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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.04.2024

eine wertvolle Leseerfahrung

Babel
4

Ich habe meine Zeit gebraucht um mit "Babel" warm zu werden. Ich fühlte mich etwas allein gelassen und verloren in der Erzählung. Ich würde die ersten Hälfte nicht gerade als fast-paced beschreiben, wie ...

Ich habe meine Zeit gebraucht um mit "Babel" warm zu werden. Ich fühlte mich etwas allein gelassen und verloren in der Erzählung. Ich würde die ersten Hälfte nicht gerade als fast-paced beschreiben, wie bei einem guten Tee nimmt Kuang sich die Zeit die Erzählung ziehen und die Nuancen entfalten zu lassen. Nichts passiert ohne Sinn, aber tiefgreifendes Verständnis ist nicht bei jedem erzählerischen Schlenker notwendig um der Handlung zu folgen. Vielmehr gibt es unzählige kleine "Landschaftsschwenks" oder Griffe ins Bonbonglas, die je nach geschichtlicher, linguistischer oder theologischer Vorbildung und Vorliebe mal mehr mal weniger vom Lesenden gewertschätzt werden können und die Haupthandlung stilvoll unterstreichen. Ich persönlich kann kein Französisch und habe an diesen Punkten die eingestreuten Feinheiten nicht wertschätzen können, dafür war ich begeistert wie viel Tiefgang mir schon meine rudimentären Mandarin Kenntnisse in diesem Buch geschenkt haben.

Nach der Hälfte etwa aber, da geht die Erzählung ab wie eine Lawine. Es lohnt sich durchzuhalten, wenn eins den erzählerischen Ansatz der ersten Hälfte eher zäh empfinden sollte. Und wer in den vielen Details und angelegten Themen in Ruhe geschwelgt hat muss vielleicht auch mit der Härte, der Konsequenz konfrontiert werden. So oder so, das Erzähltempo ändert sich und ich halte das für eine wertvolle Entscheidung von Kuang.

Mir fehlen am Anfang ein paar Alltagsinteraktionen unserer vier Hauptpersonen, Robins Jahrgang an der Uni. Etwas mehr Ausgestaltung ihrer Freundschaft wäre schön gewesen, Szenen wie Robins und Ramys ersten Abend hätte es mehr gebraucht. So werden immer wieder Momente referenziert an denen wir als Lesende nicht unmittelbar teilhaben durften, ich fühle mich als Leser um etwas Versprochenes betrogen.

Das magische System des Silberwerkens hat mich von Anfang an begeistert. Es traf einfach alle meine persönlichen Dispositionen, war mir einleuchtend und hat mich, auch in der Beschreibung in der Geschichte, tief angerührt. Ich kann mir aber vorstellen, dass es für manche Lesende zu technisch, zu abstrakt, schlicht zu wenig Magie beinhaltend daher kam. Das Magiesystem fügt sich nahtlos in die Welt ein, Kuang schafft es, dieses auch nicht zum Widerspruch der realen Historie zu machen. Gleichzeitig bleibt das Magiesystem meiner Meinung nach dadurch hinter seinem Potential zurück und erschafft einfach keine Fantasy vibes für das ganze Buch.

Es scheint mir nicht treffend zu sagen, dass es in diesem Buch um Rassismus geht. Natürlich "geht es" um Rassismus. Unsere rassistische Welt ist Fundament von Babel. So natürlich wie diese Welt gezeichnet wird, so selbstverständlich fühlen sich die Gespräche darum im Rahmen der Erzählung an. Es fehlt schlicht dieser gewisse Aspekt von Theater spielen den die meisten Bücher, die Diskriminierungsformen thematisieren, aufweisen. Es geht eben über die Darstellung von Diskriminierung und Vorurteil hinaus, es nimmt das systemische Wirken ernst und bildet dieses ab. Daher geht es natürlich auch um Identität, um Werte und Verwertung, um Respekt, Würde und der Frage nach dem praktischen Wie von Hoffnung und Veränderung.
"Babel" ist ein gewaltiges Buch, in jeder Hinsicht. It contains multitudes, es enthält und verbindet so viele Ebenen. Und immer mit einem wachen Verstehen, nicht ein Charakter, der holzschnittartig daher kommt oder dem die Erzählweise die Würde nimmt.

Ich würde sagen, der dark academia Aspekt ist in "Babel" deutlicher als der Fantasy Aspekt. Auch Leser:innen die sonst nicht im Fantasy Genre unterwegs sind können, denke ich, gut mit diesem Buch warm werden. Wer das Buch aufgrund des „Harry Potter“ Vergleiches auf dem Einband lesen möchte oder (high) Fantasy erwartet wird enttäuscht werden. Ich habe den Eindruck, das Marketing tut dem Buch hier keinen Gefallen.

Mein persönliches Fazit ist positiv, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das Verallgemeinern möchte.

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Veröffentlicht am 01.07.2024

cute, gelungene Einleitung

Grün & Gold – Liebe in allen Farben 1
0

„Grün & Gold, Liebe in allen Farben“ ist sehr deutlich Band eins einer längeren graphic novel Reihe, dies wird allerdings im Klappentext nicht unbedingt deutlich, der sich weniger auf diesen vorliegenden ...

„Grün & Gold, Liebe in allen Farben“ ist sehr deutlich Band eins einer längeren graphic novel Reihe, dies wird allerdings im Klappentext nicht unbedingt deutlich, der sich weniger auf diesen vorliegenden ersten Band und mehr auf die gesamte Reihe zu beziehen scheint. In diesem ersten Band geht es nämlich noch gar nicht sehr um Liebe, es ist eher eine ruhige, gelungene Einleitung. Wir lernen grob das Internat und die vielen Charaktere kennen und bekommen erste Einblicke in ihre Beziehungen, die positiven und die spannungsgeladeneren Aspekte. Jeder Charakter wird in seiner Tiefe angedeutet, zumindest über die vier Hauptcharaktere, Piet, Tim, Henry und Molle, erfahren wir etwas mehr. Mir fiel es leicht die vier gern zu haben und mit ihnen mitzufühlen. Die Darstellung der Internatsthemen finde ich sehr authentisch, das Setting wird bei aller Romantisierung nicht als perfekte Utopie dargestellt.

Die zeichnerische Darstellung ist sehr warm und fröhlich und einfach unfassbar süß! Lisa Brenner arbeitet hier viel mit dem Kindcheschema. Die Zeichnungen sind einladend und ausgewogen ausgestaltet zwischen Vereinfachung und Tiefe in Form von Schatten etc. Das Einzige, was mich gestört hat, ist die Schwankung in der Darstellung des Alters, die Charaktere wirken zt von Panel zu Panel deutlich jünger/älter. Das ist insbesondere deshalb desorientierend gewesen, weil das Setting mit den Paten und Patenkindern zwei Gruppen mit deutlichem Altersunterschied einführt, der nicht immer deutlich wird.

Zeichnerisch und Erzählerisch gibt es immer wieder emotionale Momente, die mit großer Direktheit und Klarheit transportiert werden, auch die feinen Zwischentöne und leisen Momente kommen deutlich rüber. Das hat mir sehr gefallen.

Für mich hat dieser erste Einführungsband eine solide Basis gelegt für die weitere Geschichte, als Einzelband allerdings fehlte mir ein bisschen ein Abschluss. Das Buch hat mich neugierig gemacht, ich möchte wissen, wie es weitergeht und die Entwicklung der Beziehungen weiter verfolgen.

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Veröffentlicht am 08.05.2024

interessante Idee, nicht erfülltes Potenzial

Der Spiegelorden
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Dieses Buch hat mich weder so richtig begeistert noch groß enttäuscht. Es ist eine Fantasy Geschichte mit einer durchaus interessanten Idee und Ausgangslage, die Auseinandersetzung mit Legenden, Schicksal ...

Dieses Buch hat mich weder so richtig begeistert noch groß enttäuscht. Es ist eine Fantasy Geschichte mit einer durchaus interessanten Idee und Ausgangslage, die Auseinandersetzung mit Legenden, Schicksal und Eigenverantwortung am Beispiel eines kleinen Kindes, Nauri, auf dem alle Erwartungen ruhen hat mich neugierig gemacht. Auch die Hauptcharaktere Bjoron und Darien waren für mich eine der Stärken des Buches. Beide kamen mir lebendig und mit ihren Eigenheiten rüber, es hat mir Spaß gemacht zu lesen wie sie miteinander ihren Weg gefunden haben. Ihre Streitereien, Vorurteile über die Kultur des jeweils anderen und wie sie voneinander gelernt haben, sprich ihre ganze Dynamik miteinander hat mich überzeugt. Durch die Wechsel der Erzählperspektive wurde diese Dynamik unterstützt und das Buch in nicht zu langen Abschnitten gut lesbar. Auch die Nebencharaktere waren interessant und für die Geschichte gewinnbringend gestaltet, nur wenige kamen etwas flach rüber. Etwas flach blieb leider auch der titelgebende Spiegelorden, wir erfahren nicht wirklich viel über seine Hintergründe. Das, was wir erfahren gefällt mir allerdings gut. Die Art mit der wir Informationen darüber nach und nach im Handlungsverlauf erfahren passt gut zu der Entwicklung der Themen rund um Nauri. So wie auch sie ihre Magie erst kennenlernen muss, müssen wir als Lesende uns Fähigkeiten und Auswirkungen auch erst erschließen. Gleichzeitig beginnt die Erzählung „mittendrin“, es wird nicht langweilig und trotz schöner reflexiver Momente ist immer was los. Der Autor hat einige Wendungen eingebaut, aber meistens gab es genug foreshadowing für aufmerksam Lesende. Etwas negativ in Erinnerung bleiben mir die vielen blutigen Schlachten und Abschlachtereien, wer da sensibel ist sollte dieses Buch vielleicht lieber meiden. Gleichzeitig hat dieses Buch Witz und eine feine gefühlvolle Note die sehr im Widerspruch zu den Gemetzeln steht und von der ich mir gewünscht hätte, dass sie mehr Raum einnehmen darf. Auffällig waren in dieser Ausgabe auch einige Lektoratsfehler, was mich allerdings nicht wirklich gestört hat.

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