Berührend und meisterhaft erzählt
Toni Rosser wächst Anfang des 20. Jahrhunderts allein mit seinem Vater auf einem Einödhof in einem abgelegenen Bergtal in der Fränkischen Schweiz auf. Sein Vater ist unberechenbar und wird von allen gemieden, ...
Toni Rosser wächst Anfang des 20. Jahrhunderts allein mit seinem Vater auf einem Einödhof in einem abgelegenen Bergtal in der Fränkischen Schweiz auf. Sein Vater ist unberechenbar und wird von allen gemieden, er trinkt und hat für seinen Sohn nur Verachtung und Schläge übrig. Toni hat Angst vor ihm, er stottert, ist einsam und unsicher in Gegenwart anderer.
Die Erzählung beginnt mit dem Tod Toni Rossers 1968 und schildert aus auktorialer Perspektive Tonis Lebensgeschichte. Der Schreibstil ist klar und direkt, mit kurzen, einfachen und dennoch starken, berührenden Sätzen, die Tonis Innenleben sehr eindrücklich darstellen. Von Anfang konnte ich mich sehr gut in Toni einfühlen, seine Einsamkeit und Sehnsucht nach Liebe spüren, und ich hätte den kleinen Toni am liebsten immer wieder in den Arm genommen. Die Dämonen des gewalttätigen Vaters verfolgen ihn und lassen ihn keine Ruhe finden. Da Toni nie menschliche Nähe und Wärme kennengelernt hat, ist es ihm nicht möglich, seine emotionalen Bedürfnisse und Gefühle zu zeigen. Nach außen wirkt er wie ein komischer, gefühlsreduzierter Kauz, doch in seinem Inneren sieht es völlig anders aus. Niemand ahnt, welche Empfindsamkeit sich hinter seiner unbeholfenen und wortkargen Art verbirgt.
Toni ist ein Getriebener, der durch sein Leben und die Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts stolpert, der rastlos ist und nie wirklich ankommt, den es fortzieht aus dem Tal und der dennoch nicht davon loskommt.
Meisterhaft zeigt Tommie Goerz, wie sich Kindheitstraumata über Generationen auswirken. Die Unfähigkeit zu echter zwischenmenschlicher Nähe ist im Roman allgegenwärtig, auch die Dorfgemeinschaft versagt darin, Toni Rosser in ihre Mitte aufzunehmen. Als Sohn seines Vaters ist er von Kindheit an ein Ausgestoßener. Nur die Frauen des Nachbargehöfts begegnen ihm mit Wohlwollen, bleiben dabei jedoch auch unbeholfen.
Einmal angefangen, hat mich dieses Buch nicht mehr losgelassen und ich habe es binnen eines Tages verschlungen. Tonis Geschichte hat mich tief berührt, und sie ist auch eine Mahnung, genauer hinzusehen und hinter die Fassaden zu blicken. Dieses Buch ist für mich definitiv eine der Entdeckungen dieses Frühjahrs und ich kann es nur wärmstens weiterempfehlen!