Cover-Bild Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist
(3)
  • Einzelne Kategorien
  • Erzählstil
  • Cover
  • Handlung
  • Charaktere
25,00
inkl. MwSt
  • Verlag: S. FISCHER
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 448
  • Ersterscheinung: 24.04.2024
  • ISBN: 9783103975901
Nadine Olonetzky

Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist

Die Familie ihrer Mutter hinterlässt Erinnerungen, Erbstücke und Geschichten. Von der jüdischen Familie des Vaters bleibt lediglich ein kleines Foto. Nur ein einziges Mal erzählt ihr der Vater von dem, was während der Shoah mit ihm und seiner Familie geschehen ist. Da ist sie fünfzehn, und ihr Vater mittlerweile Grafiker und Amateurfotograf, der alles festhalten muss, bevor es verschwindet. Jahrzehnte später stößt sie auf Berge von Akten und erfährt, was ihre Eltern so lange vor ihr geheim gehalten hatten.

»Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist« erzählt unsentimental und poetisch davon, wie man Verlust nicht wiedergutmachen, aber behutsam sichtbar machen kann.

»Dass diese Familiengeschichte aus mehr Fragen als Antworten besteht, macht sie so universell und lässt uns darin auch unsere eigenen Familien erkennen.« Peter Stamm

Weitere Formate

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.05.2024

Wo geht das Licht hin...

0

Nadine Olonetzky hat sich in ihrem Roman „Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist“ mit ihrer Familiengeschichte beschäftigt. Ihr Großvater Moritz kam in einem Konzentrationslager ums Leben, ihrem ...

Nadine Olonetzky hat sich in ihrem Roman „Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist“ mit ihrer Familiengeschichte beschäftigt. Ihr Großvater Moritz kam in einem Konzentrationslager ums Leben, ihrem Vater Emil gelang 1943 die Flucht in die Schweiz.

Eigentlich wäre das schon Stoff genug für einen Roman. Aber ihr Vater hat Nadine Olonetzky nur einmal, auf einer Parkbank, seine Geschichte erzählt. Kaum genug, um einen Roman zu füllen. Doch als sie im Jahr 2020 auf Unterlagen der Anträge zur Entschädigung stieß, begann Nadine Olonetzky die Geschichte ihres Großvaters und ihres Vaters zu rekonstruieren und besuchte auch die Orte ihrer Vergangenheit.

So ist „Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist“ letztlich auch ein Bericht über die Detektivarbeit, aus rund 2500 Seiten an Dokumenten eine Lebensgeschichte zu rekonstruieren. Freilich bleiben viele Lücken, Unklarheiten und Ungenauigkeiten, auch Widersprüche.

Von der Gestapo verhaftet, wurde ihr Großvater Moritz am 26.4.1942 von Stuttgart nach Izbica deportiert, ein Konzentrationslager oder „Transitghetto“ bei Lublin, 300 Kilometer entfernt von Treblinka. Dort kam er vermutlich im gleichen Jahr zu Tode. Ihrem Vater Emil gelang jedoch 1943 auf abenteuerliche Weise mit gefälschten Papieren die Flucht in die Schweiz.

Zur Fluchtgeschichte kommt immer wieder die Auseinandersetzung mit dem Vater. Der Vater, der alles fotografierte, festhalten wollte. Der allen seinen Ehefrauen untreu war. Der häufig Wutausbrüche hatte. Der fünf Jahr lang nicht mehr mit seiner Tochter redete, sagte sie sei für ihn gestorben.

Und: Der Vater, der sich taufen ließ. Die Tochter wusste nichts davon:

Wie bitte? Mein Vater ließ sich taufen? Das erfahre ich erst jetzt aus den Dokumenten.

Dies gehört zu den Lücken, die bleiben. Warum er vom Judentum zum Christentum konvertierte und vor allem: warum er das seiner Familie nie erzählte, darauf hat Nadine Olonetzky keine Antwort.

Die Familiengeschichte ist das eine, das die Autorin erzählt. Das andere ist die Geschichte des 20 Jahre andauernden Kampfs um Wiedergutmachung. Ein Stück Nachkriegsgeschichte. Ausführlichst zitiert Nadine Olonetzky aus der Korrespondenz zwischen ihrem Vater bzw. dessen Rechtsanwälten und dem Landesamt für Wiedergutmachung.

„Schaden an wirtschaftlichem Fortkommen“, „Ausbildungsschaden“, „Schaden an Freiheit“, „Schaden im beruflichen Fortkommen“: So klingt Verfolgung im Juristendeutsch. 24 Jahre lang führte Emil Olonetzky den Schriftverkehr für Wiedergutmachung für sich und seinen Vater. Da ist seine Tochter Nadine stolz, stolz und verwundert. Auch das, dass er für Entschädigung so lange kämpfte, wusste seine Tochter nicht. Erst 2020 hat sie die Unterlagen entdeckt – der Anlass, sich intensiv mit der Vergangenheit zu beschäftigen. 17000 Deutsche Mark bekam Emil Olonetzky schließlich als Entschädigung, natürlich unterteilt in die unterschiedlichen „Schadenskategorien“. 3816 Mark. Für die Anwälte, vermutet die Tochter, habe der Vater ein Mehrfaches ausgegeben. Rückblickend urteilt sie:

Dass mein Vater so sehr für das bisschen Entschädigung kämpfen musste, zerreißt mir heute das Herz. Dass er einfach nicht aufhören konnte, wie unglaublich stark war das. Wie verbissen und wie demütigend auch.

