das mich fasziniert und beschäftigt hat, das viel Raum zum Nachdenken gab und das ich gerne weiterempfehlen werde.

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Veröffentlicht am 15.07.2024

Wiedersehen mit der Familie Hohenhausen

Zeit der Schwestern
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Bereits vom 1. Band der "Zeit der Schwestern" Trilogie, "Apfelblütentage", kennen wir die Familie Hohenhausen: die 3 Töchter Veronika, Carolin und Romy, allesamt mit Anhang, Vater Georg und Mutter Lotte ...

Bereits vom 1. Band der "Zeit der Schwestern" Trilogie, "Apfelblütentage", kennen wir die Familie Hohenhausen: die 3 Töchter Veronika, Carolin und Romy, allesamt mit Anhang, Vater Georg und Mutter Lotte mit ihrem Freund Arthur. In "Kirschsommer" steht nun Romy im Mittelpunkt des Geschehens. Als alleinerziehende Mutter von Vince und Luna ist das Leben für sie manchmal recht stressig, sie versucht aber geschickt die Ballance zwischen Familienalltag, dem Aufbau ihres Catering-Unternehmens und nicht zu letzt ihrem eigenen Liebesleben zu finden. Was turbulent beginnt, entwickelt sich Dank der Unterstützung der Familie, die Romy stets mit Rat und Tat zur Seite steht, ganz nach Romys Geschmack und so kann sie schließlich doch einen spannenden Sommer am wunderschönen Bodensee genießen.

Auch in "Kirschsommer" ist Tanja Huthmacher wieder ein sehr schönes Portrait der Familie Hohenhausen gelungen. All die Protagonisten, die wir bereits im 1. Band kennengelernt haben, haben sich weiter entwickelt und wurden mit ihrer Einzigartigkeit und ihren kleinen Macken so geschildert, dass man sie einfach ins Herz schließen musste. Die Szenerie am Bodensee tut ihr übriges dazu, das Buch zu einem gelungenen Sommerroman werden zu lassen. Es war schön, alte Bekannte wieder zu treffen und sie auch in diesem Band ein Stück auf ihrem Weg zu begleiten. Bereits in "Apfelblütentage" haben sich einige besondere Sympathien entwickelt, die sich auch jetzt fortgesetzt haben.

"Kirschsommer" ist die Fortsetzung einer Familiengeschichte voll Herz und Humor. Es passieren jetzt keine großartigen Ereignisse, aber es macht Freude, dem Alltag der Familie zu folgen, in diesem Band Romy und ihre Kinder etwas besser kennen zu lernen und mit ihr mitzufiebern, wie sich ihr eigenes Liebesglück in diesem Sommer entwickelt, sehnt sie sich doch trotz ihres hektischen Lebens doch auch nach einem Mann an ihrer Seite und nach einer stabilen Partnerschaft. Ich mag Huthmachers lockeren Schreibstil, die genauen Beschreibungen lassen einen tief in die Geschichte einzutauchen und am Geschehen der Familie Hohenhausen teilzuhaben. Schön finde ich auch, dass das Ende des Buches bereits auf den Beginn des nächsten Bandes verweist. Manche Episoden sind etwas offensichtlich und wirkliche Überraschungen erleben wir beim Lesen des Buches nicht, aber ich denke, das ist so gewollt, die Familiengeschichte mit ihren Aufs und Abs ist Grund genug, diese Trilogie zu lesen.

In diesem Sinne, liebe Familie Hohenhausen, liebe Tanja Huthmacher - ich freue mich auf ein "Weiterlesen" im Herbst. Es war ein großes Vergnügen, beim "Kirschsommer" dabei sein zu dürfen.

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Veröffentlicht am 29.04.2024

Familientroubles vor traumhafter Bodensee-Kulisse

Zeit der Schwestern
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Mit "Apfelblütentage" nimmt uns Tanja Huthmacher mit an den wunderschönen Bodensee. Hier lernen wir die Familie Hohenhausen kennen, und bekommen aus erster Hand mit, wie sich das Leben der Familie ganz ...

Mit "Apfelblütentage" nimmt uns Tanja Huthmacher mit an den wunderschönen Bodensee. Hier lernen wir die Familie Hohenhausen kennen, und bekommen aus erster Hand mit, wie sich das Leben der Familie ganz plötzlich auf den Kopf stellt. Nach der Geburtstagsfeier von Mutter Lotte ist nichts mehr, wie es vorher war und die drei Schwestern Carolin, Veri und Romy haben alle Hände voll zu tun, nicht nur ihr eigenes Leben halbwegs unter Kontrolle zu halten, sondern auch, sich in der neuen Situation um ihre Eltern zu kümmern. Zwischen Liebesglück und Familienzwist ist hier alles mit dabei und gleichzeitig gilt es auch noch für Romy, das familieneigene Weingut am Laufen zu halten, für Veri, ihren Spagat zwischen Catering Unternehmen und ihrem Dasein als alleinerziehende Mutter zu bewältigen und für Carolin zu entscheiden, ob sie denn lieber hier oder am anderen Ende der Welt leben möchte. Dass allerlei Verwirrungen mit der Männerwelt dazu kommen, macht die Sache zwar unterhaltsam, aber nicht immer leichter.

