Schatten über Glückstadt
Fortunas Schatten"Dat schall glücken und dat mutt glücken, und denn schall se ok Glückstadt heten!“ (Das soll glücken und das muss glücken und dann soll sie auch Glückstadt heißen!) meinte König Christian IV., seines Zeichens ...
"Dat schall glücken und dat mutt glücken, und denn schall se ok Glückstadt heten!“ (Das soll glücken und das muss glücken und dann soll sie auch Glückstadt heißen!) meinte König Christian IV., seines Zeichens König von Dänemark und Norwegen sowie Herzog von Schleswig und Holstein, als er 1617 die Stadt an der unteren Elbe als Gegenpol zu Hamburg erbauen ließ.
Willkommen in Glückstadt.
Wenn ein Ort solch einen Namen trägt, sollte an sich nichts mehr schief gehen. Aber auch eine Stadt mit dem Glück im Namen hat ihre Schatten. Und auf die trifft im Jahre 1894 - Glückstadt gehört nunmehr zum Deutschen Kaiserreich - der ehemalige Kapitän Hauke Sötje.
Um es gleich einmal vorweg zu nehmen: Wenn einer Hauke heißt, ist er mir auf Anhieb sympathisch. Weil ich dann immer an den "Schimmelreiter" denke, und den mochte ich.
Ein bisschen was vom Schimmelreiter hat auch dieser Hauke Sötje. Während er als Einziger den Untergang seines Schiffes überlebt hat und deshalb vor Gericht in England steht, sterben in der Heimat sein neugeborener Sohn und seine Frau im Kindbett. Nun kommt er nach Glückstadt, um Abschied zu nehmen, von den geliebten Menschen und sodann vom Leben.
Doch irgend etwas scheint nicht zu stimmen in der Stadt. Nicht nur, dass Hauke unmittelbar nach seiner Ankunft in eine Schlägerei verwickelt wird und im Gefängnis landet. Nein, ein Brand und ein Mord bewegen die Gemüter ebenfalls, und Hauke ist mittendrin. Wenn auch nicht ganz freiwillig. Bereits in England hatte die Unterstützung des Grafen von Lahn seinen Freispruch bewirkt, und in Glückstadt kommt Hauke wiederum nur auf Grund der Fürsprache des Grafen frei. Als Gegenleistung erwartet der Graf vom ihm, Ermittlungen anzustellen. In Glückstadt soll eine Heringsfischerei mit vier Schiffen aufgebaut werden. Eine Aktiengesellschaft, bei der viele Menschen Aktien gezeichnet haben. Jedoch jemanden scheint dieses Unternehmen ein Dorn im Auge zu sein...
Hauke ist ein Sympathieträger. Er leidet schwer unter der (vermeintlichen) Schuld, dass bei dem Untergang seines Schiffes 53 Männer starben. Seit dem Unglück kann er sich nicht mehr in engen Räumen aufhalten. Er ist ein ernster Mensch. Sein Blick verunsichert so manchen, denn seine Augen sehen "über adlige Titel hinweg, durch feine Kleider hindurch, bis ins Innerste des Gegenübers. Und dort fanden sie all jene Geheimnisse, von denen niemand wollte, dass sie jemals entdeckt wurden."
Trotzdem hätte ich gern noch eine etwas tiefergehende Beschreibung - sowohl äußerlich als auch charakterlich - gewünscht. Leider hat sich ein Fehler eingeschlichen. Ist Hauke Sötje nun 1851 geboren (Seite 42) oder 1856 (Seite 176)?
Wie dem auch sei. Der Roman liest sich gut und hält die Spannung bis zum Schluss. Gefallen hat mir zudem, dass der historische Krimi nicht mit einer Liebesgeschichte überfrachtet wurde. Zwar stellt die Autorin mit Sophie Struwe eine weitere Person in den Mittelpunkt des Geschehens und damit Hauke an die Seite. Und auch Gefühle zwischen beiden sind spürbar. Aber dies geschieht äußerst dezent. Sophie vermag dem Ende des 19. Jahrhunderts herrschenden Bild der Frau nicht viel abzugewinnen. Ihr Leben verändert sich von einem Tag auf den anderen, und sie beweist Kraft und Mut und Durchhaltevermögen...
Die Gestaltung des Buches ist sehr gelungen. Die Dramatis Personae war für mich hinsichtlich der tatsächlichen historischen Persönlichkeiten interessant, die Anmerkungen zu Wahrheit und Fiktion und das Glossar ergänzten mein Wissen. Die Karte von Glückstadt hätte ich mir jedoch an den Anfang des Buches gewünscht. Hilfreich für diejenigen, die kein Plattdeutsch verstehen, ist sicher auch die "Übersetzung" vorkommender Texte.