Insgesamt hat Nadine Olonetzky aber etwas zu viel in ihr Buch hineingepackt. Aktuelle Bezüge zum Ukraine-Krieg liegen zwar nah, führen aber doch eher vom Eigentlichen Weg. Die eingerückten Teile über den Garten wirken sehr befremdlich – auch wenn am Anfang des Buches darauf hingewiesen ist, dass „die tröstende Kraft eines Gartens im Jahreslauf“ für alle da sei, die die Geschichte lesen. Für Pausen beim Lesen braucht es keinen beschriebenen Garten.

Auch wenn die Autorin ins Poetische übergeht, schießt sie sprachlich über das Ziel hinaus, wenn zum Beispiel von der Erinnerung als Skelette, die in der Erde stehen, geschrieben ist. Oder wenn sie sich zu Aufzählungen hinreißen lässt.

So schreibt sie über das verkohlte Holz der Stuttgarter Synagoge:

Wie viele Schwarz gibt es? Schwarz wie Trauerkleidung, wie die Rabenkrähen, die im Garten landen. Schwarz wie das Fell meiner Lieblingskatze. Schwarz wie die Dunkelkammer, bevor das rote Licht aufflammt. Schwarz wie das Schwarze Meer? Schwarz wie Pech. Schwarz wie schwarzer Humor.

Andere, wiederkehrende Motive überzeugen dagegen, wie etwa die Parkbank, auf der der Vater der 15-jährigen Nadine seine Geschichte erzählte. Oder der Verweis auf Zlatek die Ziege.

Fazit: Gerade weil man über die Entschädigungs-Prozedur so wenig weiß, ist das Buch so spannend, wenn auch die behördlichen Briefwechsel sehr ernüchternd sind.

  • Einzelne Kategorien
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 24.04.2024

Vaters Vergangenheit

0



„Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist“ ist eine besondere Aufarbeitung der Autorin Nadine Olonetzky. Sie erkundet die Lebensgeschichte ihres Vaters. Der ist 1943 in die Schweiz geflüchtet. ...



„Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist“ ist eine besondere Aufarbeitung der Autorin Nadine Olonetzky. Sie erkundet die Lebensgeschichte ihres Vaters. Der ist 1943 in die Schweiz geflüchtet. Als Jude war er in Deutschland in Gefahr.
Seine Tochter findet nach seinem Tod Briefe über seinen Kampf eine Entschädigung zu bekommen.
Erstaunlich was die Behörden für Problem damit hatten.
Seine Tochter macht sich viele Gedanken über ihn.
Es ist entsetzlich das er nicht mit seiner Familie darüber reden Konnte.
Es ist schwierig das zu rezensieren.
Es liest sich aber interessant.

Veröffentlicht am 25.06.2024

Bewegende Suche nach der Vergangenheit sowohl des Vaters wie auch des Großvaters

0

Das Buch „Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist“ von Nadine Olonetzky, lässt sich nur schwer einem Genre zuordnen. Die Autorin geht darin auf die Suche nach Spuren ihres Vaters und ihres Großvaters, ...

Das Buch „Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist“ von Nadine Olonetzky, lässt sich nur schwer einem Genre zuordnen. Die Autorin geht darin auf die Suche nach Spuren ihres Vaters und ihres Großvaters, deren Verfolgung als Juden bereits vor dem Zweiten Weltkrieg begann. Es ist eine Annäherung an die eigene Familiengeschichte, die unvollständig bleibt, weil sich viele Fragen nicht mehr klären lassen. Bilder, die der Vater als leidenschaftlicher Fotograf gemacht hat, halten viele Momente der Familie im Bild fest, zeigen aber nicht dessen Kindheit und Jugend. Nadine Olonetzky wurde bei Fragen nach dessen Vergangenheit immer vom Vater auf Antworten zu einem späteren Zeitraum vertröstet. Sie besitzt lediglich ein kleines Foto von ihm als Kind, das auf dem Cover des Buchs abgebildet ist. Mit fünfzehn hat er ihr auf einer Parkbank schließlich aus seinem Leben erzählt.

Leider sind ihr nicht mehr alle Details gegenwärtig, als sie sich Jahre später darum bemüht, für ihren Großvater einen Stolperstein setzen zu lassen. Um Details aus dessen Vergangenheit ans Licht zu bringen, fordert sie Dokumente bei entsprechenden Behörden an. Sie stellt fest, dass neben einem Stein für den Großvater ebenfalls einer für ihren Vater liegen sollte. In der Folgezeit arbeitet sie sich durch Unterlagen, die in ernstem Stil verfasst sind und von denen im Buch reichlich zitiert wird. Beim Studium der Dokumente bleiben Unsicherheiten zurück. Manchmal liest sie Angaben, die nicht mit denen übereinstimmen, was ihr Vater erzählt hat. Namen sind in verschiedenen Formen wiedergegeben und Daten passen nicht zueinander.

In ihr wächst der Wunsch, sich selbst auf Reisen an einigen, für den Großvater bedeutsamen Orten, ein eigenes Bild zu verschaffen. Das von ihr Aufgeschriebene beinhaltet nicht nur die Vergangenheit der Familie der Autorin, sondern ist auch eine bewegende Geschichte der Judenverfolgung, aufgezeigt an Einzelschicksalen. Immer wieder hält die Autorin inne und erzählt vom Erwachen, Blühen und Vergehen der Natur, die sie in ihrem Garten beobachtet, von Verwurzelungen und Änderungen der Flora über Jahre hinweg. Es scheint so, als ob sie damit nicht nur dem Lesenden Gelegenheiten geben möchte, das Geschriebene zu verarbeiten, sondern sich ständig daran zu fokussieren, wie vergänglich Leben ist. Das Buch ist, trotz vieler offener Fragen eine Reminiszenz für die Menschen auf den vom Vater hinterlassenen Fotos und den in den Dokumenten enthaltenen Namen. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung an diejenigen, die sich für Erinnerungskultur interessieren.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere