Jetzt werden sie Estela zuhören!
Die Haushälterin befindet sich in einem Raum. Dort legt sie Zeugnis ihres Lebens ab. Estela kam als Haushälterin ins Haus eines reichen Ehepaares, als die Frau gerade schwanger wird und ein Mädchen geboren ...
Die Haushälterin befindet sich in einem Raum. Dort legt sie Zeugnis ihres Lebens ab. Estela kam als Haushälterin ins Haus eines reichen Ehepaares, als die Frau gerade schwanger wird und ein Mädchen geboren wird. Sieben Jahre später ist das Mädchen tot und Estela sitzt in diesem Vernehmungsraum.
Das Leben der letzten Jahre, aus dem Estela erzählt, ist ein fast unsichtbares. Immer im Hintergrund, und doch essentiell. Sie kocht, sie bügelt, kauft ein, faltet die Wäsche, versorgt das Kind, betreut das Kind. Eine eigene Stimme hatte Estela all die Jahre nicht, auch dann nicht, wenn sie von diesem Kind drangsaliert wurde oder ihre Vorgesetzte sie hat spüren lassen, was sie von dem armen chilenischen Hausmädchen hält.
Immer wieder will Estela den Haushalt verlassen. Sie wollte ursprünglich nur eine Weile dort arbeiten, um genug Geld zu verdienen für ein angenehmes Leben gemeinsam mit ihrer Mutter. Erinnerungen an das Vergangene und Wünsche für das Zukünftige sind ihre Gesellschaft in diesem Haus, in dem die fremde Familie mit ihr nur am Rande zu tun haben will, wenn es sich nicht vermeiden lässt.
Nun, in diesem Vernehmungszimmer, spricht sie mit den Menschen hinter dem Spiegel. Sie beantwortet keine Fragen zur Sache, zum Tod des Mädchens. Erstmals seit vielen Jahren beansprucht Estela das Narrativ für sich, erzählt aus ihrer Perspektive, ungeschönt und frei, und wo kein gutes Haar an ihren Vorgesetzten ist, da lässt sie auch keins.
Es ist die Geschichte eines Lebens, geprägt durch Klassenunterschiede und fehlender Zugehörigkeit.
Alia Trabucco Zerán lässt in "Ich bin Estela" ihre Protagonistin mit eigener Stimme sprechen und sie die Abschweifungen wählen, die für sie und nicht die Autoritäten wichtig sind. Ein interessantes und wichtiges Buch!