Mehr als die Geschichte eines weißen Pferdes
Fallen euch bei weißen Pferden auch immer die Lipizzaner ein? Die älteste Kulturpferderasse der Welt. Mir geht es so, zumindest seit meiner ersten "Begegnung" mit den Lippizanern im Jahre 2009. Da war ...
Fallen euch bei weißen Pferden auch immer die Lipizzaner ein? Die älteste Kulturpferderasse der Welt. Mir geht es so, zumindest seit meiner ersten "Begegnung" mit den Lippizanern im Jahre 2009. Da war die Spanische Hofreitschule Wien zu Gast in Berlin, und ich bekam für die Vorführung eine Karte geschenkt. Natürlich hatte ich vorher schon von den weißen Pferden gehört, jedoch sie "life" zu sehen war ein Erlebnis.
Deshalb war es auch keine Frage, dass ich auch dieses Buch lesen wollte. Geschrieben hat es Frank Westerman. Ein Niederländer, der als Kind seine erste Berührung mit Lipizzanern hatte und sich als Erwachsener auf deren Spuren in der Geschichte begibt. Eine andere Geschichte des 20. Jahrhunderts. Und das ist das besondere an diesem Buch. Es liest sich wie ein Roman und nicht - so war meine ursprüngliche Erwartung - wie eine wissenschaftliche Abhandlung der Geschichte eines berühmtes Pferdes. Denn nicht nur darum geht es. Der Autor schildert Ereignisse in der Ich-Form, lässt uns direkt an seiner Recherche teilhaben und fügt geschichtliche Hintergründe ein. Das Buch gliedert sich im Hauptteil auf in die Zeit der Napoleonischen Kriege bis zum Ersten Weltkrieg, den Zweiten Weltkrieg und dem Krieg auf den Balkan in den Neunziger Jahren. Dabei werden den drei großen Abschnitten jeweils Karten vorangestellt, aus denen der Leser ersehen kann, welche Fluchtwege und vor allem wie viele die Lipizzaner zu absolvieren hatten.
Ursprünglich befand sich die Zuchtstätte der Pferde in Lipica (heutiges Slowenien), und die edlen Tiere waren der Habsburger Monarchie vorbehalten. Auf Grund ihrer Eigenschaften: elegant, athletisch und mutig, körperlich und mental stark, lebhaft, aber gutmütig, kontaktfreudig und mit einer schnellen Auffassungsgabe versehen, waren und sind sie für die Hohe Schule der Dressur hervorragend geeignet (Davon konnte ich mich bei der Aufführung der Spanischen Hofreitschule Wien selbst überzeugen.).
Möglich wurde das durch die jahrhundertelange Zucht, wobei die Lipizzanerrasse aus genau sechs Hengstfamilien (Blutlinien mit den Vatersnamen Conversano, Favory, Pluto, Neapolitano, Siglavy und Maestoso) besteht. Deshalb spielt im Buch auch die Vererbung (Mendelschen Gesetze, könnt ihr euch erinnern?) eine Rolle. Dabei beschränkt sich der Autor nicht nur auf die "Verbesserung" der Pferde, sondern lässt auch seine Wertung hinsichtlich der "Selektion" des Menschen einfließen. Das macht Westerman sehr gekonnt.
Der gesamte Schreibstil des Autors ist intelligent und ausdrucksstark, berührend und auch humorvoll, die Übersetzung empfinde ich als gelungen. Manchmal hätte ich mir doch eins, zwei Fotos gewünscht, denn bis auf das Umschlagbild und die Karten ist das Buch absolut frei davon.
Als Pferdefreundin hat mich zwar besonders das Schicksal der Lipizzaner bewegt, aber das "Drumherum" war für mich wissenserweiternd.