Eindeutig falsche Genreeinteilung!
Lass mich losLily arbeitet als Rechtsanwältin und ihr erster Fall führt sie in die Strafvollzugsanstalt. Der verurteilte Mörder, Joe Thomas, der wegen Mordes an seiner Freundin sitzt, ist ihr erster Mandant. Lily ist ...
Lily arbeitet als Rechtsanwältin und ihr erster Fall führt sie in die Strafvollzugsanstalt. Der verurteilte Mörder, Joe Thomas, der wegen Mordes an seiner Freundin sitzt, ist ihr erster Mandant. Lily ist erst seit kurzem mit dem Künstler Ed verheiratet, doch sie fühlt sich von der ersten Minute an zu Joe Thomas hingezogen. Vielleicht auch aus dem Grund, weil er unter dem Asperger Syndrom leidet, wie ihr Bruder Daniel.
Die Beziehung zu Ed ist schwierig und so sind beide froh, als eine Nachbarin sie bittet, ab und zu sonntags auf ihre Tochter Carla aufzupassen. Carla ist das Kind einer aus Italien eingewanderten Mutter und leidet sehr darunter keinen Vater zu haben. So werden Lily und Ed immer mehr zu wichtigen Bezugspersonen für Carla.
Die Story beginnt mit einem Mord, gute Voraussetzungen für einen Psychothriller. Dann hüpft die Geschichte 15 Jahre zurück und man lernt als Leser die Protagonisten und ihr Leben kennen. In wechselnden Kapiteln, ist mal die Geschichte von Lily, dann wieder das Leben von Carla im Mittelpunkt. Gerade die Kapitel um Carla haben mich berührt. Carla erlebt in der Schule massiv betriebenes Mobbing. Ihre Mutter liebt sie, doch muss sie ihren Lebensunterhalt "verdienen". Sehr clever, wie die Autorin Szenen wiederholt hat und mal aus der Sicht von Lily und dann wieder aus Carlas Perspektive beleuchtet.
Die Figuren sind sehr bildhaft und gut beschrieben, sowohl im Aussehen wie auch die Charakterzüge. Ich konnte sie mir gut vorstellen. Lily ist frustriert und mit ihrem Leben nicht wirklich zufrieden. Und doch, hat sie ein paar Gedanken, die ich nicht nachvollziehen konnte. So denkt sie zum Beispiel beim Anblick eines Arbeitskollegen an Sex. Meiner Meinung nach ein zu offensichtlicher und dadurch gesuchter Hinweis, dass Lily bei ihrem Mann emotional nicht ausgefüllt ist.
Ein zentrales Thema in "Lass mich los " ist das Asperger-Syndrom. Hier spürt man hervorragende Recherchen. Ich habe das Gefühl, dass dieses Thema mehr und mehr in Thrillern behandelt wird. Nicht immer wird diese Beeinträchtigung so authentisch und gut eingeflochten wie hier in diesem Buch.
Lily arbeitet als Rechtsanwältin und verteidigt unter anderem den inhaftierten Joe Thomas. Teilweise muss man ja in Büchern, in dem es um Recht und Verteidigung geht, selbst ein Jus Studium abgeschlossen haben, um all die Fachbegriffe und Handlungen einordnen zu können. Hier nicht ! Jane Corry hat diese Szenen so geschrieben, dass auch Laien nachvollziehen können, um was es geht.
Trotz der Dicke von 575 Seiten empfand ich zu keiner Zeit Langeweile oder Langatmigkeit.
Leider wird das Buch als "Psychothriller" gegenzeichnet und vermarktet. Dies schürt falsche Vorstellungen und Hoffnungen. Denn Thriller und / oder Psycho findet man nicht. Für mich muss ein Buch mit dieser Genreeinteilung Szenen beinhalten , die Gänsehaut auslösen. Und davon ist keine Einzige vorhanden in "Lass mich los". Trotzdem hat es mich gefesselt, denn die Lebensgeschichte von Carla und Lily ist interessant und mit etlichen Wendungen kein bisschen vorhersehbar.