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Veröffentlicht am 03.05.2024

Naturgewalten

Das letzte Feuer
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Ein karges Bergdorf, Schmalhänse die Bewohner, Steine, Disteln, Ziegen deren Umgebung. Es ist trocken, aber sicher. Als der eigenwillige Fluss eingedeicht wird, lockt das Tal. Ob man dort glücklicher wird?

Extrem ...

Ein karges Bergdorf, Schmalhänse die Bewohner, Steine, Disteln, Ziegen deren Umgebung. Es ist trocken, aber sicher. Als der eigenwillige Fluss eingedeicht wird, lockt das Tal. Ob man dort glücklicher wird?

Extrem verdichtet, mit knappen Bildern, aber umso wortgewaltiger beschreibt Maria Borrély die Naturgewalten, welche die betagte Pélagie Arnaud wohl am besten kennt. Starrsinnig in den Augen ihrer Nachbarn bleibt sie allein mit Ziegen und Hühnern am schroffen Berg, während alle anderen, einer nach dem anderen, ein neues Leben beginnen. Wohnhütten, Gasthaus, Schule und Kirche – Aufschwung, der Natur, dem tosenden Wasser abgetrotzt. Dennoch vergisst man die alte Pélagie nicht.

Prägnant und klar auf den Punkt gebracht erzählt Borrély von der Entwicklung der Dorfbewohner und noch viel mehr von der Natur, welche wohl immer das letzte Wort hat. Einzelne Szenen, kurze Episoden beherrschen das Feld, dennoch entsteht bald ein monumentales Gemälde, welches auf diesen knapp 150 Seiten mehr als beeindruckt. Dies liegt sicherlich an der fesselnden Wortwahl der Autorin, gewiss aber auch an der sorgfältigen Übersetzung durch Amelie Thoma. Als Leser ist man gefordert, genau hinzusehen, ja zwischen den Zeilen zu lesen, sonst könnte man die ein oder andere Blüte zwischen den Disteln übersehen.

Ein ebenso knapper wie beeindruckender Roman, der zum Leben im Einklang mit der Natur mahnt. Ein Leseerlebnis eher ungewöhnlicher Art.

Veröffentlicht am 01.05.2024

Hoteltod

Aktiv sterben
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Teure Umbauten, eine gemütlicher Wellnessbereich, allein der Status Kurstadt Bad Galgen fehlt, um mehr zahlungskräftige Gäste ins Hotel Waldfrieden zu locken. Als noch dazu eine Leiche im Kühlhaus auftaucht, ...

Teure Umbauten, eine gemütlicher Wellnessbereich, allein der Status Kurstadt Bad Galgen fehlt, um mehr zahlungskräftige Gäste ins Hotel Waldfrieden zu locken. Als noch dazu eine Leiche im Kühlhaus auftaucht, werden die letzten Buchungen storniert, das Haus steht vor dem Ruin. Also packen der Rezeptionist, der Koch und die Gärtnerin die Gelegenheit beim Schopf, um selber rasch Licht ins Dunkel zu bringen und so den Ruf des „Waldfrieden“ wiederherzustellen und ihre Arbeitsplätze zu sichern.

Voller Humor und Selbstironie geht es zu in diesem unterhaltsamen Krimi. Die Handlung spielt sich fast ausschließlich im Hotel ab, welches vom Status einer Kurstadt profitieren würde. Rund um das entsprechende Gutachten könnte sich also ein Mordmotiv verbergen, genauso gut könnte es aber eine Eifersuchtstat sein, verschiedene Theorien sind möglich und werden von dem pfiffigen Trio beleuchtet, alsbald schließt sich auch das Zimmermädchen den Hobbydetektiven an. Ein übersichtlicher Schauplatz und wenige, gut charakterisierte Figuren stehen im Mittelpunkt, spritzige Wortwechsel und blitzschnelle Reaktionen auf unerwartete Situationen überraschen mitunter auch den Leser. Auch wenn die Nachforschungen rund um den Mordfall absolut amateurhaft ausgeführt werden, so führen sie doch zum Erfolg und zaubern nicht nur einmal dem Leser ein Schmunzeln ins Gesicht.