Für mich ist "Apfelblütentage" ein absolutes Wohlfühlbuch. Ich habe mich schnell mit der Familie Hohenhausen angefreundet und fand jeden einzelnen auf seine Art und Weise sehr sympathisch. Die genaue Vorstellung der Protagonisten macht es einfach, gleich in die Geschichte einzutauchen und mitzufiebern. Der Alltag der Familie stellt sich ja bereits zu Beginn des Buches auf den Kopf und wir erleben mit, wie sich die einzelnen Familienmitglieder Schritt für Schritt mit der neuen Situation arrangieren, während sie gleichzeitig versuchen, auch ihre eigenen Probleme unter Kontrolle zu halten. Es werden vielschichtige Themen angeschnitten, die teilweise in diesem 1. Band noch nicht fertig behandelt werden und so Lust machen, dass man einfach weiterlesen will. Ab und zu wirkt das Buch vielleicht ein bisschen zu "konstruiert", aber das tut der Geschichte eigentlich keinen Abbruch und in einem Herzensroman darf auch mal etwas ein bisschen vorhersehbar sein.

Was mir besonders gut gefällt, ist, wie schön die Familienbeziehungen geschildert werden, wie wichtig die 3 Schwestern für einander sind und wie sehr sie aufeinander achten und sich unterstützen. Tanja Huthmacher ist es gelungen, unglaublich sympathische Protagonisten zu schaffen und uns während des Lesens das Gefühl zu vermitteln, an ihrem Leben direkt teilhaben zu dürfen.

"Apfelblütentage" ist ein durch und durch wunderschönes und sehr positives Buch, das ich mit großer Begeisterung gelesen habe und dessen Protagonisten rasch mein Herz erobern konnten. Ich habe mit ihnen mitgefiebert und mich mitgefreut und jetzt kann ich kaum erwarten, dass bald der 2. Teil veröffentlicht wird. Vielen Dank für die schönen Lesestunden - meine Empfehlung gilt für alle, die Lust auf Liebe, Familie und schöne Gefühle haben.

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Veröffentlicht am 04.04.2024

Verwirrungen in der "Aubergine"

Gruß aus der Küche
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Irma hat ein alteingesessenes Gasthaus übernommen und es kurzerhand zur vegetarischen Restaurant "Aubergine" umgestaltet - ein Konzept das aufging, Irma aber vieles an Einsatz abverlangt. Mit dabei als ...

Irma hat ein alteingesessenes Gasthaus übernommen und es kurzerhand zur vegetarischen Restaurant "Aubergine" umgestaltet - ein Konzept das aufging, Irma aber vieles an Einsatz abverlangt. Mit dabei als tatkräftige Unterstützung sind die Schulabbrecherin Lucy, der schrullige Pensionist Vinzent und Irmas exzentrischer Freund Josch - gemeinsam geben die beiden das skurrile Duo "Spannenlanger Hansel & nudeldicke Dirn" ab. Der Alltag in der "Aubergine" ist turbulent und nicht nur von geschäftlichen Aufregungen geprägt, auch zwischenmenschlich erleben die Vier einiges und sorgen dafür, dass das Leben in un um die "Aubergine" nicht langweilig wird.

In Ingrid Nolls "Gruß aus der Küche" lernen wir eine absolut liebenswerte Truppe kennen, die gemeinsam ein Restaurant betreibt. So unterschiedlich die Charaktere auch sind, so gut ergänzen sie sich und betreiben sehr erfolgreich das Restaurant. Von Anfang an werden wir in dem Buch mit den Vieren gut bekannt gemacht und es gelingt Ingrid Noll Dank präziser Schilderungen einmal wieder, Sympathie für jeden einzelnen von ihnen zu erwecken. Die Unterteilung in kurze Kapitel und die Erzählweise aus der Sicht der unterschiedlichen Protagonisten macht das Buch sehr kurzweilig und unterhaltsam.

Wie immer in Ingrid Nolls Büchern ist die Sprache brilliant und an die einzelnen Charaktere angepasst, Jugendslang kommt von, wenn vom Teenager Lucy die Rede ist, während der etwas biedere "Gemüsemann" Vinzent auch sprachlich eher altbacken erscheint. Und wie immer sprüht das Buch gerade so von Wortspielen, Schlagfertigkeiten und kuriosen Dialogen, dass ich nicht nur einmal herzlich lachen musste. Die Handlung selbst ist daher eher zweitrangig, aber in guter alter "Noll-Manier" gibt es natürlich einige prekäre Situationen und wie es sich für einen echten Krimi gehört, gibt es natürlich auch einen Toten.

Jedes Jahr aufs Neue freue ich mich, wenn ein neues Buch von Ingrid Noll veröffentlicht wird - und jedes Jahr ist meine Vorfreude absolut begründet. Ingrid Noll bürgt für Spannung und Wortwitz, sie unterhält nicht nur, sondern regt auch zum Nachdenken an und auch dieses Jahr ist ihr mit "Gruß aus der Küche" ein geniales Werk gelungen. Chapeau!

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