Fazit: flott zu lesen, logisch gestrickt und durchsetzt mit komödiantischen Szenen, wodurch eine lockere, unterhaltsame Atmosphäre entsteht.

Veröffentlicht am 01.05.2024

Träume

Das Kurhotel auf Norderney - Stürmische Zeiten
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1885: Die Freundinnen Jella und Elisa sind jung und voller Träume für ihre Zukunft. Auf der ostfriesischen Insel Norderney wachsen die beiden auf, mittlerweile sind sie achtzehn Jahre alt, die Arzttochter ...

1885: Die Freundinnen Jella und Elisa sind jung und voller Träume für ihre Zukunft. Auf der ostfriesischen Insel Norderney wachsen die beiden auf, mittlerweile sind sie achtzehn Jahre alt, die Arzttochter Jella ist mit dem Krämersohn verlobt, Elisa hilft mit in der kleinen Pension ihrer Mutter und denkt über einen Anbau für weitere Gästezimmer nach. Obwohl die erholungssuchenden Kurgäste die Wirtschaft ankurbeln, sind nicht alle Insulaner glücklich mit der Entwicklung ihrer Heimat, bringen doch die Fremden vielleicht Krankheiten mit oder könnten kriminelle Handlungen ausüben.

Sehr ruhig beginnt die Geschichte rund um die beiden jungen Damen, die Arztpraxis, das Kinderheim, der Krämerladen, die Privatpension als Schauplätze werden vorgestellt, die frische salzige Luft, die Weite des Meeres sind durch die liebevollen Beschreibungen direkt spürbar. Auch die Inselbewohner und ihre Besucher hat man als Leser bald bildhaft vor Augen, sodass man nur noch ein wenig warten muss, bis Bewegung in die Handlung kommt. In der zweiten Buchhälfte geht es dann wesentlich turbulenter und spannender zu, sodass das Leben auf der Insel immer interessanter wird und die Neugierde auf einen weiteren Band stetig wächst.

Mir hat der Beginn dieser Serie unterhaltsame Stunden beschert, die kontroversen Blickwinkel sind überaus realistisch und glaubwürdig herausgearbeitet. Eine Fortsetzung dieser Geschichte würde ich mich sehr freuen.

Veröffentlicht am 23.04.2024

Bizarr

Der Killer in dir
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Alex hat seinen Polizeidienst quittiert und kümmert sich nun um seine kleine Tochter und den Haushalt, während seine Frau ihren Frisiersalon führt. Alles scheint perfekt, bis zu dem Tag, an dem ein sonderbarer ...

Alex hat seinen Polizeidienst quittiert und kümmert sich nun um seine kleine Tochter und den Haushalt, während seine Frau ihren Frisiersalon führt. Alles scheint perfekt, bis zu dem Tag, an dem ein sonderbarer Kerl Alex für einen Auftragskiller hält und ihn für einen Mord engagiert. Hält er sich nicht an die aufgezwungene Vereinbarung, könnte es seiner Familie an den Kragen gehen. Verzweifelt fügt sich Alex in sein Schicksal und gerät in eine Spirale, die sich unaufhörlich weiterdreht.

Für diese sehr ungewöhnliche, ja bizarre Geschichte wählt Max Reiter eine raffinierte Erzählform, nämlich die eines Tagebuchs. Auf diese Art und Weise erfährt der Leser viel über die Gedankengänge und Überlegungen von Max, die psychologischen Grundlagen für dessen Handeln sind grundsätzlich nachvollziehbar, aber dennoch kaum glaubwürdig. Wer würde sich schon zum Schutze seiner Familie als Auftragskiller anheuern lassen? Aber geringere Vergehen? Wie weit würde man gehen, wenn man erpresst würde? Wieviel Unrecht würde man in Kauf nehmen, wenn andernfalls das Leben der eigenen Ehefrau, des eigenen Kindes bedroht würde? So verfängt sich die Hauptfigur in Lügen und Täuschungen, bis der Sog nicht mehr aufzuhalten ist. Fesselnd zeigt der Autor, wie schnell es geht, bis man sich in einer Sackgasse wähnt, keinen vernünftigen Ausweg mehr sieht. Das Ende der Geschichte, nun aus der Sicht eines Erzählers, hält noch so manche Überraschung bereit, aber auch hier gilt: realistisch scheint dies nicht zu sein.

Trotz aller Absurdität hält dieses Buch großartige Gedankenspiele bereit, lädt ein zum Nachdenken, wie weit man möglicherweise selber gehen würde, wann und wie man einen Schlussstrich setzen könnte. Welche Abgründe stecken in einem Menschen, wodurch können sie geweckt werden? Interessante Fragen wirft Max Reiter auch diesmal wieder auf, für außergewöhnliche Unterhaltung ist jedenfalls gesorgt.

Veröffentlicht am 20.04.2024

DDR - Flair

Das Schweigen des Wassers
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Mecklenburg, 1991: Hauptkommissar Grothe wird aus Hamburg zurückbeordert in seine Heimat und versieht als Aufbauhelfer Ost nun seinen Dienst in der Polizeiwache Wechtershagen. Der Bootsverleiher Siegmar ...

Mecklenburg, 1991: Hauptkommissar Grothe wird aus Hamburg zurückbeordert in seine Heimat und versieht als Aufbauhelfer Ost nun seinen Dienst in der Polizeiwache Wechtershagen. Der Bootsverleiher Siegmar Eck beklagt sich, verfolgt zu werden, zwei Tage später wird er tot am örtlichen See gefunden. Ertrunken, lautet die rasche Lösung des Falles, aber die Tatsache, dass Eck ein hervorragender Schwimmer war, lässt Grothes Bauchgefühl anderes vermelden. Rasch ist der Kommissar verstrickt in ein Netz aus Schweigen und Intrigen.

Hervorragend fängt Susanne Tägder das Flair der ehemaligen DDR ein, mit Frau Schulte, einer Tüte Schrippen, Plastebeutel und Nierentisch findet man sich als Leser sofort im Osten der beginnenden 1990er-Jahre wieder, in der Zeit kurz nach der Wiedervereinigung, welche geprägt ist von Entwurzelung, Misstrauen und Verunsicherung. Durch kluge Charakterisierung zeigen sich diese Merkmale in den handelnden Figuren, wodurch eine gewisse Düsternis und Fremdheit in der eigenen Heimat entsteht. Wie nebenbei fließt der Kriminalfall ins Geschehen ein, basierend auf einer wahren Begebenheit im Jahre 1979 in einem mecklenburgischen Dorf. Die Ermittlungen sind höchst interessant, fast noch faszinierender sind jedoch die Informationen zu Politik und persönlichen Schicksalen, welche nicht nur Hauptkommissar Grothe prägen. Ohne große Ausschweifungen konzentriert sich Tägder auf Wesentliches, beschreibt Gefühle und Stimmungen kurz und prägnant, ja beschränkt sich teilweise überhaupt nur auf Andeutungen, die die Hintergründe knapp ausleuchten. Die exakte Recherche zu Örtlichkeit und Zeit spürt man in jeder Zeile der Autorin, dass ihre Familie aus der Gegend des fiktiven Krimis stammt, trägt nicht unwesentlich zur Authentizität bei. Diesbezüglich gefällt mir das Interview mit Susanne Tägder zu Beginn des Buches sehr gut, es passt perfekt als Einstimmung.

Als Erzählzeit wird das Präsens gewählt, wodurch eine ganz besondere Atmosphäre entsteht, der Leser spürt die Enge des Ostens, eine gewisse Bedrücktheit und Distanziertheit, die sich auch auf die Ermittlungstätigkeit erstreckt. Ohne Grothes Hartnäckigkeit wäre der Tod des Bootsverleihers längst als Unfall zu den Akten gewandert, so jedoch entwickeln sich interessante, wenn auch eher träge dahin dümpelde Nachforschungen, die schlussendlich auch zu einem logischen Ergebnis führen.

Fazit: ein Kriminalroman, der vor allem durch den Schreibstil und durch die atmosphärischen Szenen punkten kann.